12.08.2024

Themenreihe Personal

Autor*in

Rosanna Steyer
studierte Theaterpädagogik B.A. sowie Kultur und Medien Management M.A. Neben ihrem Masterstudium arbeitete sie als Kommunikationsmanagerin für die Nachbarschaftsplattform nebenan.de anschließend bei der Stiftung nebenan.de. Seit Februar 2024 ist sie Referentin für Transparenz bei der IQM Initiative Qualitätsmedizin e.V.
Entwicklung des Arbeitsmarktes Kultur

Recruiting von Fach- und Führungspositionen in den letzten 20 Jahren

Kultureinrichtungen stehen vor immer neuen Aufgaben und Herausforderungen - und brauchen Personal, das diesen gewachsen ist. Ob die Stellenausschreiben diesen Bedarf widerspiegeln und welche Erkenntnisse sie zur Entwicklung des Arbeitmarktes Kultur und zum Berufsprofil von Kulturmanager*innen bieten, zeigt eine neue Erhebung.

Themenreihe Personal

Seit 2004 werden die Ausschreibungen des Stellenmarktes von Kultur Management Network regelmäßig jeweils für mehrere Jahre ausgewertet. Als einer der größten deutschsprachigen Kultur-Stellenmärkte werden hier jährlich mehrere Tausend Stellenanzeigen veröffentlicht. Diese Datenbasis ermöglicht großräumige Aussagen über die Entwicklung des Arbeitsmarktes, der gesuchten Positionen und Qualifikationen. Mit der letzten Stellenanzeigenanalyse für den Zeitraum 2019-2022 im Rahmen meiner Masterarbeit im Fach Kultur- und Medienmanagement an der Freien Universität Berlin können Entwicklungen und Veränderungen für einen Zeitraum von knapp 20 Jahren betrachtet werden.
 
Verteilung nach Region und Sparten
 
Die Städte, in denen die meisten Organisationen sitzen, haben sich seit 2004 nicht signifikant verändert. In den letzten 20 Jahren kamen stets die meisten Ausschreibungen aus Berlin, gefolgt von München, Dresden, Stuttgart, Hamburg und Frankfurt am Main. Auch die Anzahl der ausgeschriebenen Positionen in diesen Städten veränderte sich kaum, abgesehen von einer Verdopplung der Berliner Stellen seit 2004. Die Verteilung auf die Regionen hat sich ebenfalls kaum verändert. So sind unter den zehn Städten, in denen die meisten Stellenanzeigen veröffentlicht wurden, zwar stets mehr Städte in den westdeutschen, aber immer auch einige aus den ostdeutschen Bundesländern, auch unter Herausrechnung von Berlin. Hingegen sind die norddeutschen Bundesländer mit Ausnahme von Hamburg häufig abgeschlagen und nicht unter den Top 10.
 
Hinsichtlich der Sparten ist die Anzahl der Stellenanzeigen für Museum/Kulturerbe weitgehend gleich geblieben. Für Medien/Literatur, Musik/Theater/Events/Konzertbetrieb, Dienstleistungen und Stiftungen/Verbände hat sie stetig zu-, für Bildung/Politik/öffentliche Verwaltung sowie Kunstmarkt jedoch abgenommen.
 
 
Selbstdarstellung und Benefits für Bewerber*innen
 
Kaum verändert hat sich auch die Selbstdarstellung der ausschreibenden Organisationen. Diese Möglichkeit nutzt seit 20 Jahren im Schnitt rund die Hälfte. Die seit 2004 durchgängig am häufigsten genannten Attribute sind dabei die Bedeutung der Organisation und ihre Internationalität. Stand an dritter Stelle anfangs noch die Tradition der Organisation, wurde diese ab 2014 von den Mitarbeitenden als Erfolgsfaktor und seit 2019 vom Merkmal "große Organisation" abgelöst. 
 
Zugenommen haben hingegen Stellenanzeigen, in denen Angaben zu Leistungsangeboten gemacht werden: von 20 % im Zeitraum 2004-20014 auf 66 % im Zeitraum 2019-2022. Dabei stehen seit 2004 die attraktiven Konditionen an erster Stelle, wobei sich die Nennungen seitdem auf rund 60 % verdoppelt haben. Auf Rang 2 sind leichte Veränderungen zu verzeichnen. Während 2004-2014 noch mit der Aussicht auf Entwicklungsperspektiven geworben wurde, standen seit 2014 vermehrt Eigenverantwortung und (künstlerische) Freiheit im Vordergrund. Seit 2019 werden die Sozialleistungen wieder häufiger genannt. Neu hinzugekommen sind flexible Arbeitszeiten als Anreiz für Bewerber*innen. 
 
Angaben zum Umfang der ausgeschriebenen Stelle (Voll-, Teilzeit o. a.) und zum Anstellungsverhältnis (befristet, unbefristet o. a.) sind in den vergangenen 20 Jahren häufiger geworden. Seit 2019 wird dazu in fast jedem Stellenangebot eine Angabe gemacht. Zudem stieg die Anzahl unbefristeter Stellenangebote auf 30 %, während die Anzahl befristeter Stellen auf 54 % sank. Seitdem gibt es auch mehr Stellenangebote mit einem Anstellungsverhältnis im Rahmen freier Mitarbeit. 
 
Zugenommen hat auch die Vergütung, seit 2010 um etwa 800,00 Euro brutto pro Monat für eine Vollzeitstelle. Bewerber*innen können sich zudem zunehmend online bewerben, seit 2019 in mehr als zwei Dritteln aller Fälle sogar ausschließlich. Das entspricht einer Steigerung um 20 Prozentpunkte in den letzten zehn Jahren. Stellenanzeigen, bei denen die Onlinebewerbung nicht möglich ist, haben von über 20 % auf 5 % abgenommen.
 
Gesuchte Positionen
 
Auffallend ist, dass die Anzahl der Stellenausschreibungen für die obere und mittlere Leitungsebene in den vergangenen 20 Jahren deutlich abgenommen hat, für die obere Leitungsebene sogar um mehr als die Hälfte. Hingegen haben Stellenangebote für die untere Leitungsebene sowie die Ausführungsebene zugenommen. Für die untere Leitungsebene haben sie sich fast verdoppelt, für die Ausführungsebene sind sie von 33 % (2004-2014) auf 49 % (2019-2022) gestiegen.
 
 
Bei der Zuordnung zu den Organisationsbereichen wurde konstant seit 2004 rund jedes dritte Stellenangebot dem Bereich Produktion/Projektdurchführung zugeordnet. Die meisten Stellenangebote gehören dabei mit konstant jeweils zwischen 10 % und 20 % zu den Bereichen Management, Marketing, Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Zu den Bereichen IT, Finanzen, Forschung, Logistik, Personalwesen, Verkauf und Social Media gehören hingegen durchgängig weniger als 5 % der Stellenanzeigen. 
 
Qualifikationsanforderungen
 
Die Liste der Qualifikationsanforderungen ist seit 2004 inhaltlich nahezu unverändert. Jedoch nimmt der Prozentwert der Nennungen der jeweiligen Anforderungen teilweise stark zu. Zentral sind konstant die Berufserfahrung und ein Hochschulabschluss. Sofern ein konkreter Studienabschluss aufgeführt wurde, überwiegt im Zeitraum 2014- 2017 noch der Master mit 11 % vor dem Bachelor mit 8 %. Im Zeitraum 2019-2022 tauschen die beiden, steigen aber gleichzeitig an, mit 12 % geforderten Masterabschlüssen und 14 % geforderten Bachelorabschlüssen. 
 
 
In jedem dritten Stellenangebot wird seit 2010 als gewünschtes Studienfach Kulturwissenschaft genannt.
 
 
Beim Fachwissen zeigen sich einige Konstanten, aber auch deutliche Verschiebungen im Verlauf der letzten 20 Jahre. Durchgehend die meistgesuchte Kompetenz sind PC-/IT-Kenntnisse. Hier zeigt sich ein stetiger Anstieg, von 35 % im Zeitraum 2004-2008 auf 75 % im Zeitraum 2019-2022. Die Bedeutung von Englischkenntnissen hat ebenfalls zugenommen, von 31 % im Zeitraum 2004-2008 auf ca. 50 % in den letzten zehn Jahren. Weitere Fremdsprachen gehörten bis 2017 konstant zu den fünf meistgesuchten Kompetenzen, sind aber seit 2019 nicht mehr unter den Top 5 vertreten. Hingegen gewinnt Projektmanagement zunehmend an Bedeutung, von 6 % im Zeitraum 2010-2014 auf einen Anteil von 50 % seit 2019. Weitere Kompetenzen gehörten während der letzten 20 Jahre nur jeweils einmal zu den Top 5: Kulturmanagement und Marketing 2004-2008; Öffentlichkeitsarbeit/PR und Eventmanagement 2008-2010; Betriebswirtschaftslehre 2010-2014; sowie Organisation und Führung 2014-2017. Diese Fachwissensbereiche wurden jeweils in ca. 15 % der Fälle genannt (außer Betriebswirtschaftslehre mit 5 %). Bemerkenswert ist deshalb, dass Netzwerk- und Kooperationsmanagement im Zeitraum seit 2019 bereits mit 40 % in die Liste der meistgesuchten Kompetenzen eingestiegen ist. Seit 2019 ist also die Bedeutung wirtschaftlichen Fachwissens abgesunken, während die Anforderungen im Bereich Management zunehmen und verschmelzen.
 
 
Bei den Anforderungen an Mindset, Arbeitsweise und Sozialverhalten sind kaum Veränderungen auszumachen, jedoch hat die Anzahl der Nennungen persönlichkeitsspezifischer Kompetenzen in Stellenanzeigen zugenommen. Die drei Kompetenzen, die 2004-2022 durchgehend am häufigsten genannt wurden, sind Teamfähigkeit/kooperatives Arbeiten, kommunikative Fähigkeiten und Organisationsfähigkeit. Während diese drei im Zeitraum 2004-2008 in jedem dritten Stellenangebot gefordert waren, werden sie seit 2019 in jedem zweiten Stellenangebot aufgeführt. Seit 2010 häufiger genannt werden selbstständige Arbeitsweise und Zielstrebigkeit, während Engagement und Einsatzbereitschaft seltener nachgefragt werden. Die Eigenschaft Flexibilität war bis 2019 unter den fünf häufigsten Anforderungen und wurde seitdem durch allgemeine sprachliche Fertigkeiten in Wort und Schrift ersetzt.
 
 
Einordnung
 
Die Kulturlandschaft und der Arbeitsbereich Kultur haben sich in den letzten 20 Jahren dynamisch verändert und tun dies noch immer. Diese Entwicklungen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Digitalisierung, demografischer Wandel, Nachhaltigkeit und Globalisierung beeinflussen die Kulturarbeit immer stärker und führen zu neuen Anforderungen an die Qualifikationen und Kompetenzen von Arbeitnehmer*innen. Die digitale Transformation verlangt nach Fachkräften mit Kenntnissen in IT, Datenanalyse, digitalem Marketing und Social Media. Nachhaltigkeit und Klimawandel setzen zudem Akzente auf umweltbewusstes Handeln und nachhaltige Betriebsführung. Gleichzeitig führt der demografische Wandel zu einer älter werdenden Belegschaft, was Maßnahmen im Bereich des Wissensmanagements und der Gesundheitsförderung erforderlich macht. Zudem spielt aufgrund von Corona und Fachkräftemangel die Arbeitgeberattraktivität gegenüber jüngeren Kulturschaffenden und Menschen mit diversen Backgrounds eine größere Rolle. All diese Veränderungen verlangen nach strategisch und flexibel denkenden Mitarbeitenden und Führungskräften, die in der Lage sind, ihre Organisationen auf neue Umstände einzustellen.
 
Dass der Kulturbereich das in der Breite verstanden hätte und in Personalentwicklung und Recruiting darauf reagiert, zeigt sich in den Stellenausschreibungen jedoch nur bedingt. So ist seit 2004 nicht nur die regionale Breite, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung der Stellenausschreibungen weitgehend gleich geblieben. Wenn aber Stellenanzeigen nicht explizit nach bestimmten Kompetenzen suchen, fehlen den Einrichtungen Mitarbeiter*innen, die diese effektiv nutzen können. Das betrifft etwa technische Kenntnisse über den Umgang mit MS Office oder Photoshop hinaus, Visionsentwicklung und Change Management, aber auch neue Formen der Vermittlung und Programmgestaltung. Dies kann zu Wettbewerbsnachteilen etwa bei Fördermitteln und Sponsor*innen führen, zu einem Rückgang des Publikumsinteresses oder finanziellen Nachteilen, etwa durch höhere Betriebskosten. Tatsächlich sichtbar in den Stellenanzeigen wird einzig der erhöhte Bedarf an interkultureller und Beziehungskompetenz sowie Fremdsprachenkenntnissen, was als Reaktion auf Vernetzung und Globalisierung interpretiert werden kann.
 
Kultureinrichtungen müssen ihre Personalstrategien anpassen, um relevant zu bleiben. Dies erfordert eine stärkere Fokussierung auf das Feld der Personalentwicklung und -besetzung - und mehr Unterstützung und Anforderungen auch von Seiten der Träger und Fördergeber*innen -, um Stellenanforderungen und -ausschreibungen überhaupt auf die gesellschaftlichen Veränderungen ausrichten zu können.

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