Künstlermanagement
Der Künstleragent als Multitalent
Diplomat, Sklave, Kung-Fu-Experte, Datenbankgenie und Jongleur
In meiner Ausbildungszeit, vor über 30 Jahren, da war so etwas noch nicht ein offizieller Beruf, obwohl es ihn schon immer gab, so wie die großen Agenten der Opern- und Theatergeschichte: Sol Hurok, Nelly Walter, Thea Dispeker, Anne Colbert, Herbert Breslin. Das waren Persönlichkeiten, die über ihre Künstler mit Argusaugen wachten und ihre Geschicke lenkten. Sie alle waren Agenten im klassischen Sinne und hatten mehrere Künstler in ihrem Stall.
Ein persönlicher Manager (PM) hingegen kümmert sich ausschließlich um einen Künstler, wird vom Künstler bezahlt und hat theoretisch nur eine Aufgabe sich um das geschäftliche, finanzielle und gesundheitliche/ psychische Wohl seines Künstlers zu kümmern. Theoretisch deswegen, weil im Theater ja alles ineinander greift. Ändert man ein Detail, hat das unweigerlich einen Domino-Effekt auf das Ganze; das einfachste Beispiel hierfür sind Probenplanänderungen.
Eine kurze Job-Beschreibung könnte sein: Gesucht wird ein Diplomat, Sklave, Kung-Fu-Experte, Datenbankgenie und Jongleur, muss mindestens 4 Sprachen sprechen, zu jeder Tageszeit ansprechbar sein und auch noch Freude daran haben, oft 12-18 Stunden pro Tag im Einsatz zu sein. Und etwas von Musik oder Oper sollte er/sie auch verstehen.
Erstaunlicherweise gibt es einige Menschen, die so einen Job machen, und mit Freude und Hingabe noch dazu. Immerhin ist die Kehrseite der Medaille, dass man auch die Möglichkeit bekommt, die Welt zu sehen (meist nur vom Fenster des Hotels), alle wichtigen Konzert- und Opernhäuser kennenlernt und dort eventuell Sternstunden der Musik erleben kann. Aber dieser Aspekt verblasst schnell. Bald bleibt nur die pragmatische Seite übrig: man wird Experte im Kofferpacken, Organisieren und Improvisieren. Man kann es auch so sehen, dass es eine sehr einfache Aufgabe ist: da ja der Künstler das Beste von sich zu geben bereit ist, verlangt er das Beste von seiner Umwelt, insbesondere von seinem eigenen PM.
Die so salopp genannten Eigenschaften sind lebensnotwendig:
1. Diplomat: Unweigerlich wird es mindestens einmal pro Produktion zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Künstler/ Dirigenten/ Regisseuren/ Intendanten/ Produzent/ Technischer Direktor kommen. Da hängt es oft an den Verhandlungskünsten des PM, die Wogen wieder zu glätten, eine für alle Parteien akzeptable Lösung zu finden. The show must go on. Aber die Welt der klassischen Musik und Oper ist klein, jeder kennt oftmals jeden. So ist es meiner Meinung nach wichtig, Brücken nicht abzubrechen, Türen stets offen zu halten. Für alles gibt es eine Lösung, auch wenn ich mir manchmal gesagt habe, Verhandlungen im Mittleren Osten sind einfacher als dieses. Und ja, ich wurde mit Golda Meir oder Madeleine Albright verglichen!
2. Sklave: Es versteht sich von selbst, dass ein persönliches Leben für den PM in diesem Kontext nicht stattfinden kann, es sei denn, man nimmt starke Eifersuchtsszenen und eigene Schuldgefühle in Kauf. Anderseits wird es gefährlich, wenn der/die Partner/In des Künstlers eifersüchtig wird und es Kommentare gibt wie: Ich bin ja nur fürs Wäschewaschen da oder Ich muss ja schon einen Telefontermin mit dem PM machen, um überhaupt mit Dir sprechen zu können. Da weiß ein erfahrener PM, dass es Zeit ist, einen Rückzieher zu machen, selbst mal ein bis zwei Wochen Urlaub zu machen. Spätestens nach 5 Tagen kommt dann der erste zaghafte Anruf, wie/wo/ wann/weshalb die nächste oder übernächste Produktion und überhaupt....
3. Kung-Fu-Experte oder Boxmittelgewichtsweltmeister: Generell ist damit gemeint, dass der PM seinen Künstler beschützt von Journalisten, Groupies, lästigen Agenten und sonstigen Crazies. Ab und zu kann es Morddrohungen geben (was ich nie verstanden habe, da Musik ja bekanntlich verbindet und nicht verfeindet) wie auch Selbstmorddrohungen von liebestollen Fans. Auch hier sind Diplomatenkünste gefragt, da es ja gilt, Situationen zu entschärfen, besonders wenn es sich um aufdringliche Journalisten handelt, die ja eventuell vernichtende Artikel schreiben könnten.
4. Datenbankgenie: Auch in der heutigen Zeit von DSL, UMTS, GPS und anderen Hochgeschwindigkeitstechnologien das menschliche Gehirn ist immer noch die beste Datenbank. Vor allem wenn es heisst, Querverbindungen herzustellen, Reisepläne blitzschnell umzuschmeißen, bzw. neue Reiserouten zu erdenken, wenn Termine einzuhalten sind. Und wie hieß noch mal die Frau des Intendanten? Auf welche Blumen ist die Prima Donna allergisch? Welches Thema ist unbedingt zu vermeiden, wenn wir mit dem grossen Sponsor X sprechen?
5. Jongleur: Versteht sich eigentlich von selbst, wenn man obige Anforderungen erfüllt. Darunter meine ich vor allem, ein gutes Organisationstalent und Gedächtnis zu haben, den klaren Überblick zu behalten, die Schwachstellen bzw. potenzielle Konfliktpunkte im Voraus zu erkennen, anzusprechen, neue Lösungen zu finden, umzudisponieren und vor allem, Detail orientiert zu sein. Um wieder die Analogie zum Jongleur aufzunehmen: Wenn der Jongleur sich nicht auf jedes Detail konzentriert und konsequent durchführt, dann fällt die ganze Aktion auseinander, mit oft katastrophalen Resultaten besonders wenn es rohe Eier sind, die jongliert werden. Oder in unserem Fall bei Opernproduktionen, wo ein Fehler Tausende Euro oder viele Tage Verzögerung kosten können; Gelder und Zeiten, die man im Plan nicht mehr einholen kann und die dann eben die Qualität dieser Produktion gefährden. Von den blanken Nerven aller Beteiligten ganz zu schweigen.
6. Und last but not least: Eine Liebe zum Metier an sich, zur Oper, zur klassischen Musik, zum Metier an sich setze ich mal voraus. Man muss nicht unbedingt Theaterwissenschaftler sein oder Musik studiert haben. Aber etwas (vieles!) von der Materie sollte man schon kennen und mögen es soll ja auch mal Spaß machen!
ZENAIDA DES AUBRI S ist Beraterin für internationale Kulturevents. Geboren in Argentinien, kann sie auf über 25 Jahre Erfahrungen in Management und Produktion klassischer Musik in Amerika, Europa und Asien zurückblicken. Sie war u.a. persönliche Managerin von Jean-Pierre Ponnelle (1980- 1988) und Lorin Maazel (1993-1997). Zuletzt wirkte sie am Aufbau des Grand Theatre in Hangzhou (China) und dem Palau de les Arts in Valencia mit.
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