Sommerakademie für Musikvermittlung und Musikmanagement 2008
Der Meisterkurs der anderen Art
Was das PopCamp für die Popmusiker ist, ist die Sommerakademie für Musikvermittlung und Musikmanagement der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. für die "Klassiker". Die erste ihrer Art ging am 8. Juni 2008 zu Ende. Bei diesem "Meisterkurs" der anderen Art, stand nicht wie üblich das instrumentale oder vokale Können im Vordergrund, sondern alles andere was Musiker und Ensembles brauchen, um auf dem Musikmarkt erfolgreich zu sein. An zehn Tagen lernten die Akademisten inhaltsorientierte Konzertmodelle, neue Vermittlungsmethoden und nachhaltige Kommunikationsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Um einen Platz in der Sommerakademie konnten sich Musiker und Ensembles bewerben.
Bei den beiden je fünftägigen intensiven Arbeitsphasen im Mai und Juni 2008 trafen sich die 16 zugelassenen Akademisten im Seminarzentrum Gut Siggen der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. Das Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert und das 2007 fertig gestellte neue Seminargebäude des Architektenbüro Auer+Weber+Assoziierte, liegen inmitten einer pittoresken historischen Parkanlage; in den Pausen und abends lädt der wenige Minuten entfernte Ostseestrand zum Baden ein: diese Örtlichkeiten schufen eine hervorragende Atmosphäre für die gemeinsamen Arbeit.
Auf der Suche nach dem Publikum
Gestartet hat die Sommerakademie mit einem Symposion zum Thema "Auf der Suche nach dem Publikum".
Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung und leitender Redakteur für die Zeitschrift DAS ORCHESTER, referierte zu den Themen Publikumsbindung und Audience Development. Im Mittelpunkt standen Strategien und Beispiele, wie dem Publikumsrückgang und der Publikumsüberalterung entgegnet werden kann.
Ein sehr klares Bild von den Musikhörern zeichnete Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung in Bonn. Wie viele Menschen hören Klassische Musik, Neue Musik, Jazz und Pop? Wie sieht deren Altersstruktur aus? Was erwarten sie von einem Konzertbesuch? Welche Veränderungen zeichnen sich ab?
Der Geiger des Deutschen Kammerorchester Berlin und "Macher" der Yellow Lounge, David Canisius, knüpfte an das Thema aus der Perspektive des Praktikers an. Canisius stellte das Erfolgsmodell Yellow Lounge vor, dass er gemeinsam mit Universal Classics entwickelte und erzählte von deren Publikum ein Publikum, das alle haben wollen, aber kaum ein Klassikveranstalter hat: die "Twenty Somethings", die gut ausgebildete, gut verdienende, urbane "Creative Class". Die Yellow Lounge ist eine der wenigen Klassikveranstalter, die bei jedem Konzert eine mehrere hundert Meter lange Schlange vor der Tür hat und längst nicht allen Besuchern Einlass gewähren kann.
"Wenn man die Akzeptanz der klassischen Kunstbereiche erhöhen möchte, dann ist es wichtig, bei den Künstlern selbst zu beginnen. Künstler müssen nicht nur etwas können, sie müssen auch wissen, was das ist, das sie können, dann werden sie immer individuellere Berufswege finden und zu Botschaftern für ihre Kunst in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern werden." Elmar Lampson, Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, plädierte in seinem Vortrag für eine verändertes Selbstbewusstsein der Musiker und deren Selbstverständnis als Künstler: Der Musiker als Unternehmer anstatt als Empfänger staatlicher Transferleistungen. Wie das zu verstehen ist, machte er anschaulich an seiner eigenen Biografie als Musiker, Komponist und Hochschulrektor. Abgerundet wurde das Auftaktsymposion mit einer Podiumsdiskussion zu den Stichworten der Aufführungskultur und Publikumsgewinnung, moderiert von Martin Tröndle, dem Leiter der Sommerakademie für Musikvermittlung und Musikmanagement.
Entwicklung neuer Konzertformate
Die folgenden Tage waren geprägt durch intensive Arbeitsphasen zu einzelnen Themen.
Mit einer lebendigen Einführung in die Publikumssoziologie (Wer ist "mein" Publikum? Welche Bedürfnisse hat es? Welche Erwartungen hat es an das Ereignis Konzert? etc.) des Konzertwesens startete Martin Tröndle.
Aus der Perspektive der Festivalveranstalter berichtete Markus Fein, Künstlerischer Leiter der Sommerlichen Musiktage Hitzacker und Intendant der Niedersächsischen Musiktage. Bei ihm ging es um neue Veranstaltungs- und Vermittlungsformen, die Konzeption von Konzertprogrammen aber auch ganz handfest darum, wie man bei der Akquise von Konzerten und Honorarverhandlungen gegenüber Veranstaltern vorgeht. Unterstützt wurde er aus dem Publikum durch Sebastian Nordmann, dem künstlerischen Leiter der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Auch das zeichnete diese erste Sommerakademie aus, dass das musikalische Niveau und das praktische Know-how der Akademisten die Diskussionen sehr bereicherten.
Zahlreiche Beispiele für szenische Konzerte, die über die üblichen Konzertrituale hinausgehen und das Programm, ganz oder teilweise, mit Texten, schauspielerischen Elementen, Bildern, Filmausschnitten, mit allem, was zum jeweiligen Thema, zu der erklingenden Musik passt, erweitern, gab Beatrix Borchard von der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Eine geradezu virtuose Verbindung von Musik und Text, stellte dann Hans Christian Schmidt-Banse, unter dem Motto "Concerto recitativo" von der Universität Osnabrück vor. Das "Concerto recitativo" verknüpft auf ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame Weise Musik und Sprache, stellt musikalische Bilder in den Rahmen ihrer Zeit, macht biographische Vernetzungen sichtbar und erzählt, was dem Verständnis von Musik dienlich ist. Am Abend wurde von Annette Kristina Banse und Hans Christian Schmidt-Banse zusammen mit der Pianistin Hisako Kawamura ein biografisches "Concerto recitativo" zu Frédéric Chopin im Rahmen eines öffentlichen Konzertes gegeben und begeisterte die Zuhörerinnen und Zuhörer sichtlich.
Man kann nicht nicht kommunizieren: Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
In der darauf folgenden dreiwöchigen Selbstarbeitsphase entwickelten die Akademisten eigene Programme oder arbeiteten schon bestehendes weiter aus. Diese Konzepte wurden in der zweiten Arbeitsphase unter der Leitung von Martin Tröndle diskutiert und verfeinert.
Darauf aufbauend wurden passende Marketingstrategien entwickelt: Wer genau ist für das, was ich musikalisch präsentiere, meine Zielgruppe? Wie grenze ich die möglichen Märkte ein? Welche Strategien wähle ich, um mich auf diesem Markt zu positionieren? Anschließend wurden die Maßnahmen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Akademisten und ihrer Projekte analysiert und definiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Text- und Bildanalyse, die Künstlermappe und das Internet.
Der letzte Seminarblock war dem Thema Budgetplanung und Finanzierung gewidmet. Also: Wie bekommt man für das nun erarbeitete Projekt Fördermittel? An wen kann ich mich wenden? Wie stellt man einen Antrag? Wie gehe ich bei der Kontaktaufnahme vor?
Der Blick Hinter die Kulissen
Ergänzt wurden die Seminartage mit den abendlichen Berichten aus der Praxis, die aus verschiedenen Bereichen einen Blick hinter die Kulissen des Musikbetriebs gaben. Anschaulich formuliert könnte der Titel des Referats von Thomas Schreiber, Leiter des Programmbereichs Fiktion und Unterhaltung im NDR, "Wie komme ich ins Fernsehen?", gewesen sein. Über den wirkungsvollen Einsatz von Licht und Lichtatmosphären in Konzerten, berichtete der Lichtgestalter Oliver Nehring vom Schlosstheater Rheinsberg. Burkhard Glasshof von der Konzertdirektion Schmid gab einen interessanten Einblick hinter die Kulissen des Agenturwesens und des internationalen Konzertbetriebs; Andreas Richter konkretisierte das Thema Öffentlichkeitsarbeit am Beispiel des Mahler Chamber Orchestra.
Zitate der Akademisten
Ankunft in Siggen: Phänomenal! Dieses herrschaftliche Ambiente gibt das Gefühl, dass man ein ganz besonderes Ereignis erleben wird. Die Hilfsbereitschaft des Personals ist sehr schmeichelnd: der Inhalt hält, was die Verpackung verspricht, hier werden sich interessante Menschen treffen.
Christoph Kirschke, Freiburg
Das Seminar in Siggen war ein großartiges Erlebnis mit vielen neuen Anregungen und wichtigen Erkenntnissen. Es hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen.
Daniel Koschitzki, Karlsruhe
Es war für mich ein wichtiger Schritt, mich intensiv mit den Bereichen Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring auseinanderzusetzen und meine bisherige Arbeit zu überdenken. Ich bin mit vielen neuen Ideen und Konzepten nach Hause zurückgekehrt und bin nun voller Tatendrang, diese auch umzusetzen. ... Zehn äußerst spannende Tage in wunderschöner Umgebung.
Caroline Auer, Wien
Angebote dieses Formats und dieser Qualität gibt es so gut wie gar nicht und es ist für Musiker ein großer Gewinn, dass die Alfred Toepfer Stiftung diese Akademie ins Leben gerufen hat.
Andrea Ritter, Karlsruhe
Vielen Dank für eine sehr gute Zeit. Ich habe sehr viel mitgenommen und gelernt.
Andreas Brandis, Hamburg
Andreas Brandis, Hamburg
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