05.08.2024

Themenreihe Personal

Autor*in

Rosanna Steyer
studierte Theaterpädagogik B.A. sowie Kultur und Medien Management M.A. Neben ihrem Masterstudium arbeitete sie als Kommunikationsmanagerin für die Nachbarschaftsplattform nebenan.de anschließend bei der Stiftung nebenan.de. Seit Februar 2024 ist sie Referentin für Transparenz bei der IQM Initiative Qualitätsmedizin e.V.
Status quo des Arbeitsmarktes Kultur

Erfahrene Netzwerker*innen und Organisationstalente gesucht

Gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen auch den Kulturbereich - und damit den Arbeitsmarkt Kultur. Inwieweit sich das in den Stellenausschreiben widerspiegelt und welche Kompetenzen Kultureinrichtungen am häufigsten suchen, zeigt eine neue Erhebung.

Themenreihe Personal

Nach wie vor gibt es kaum Daten zu den beruflichen Positionen und Möglichkeiten sowie den Qualifikationsanforderungen im Kulturbereich. Ausnahme sind die Auswertungen des Stellenmarktes von Kultur Management Network, die seit 2004 regelmäßig jeweils für mehrere Jahre vorgenommen werden. Die neueste Stellenanzeigenanalyse für den Zeitraum 2019-2022 war Inhalt meiner Masterarbeit im Fach Kultur- und Medienmanagement an der Freien Universität Berlin. Sie zeigt, welche Qualifikationen und Anforderungen für Kultureinrichtungen als Arbeitgeber*innen am wichtigsten sind, wie sich diese selbst präsentieren und was sie den Bewerber*innen bieten.
 
Dafür wurde ein Datensatz von mehr als 15.000 Stellenausschreibungen bereinigt, indem Stellenanzeigen für Berufsanfänger*innen sowie jene in nicht-deutscher Sprache bzw. für Stellen außerhalb Deutschlands entfallen sind. Aus den verbliebenen knapp über 11.000 Ausschreibungen wurde eine zufällige und annähernd repräsentative Stichprobe von 196 Stellenanzeigen gezogen und ausgewertet. Die im Folgenden präsentierten zentralen Erkenntnisse zeigen die prozentualen Angaben bezogen auf die Stichprobe für die Jahre 2019-2022.
 
Verteilung nach Region und Sparten
 
Mit 30 % der ausschreibenden Organisationen stellt Berlin bei weitem die meisten Stellenausschreibungen für den Arbeitsmarkt Kultur. Im Ländervergleich folgt Nordrhein-Westfalen mit 14 %, also nur knapp halb so vielen Stellenangeboten. An dritter und vierter Stelle finden sich dicht hintereinander Baden-Württemberg mit 9 % und Bayern mit 8 %. Die wenigsten Ausschreibungen gab es in Mecklenburg-Vorpommern mit 1 %. Im Städtevergleich folgen auf Berlin mit 30 % mit großem Abstand München mit 5 %, dann Hamburg und Stuttgart mit jeweils 4 %.
 
 
Es zeigt sich eine Konzentration der Kulturstellen auf urbane Räume und Großstädte mit einer starken Zentralisierung auf Berlin. Das Stadt-Land-Gefälle wird ebenfalls sichtbar, wenn man in den Süden Deutschlands nach Bayern schaut: Von den Stellenanzeigen, die in Bayern veröffentlicht wurden, haben mehr als die Hälfte der Stellenanbieter*innen ihren Hauptsitz in München. In anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen scheint die Verteilung zwischen Groß- , Mittel- und Kleinstädten hingegen ausgeglichener zu sein.
 
Hinsichtlich der Spartenverteilung werden mit 54 % die meisten Stellen von Kultureinrichtungen ausgeschrieben: Dabei folgen auf Museen mit 19 % der Konzertbetrieb mit 11 % und Theater mit 9 %. Andere Organisationen, die in die Sparte Kultureinrichtungen fallen, sind die freie Szene/Soziokultur mit 7 %, kulturelle Veranstaltungen, die weder in Konzerthäusern noch im Theater stattfinden, mit 6 %, sowie der Bereich Tanz/Ballett mit 2 %.
 
In der Sparte Dienstleistungen sind mit 21 % nicht mal halb so viele Stellenanzeigen auszumachen. Hier stammen die meisten Ausschreibungen von Stiftungen, gefolgt von Non-Profit-Unternehmen und Agenturen. In der Sparte Bildung, Forschung, Politik und öffentliche Verwaltung mit 13 % finden sich ungefähr gleich viele Stellenanzeigen in den Bereichen Bildung und Forschung wie in der öffentlichen Verwaltung. In die Sparte Medien fallen rund 9 % der analysierten Stellenanzeigen, wovon die meisten der Untersparte Literatur zuzuordnen sind. Die Sparte Kunst & Markt, zu der etwa Galerien und Unternehmen aus dem Kulturtourismus gehören, verzeichnet rund 3 % der Stellenanzeigen. 
 
Selbstdarstellung und Benefits für Bewerber*innen
 
Die Selbstdarstellung der ausschreibenden Institution in Stellenanzeigen ist häufig der erste Kontakt zwischen Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in, was die Organisationen in rund 52 % der analysierten Stellenanzeigen nutzen. Mehr als die Hälfte davon hebt die Bedeutung der eigenen Organisation für die Kulturlandschaft oder die Region hervor. Nur halb so oft erwähnen Organisationen (31 %) ihre Internationalität, gefolgt von der Größe der Organisation mit 18 % sowie der Digitalisierung mit 15 %. In nur 2 % der Stellenanzeigen beschreiben sich die Arbeitgeber*innen als nachhaltig.
 
Beim Großteil der Stellenanzeigen (64 %) wurde die Vergütungsklasse angegeben, in die die Position eingestuft wird, davon bei nur rund 5 % als konkreter Betrag. Daraus lässt sich für Stellen, in denen ein Betrag angegeben wurde, ein jährliches Durchschnittsgehalt von 25.845,00 Euro brutto für eine Vollzeitstelle (> 36 Arbeitsstunden pro Woche) errechnen. Für die Berechnung der Vergütung nach oder in Anlehnung an einen Tarifvertrag (i. d. R. TVöD oder Tarifvertrag-Länder) wurden die Beträge aus den Tarifverträgen für das Jahr 2020 genutzt. Dies ergibt ein Jahresdurchschnittsgehalt von 42.133,80 Euro brutto für eine Vollzeitstelle. Zum Vergleich: Der Gehaltsreport von Stepstone aus dem Jahr 2021 zeigt ein jährliches Bruttodurchschnittsgehalt in Deutschland von 56.985,00 Euro und einen Median von 50.000,00 Euro. Somit liegt das tarifvertragliche Gehalt in der Kulturbranche 26 % unter dem allgemeinen Durchschnittsgehalt in Deutschland, das nicht-tarifvertragliche sogar 55 % darunter.
 
In Anbetracht dieser Zahlen mag es überraschen, dass über die Hälfte der Organisationen im Rahmen ihrer Stellenausschreibungen mit attraktiven Konditionen, Bezahlung und anderen Vergütungen für sich werben. Auf Rang 2 des Leistungsangebot folgt flexible Arbeitszeit mit 47 % und auf Rang 3 innerbetriebliche Weiterbildung mit 37 %. Insgesamt legen etwa zwei Drittel der Organisationen in ihren Stellenanzeigen dar, mit welchen Vorteilen Bewerber*innen rechnen können. 
 
 
Gesuchte Positionen
 
In Bezug auf die Hierarchiestufe innerhalb der ausschreibenden Organisation gibt es ungefähr gleich viele Stellenangebote für Mitarbeitende ohne leitende Funktion mit 48 % wie für Positionen auf oberer, mittlerer oder unterer Leitungsebene mit 50 %. Dabei werden in knapp jeder dritten Stellenanzeige Bewerber*innen für die Produktion/Durchführung von Projekten und Kulturformaten gesucht. Insgesamt 16 % der Stellenanzeigen sind dem Organisationsbereich Management zuzuordnen. Knapp dahinter folgen auf Platz 3 Stellenangebote für Marketing, Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Trotz der Bedeutung von Online-Präsenz für Kulturorganisationen sind nur 4 % der Stellen dem Organisationsbereich Social Media zuzuordnen, vermutlich weil dieses Aufgabenfeld meist den Bereichen Marketing oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet ist.
 
 
Von den analysierten Stellenanzeigen sind 58 % Vollzeit- und 33 % Teilzeitpositionen. Bei über der Hälfte handelt es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis, um ein unbefristetes bei knapp einem Drittel der Stellen. In 9 % der Ausschreibungen wurden freie Mitarbeiter*innen gesucht.
 
Qualifikationsanforderungen
 
Knapp zwei Drittel der Stellenanzeigen wünschen ein abgeschlossenes Studium. Dabei wird meist nicht konkretisiert, welcher Studienabschluss gesucht ist. Wenn doch, wird häufiger ein Bachelor (14 %) als ein Master (12 %) gefordert, gefolgt von einer Promotion (6 %) und einem Staatsexamen (2 %). Zu den gesuchten Studienfächern gab es 229 Angaben. Folgende fünf werden am häufigsten gesucht:
 
 
Berufserfahrung wird in mehr als zwei Drittel der Stellenanzeigen explizit erwartet.
 
Aus den Angaben zum geforderten Fachwissen wurden elf Oberkategorien erstellt und ausgewertet. Dabei ist in jedem Stellenangebot erforderliches Fachwissen zu durchschnittlich sieben detaillierten Themen aufgeführt. 
 
 
Bei den fachlichen Qualifikationsanforderungen werden Organisationskompetenzen am häufigsten gesucht, gefolgt von englischen Sprach- und MS-Office-Kenntnissen. Aufgabenspezifisches Fachwissen findet sich erst auf Platz 5 und 6, gefolgt von administrativen Kompetenzen.
 
 
Aus den gesuchten persönlichen und sozialen Fähigkeiten und Qualifikationen lässt sich häufig viel über die Arbeitsbedingungen in einer Organisation ableiten. Hier werden Team-, Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten am häufigsten gefragt. Es folgen Einsatzbereitschaft, Belastbarkeit, Flexibilität. Deutlich ab fallen Führungs- und strategische Kompetenzen, trotz ihrer seit Jahren immer mehr gestiegenen und beachteten Bedeutung und obwohl die Hälfte der Stellen auf Leitungsebenen angesiedelt ist. Auch Kompetenzen mit hoher Relevanz in einem dynamischen Arbeitsumfeld sowie technisches Verständnis werden überraschend wenig genannt.
 
 
Fazit
 
Was eine Stelle im Kulturmanagement von anderen Stellen im Kulturbereich unterscheidet, war schon immer schwer zu sagen - und ist in den letzten Jahren noch uneindeutiger geworden. Abgesehen von rein künstlerischen Berufen haben inzwischen fast alle Tätigkeitsbereiche auch organisatorische und administrative Aufgaben. Nicht nur müssen Kulturmanager*innen Allrounder sein, sondern auch Spezialist*innen benötigen breite allgemeine fachliche wie persönliche Kompetenzen. Für Stellensuchende bedeutet das, dass sie in ihren Bewerbungen und in Hinblick auf ihre berufliche Weiterbildung (auch) einen Fokus auf diese Qualifikationen legen sollten.
 
Mit Blick auf die sich stetig verändernden Aufgaben von Kultureinrichtungen ist zugleich überraschend, dass sich diese nur bedingt in den Stellenausschreibungen und Anforderungen wiederfinden. Zwar zeigt sich, dass bspw. neue, innerhalb und außerhalb einer Organisation vernetzte Arbeitsweisen wichtiger werden. Insbesondere digitale, technische, nachhaltige und auch strategische Kompetenzen bleiben aber weiterhin im Hintergrund. Diese sind jedoch notwendig, um auf die Veränderungen der Gesellschaft zu reagieren und mit veränderten Anforderungen umgehen zu können. Dies gilt insbesondere für das Themengebiet Führung, dass in den letzten Jahren u. a. aufgrund zahlreicher Skandale deutlich wichtiger geworden ist, aber in den Ausschreibungen nur eine vergleichsweise geringe Rolle spielt. 
 
Auffallend ist zudem, dass sich die Corona-Pandemie, die genau in den untersuchten Zeitraum 2019-2022 fiel, in den Stellenausschreibungen fast nicht niederschlägt. Weder hat die Anzahl an Stellen abgenommen, noch wurden diese prekärer. Im Gegenteil. Vielmehr zeigen sich in den verbesserten Konditionen womöglich bereits erste Andeutungen des Fachkräftemangels, der nach der Pandemie noch einmal deutlich stärker geworden ist, wie eine Erhebung von Kultur Management Network zeigt. Hier wäre Employer Branding - etwa in Form von umfangreicheren Angeboten an die Bewerber*innen oder einer besseren Selbstdarstellung der Organisationen - eine gute Möglichkeit, dem zu begegnen.

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (2)
K
Re: Employer Branding
von Kultur Management Network Redaktion, 05.08.2024 12:33
»Liebe Annette, der Punkt Gehalt wird oft vermutet und ist sicher auch zutreffend. Aber wahrscheinlich ist das Führungsverständnis tatsächlich wichtiger. Bspw. hat die ICOM-Studie zur Mitarbeitendenzufriedenheit gezeigt, dass die Unternehmenskultur ein wichtiger Punkt für viele Museumsschaffenden ist, weniger wichtig als das Gehalt. Und nach der Studie zu Führungskräftegewinnung in Museen von Anna Stegmann spielt die Art der Stellenausschreibung und welche Informationen man dort zum Arbeitsumfeld findet eine große Rolle bei der Frage, ob sich jemand bewirbt. Die Selbstdarstellung sagt ja etwas über die Werte und Schwerpunkte einer Organisation aus.«
A
Employer Branding
von Annette Jagla, 05.08.2024 11:20
»Der beste Ansatz für Employer Branding wäre die Überwindung der unterduchschnittlichen Vergütungen im Kulturbereich sowie ein zeitgemäßes Führungsverständnis - Stichwort: Cultural Leadership.
Eine bessere Selbstdarstellung hilft da nur sehr bedingt, wenn überhaupt...«

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB