09.08.2010

Autor*in

Claudia Witzemann
Kulturentwicklung in Österreich

Jede zehnte Kultureinrichtung von Schließung bedroht

A.T. Kearney stellt Studie über Zukunft von Kultureinrichtungen vor: Bis 2020 sind rund 10 Prozent der Kultureinrichtungen in Österreich von der Schließung bedroht öffentliche Zuschüsse gehen bis 2020 um etwa 8 bis 10 Prozent zurück neue Konzepte notwendig.
Der Handlungsdruck auf österreichische Kultureinrichtungen steigt: Bis zum Jahr 2020 sind rund 10 Prozent von der Schließung bedroht. Betroffen sind insbesondere kleinere Kultureinrichtungen und solche, die von Gemeinden gefördert werden. Gründe hierfür sind die Kosten, die bis 2020 um rund ein Viertel steigen werden sowie der Rückgang der öffentlichen Zuschüsse, die im selben Zeitraum um etwa 8 bis 10 Prozent sinken werden. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Top-Managementberatung A.T. Kearney hervor. Um das Bestehen zu sichern, wird es für Kultureinrichtungen essentiell, neben den kulturellen Aspekten auch die betriebswirtschaftliche Komponente stärker in den Fokus zu rücken und neue Einnahmequellen zu erschließen. Potenzial bieten hier die private Finanzierung durch Kultursponsoring sowie eine Neudefinition der Zielgruppe: Besucher sollen nicht nur als Kulturinteressierte, sondern auch als Konsumenten begriffen werden. Aber auch die stärkere Einbindung von Einzelhändlern und Gastronomen sowie das Anbieten eines eigenen Veranstaltungsservice schaffen weitreichende Möglichkeiten zur Eigenfinanzierung. Durch Kooperationen und Zusammenschlüsse können moderne Kunst- und Kulturzentren geschaffen und erhebliche Synergiepotenziale realisiert werden.

Öffentliche Mittel für Kunst und Kultur stagnieren in den letzten Jahren und werden in Österreich von 2,0 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2020 zurückgehen, sagt Dr. Claudia Witzemann, Principalin bei A.T. Kearney und Studienleiterin. Gleichzeitig ist mit einer Zunahme der Kosten zu rechnen: Wir erwarten bis 2020 einen Anstieg von rund 24 Prozent. Das bedeutet, dass bis 2020 rund 10 Prozent der Kultureinrichtungen in Österreich von der Schließung bedroht sind. Sponsoringmittel hingegen sind seit 2004 um 16 Prozent gestiegen und bieten weiter Potenzial nach oben.

Private Finanzierung und Sponsoring durch Unternehmen
 
Einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Finanzprobleme von Kulturinstitutionen leisten seit jeher die private Finanzierung sowie Sponsoringaktivitäten von Unternehmen. Einige Kultureinrichtungen wie etwa die Albertina, die Salzburger und Bregenzer Festspiele sowie die Seefestspiele in Mörbisch finanzieren sich bereits zu einem großen Teil selbst. Festspiele haben der Studie zufolge durchschnittlich einen höheren Eigenfinanzierungsanteil als Museen und Theater. Kulturhauptstädte finanzieren sich größtenteils aus öffentlichen Mitteln. Die Förderung der Kultureinrichtungen durch öffentliche Mittel variiert sehr stark: So liegt die Förderung pro Besucher bei den untersuchten österreichischen Museen etwa zwischen 9 und 52 Euro, bei Theatern zwischen 56 und 195 Euro und bei Festspielen bei bis zu 42 Euro.

Um für Firmen die Attraktivität eines Engagements im Bereich Sponsoring zu erhöhen und die Potenziale umfassend zu nutzen, ist es jedoch nötig, neue Wege zu gehen: Die kulturtreibenden Institutionen müssen attraktive Pakete schnüren, um Unternehmen bei der Markenpflege, beim Imageaufbau und Reputations-management sinnvoll zu unterstützen, sagt Witzemann: Die Orte der Kultur sollten sich als Drehscheibe zwischen der Gesellschaft, Kulturinteressierten, Unternehmen und Einzelhandelsgeschäften etablieren.

Kulturinteressierte Besucher als Konsumenten begreifen
Ein weiterer wesentlicher Hebel zur Finanzierung von Kultureinrichtungen ist eine verstärkte Ausrichtung auf den kulturinteressierten Besucher, der als Konsument mit mehrdimensionalen Bedürfnissen begriffen werden sollte. Aber auch die stärkere Einbindung von Einzelhändlern und Gastronomen sowie das Anbieten eines eigenen Veranstaltungsservice bieten enormes Potenzial zur Eigenfinanzierung. Durch eine stärkere Verankerung des Kulturkonsumenten-Bereiches können die Budgets der Institutionen um bis zu 30 Prozent erhöht werden, so Witzemann: Aber auch hier sind innovative Konzepte notwendig, um vorhandene Potentiale zu nutzen.

Durch publikumswirksame Sonderausstellungen können Museen ihre Besucherzahlen und damit auch ihre Bekanntheit deutlich steigern. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der 2008 stattgefundenen Ausstellung Van Gogh der Albertina, die zu einer Verdopplung der durchschnittlichen Besucherzahlen im Ausstellungszeitraum geführt hat.

Neue Geschäftsfelder im Bereich Einzelhandel und Gastronomie
Moderne Kulturinstitutionen bedienen sich für ihre Shops professioneller Einzelhändler, die die Umsätze pro Besucher von durchschnittlich einem bis zwei Euro auf bis zu zwölf Euro pro Besucher steigern können. Dazu gehört auch ein professioneller Online-Shop, der bei einzelnen Best Practice-Beispielen, wie dem Metropolitan Museum of Art in New York oder der Londoner Tate Modern mehrere Millionen Euro einbringen kann. Betreiber von Museumsshops etablieren sich bereits im Markt. Beispiele sind Cedon mit bereits zehn Standorten in Deutschland und Österreich oder Gerstenberger mit derzeit sieben Standorten in Deutschland.

Im Gastronomiebereich setzen Kultureinrichtungen ebenfalls vermehrt auf professionelle Dienstleister und Starköche, wie z.B. auf Do&Co in der Albertina, dem Österreicher im MAK oder Sarah Wiener im Museum für Gegenwart in Berlin. Dies erhöht nicht nur die Miet- bzw. Pachteinnahmen des Museums, sondern stärkt auch das Image und die Bekanntheit der Institutionen, was letztlich wieder zu steigenden Besucherzahlen führt.

In diesem Bereich ist die Entstehung von Kulturgastronomie-Betreibern festzustellen, wie Kaefer mit drei Standorten in Münchner Theatern oder Do&Co mit bereits drei Standorten in Wien, München und London. Das Metropolitan Museum of Art hat den The Trustees Dining Room und die The Patrons Lounge exklusiv für Mitglieder geschaffen, in der Londoner Tate Modern gibt es mit dem Members Room ebenfalls einen Raum mit Gastronomieangebot exklusiv für Mitglieder. Beide Einrichtungen erfreuen sich großer Beliebtheit und dienen zudem als Mittel einer langfristigen Kundenbindung.

Anbieten eigener Veranstaltungsservices
Im Bereich Veranstaltungen haben Kultureinrichtungen in der Vergangenheit lediglich Räumlichkeiten vermietet und so Mieteinnahmen generiert. Potenzial bieten aber insbesondere neue, innovative Konzepte, bei denen die Kulturinstitutionen selbst zum Veranstalter werden. Herausragend ist hier ebenfalls das Metropolitan Museum of Art in New York, das sowohl eine weltberühmte Gala als auch Kunstreisen veranstaltet. Positives Beispiel in Österreich ist das Belvedere, das mit der Veranstaltung Kunst & Kulinarik Besucher anzieht und mit Kindermalen die nächste Generation für Kunst begeistern will.

Kooperationen und Schaffung von Kulturzentren
Ein weiterer Baustein zum wirtschaftlichen Betrieb von Kulturinstitutionen stellt zudem der Zusammenschluss verschiedener Einzelinstitutionen dar, so Witzemann: Das gemeinsame Nutzen zentraler Einrichtungen bietet erhebliche Synergiepotenziale. Ein geschlossener Auftritt gegenüber Geschäftspartnern stärkt darüber hinaus die Verhandlungsposition. Die gemeinsame Verwaltung bietet aber auch inhaltlich Vorteile.

Ein erfolgreiches Beispiel ist das 2001 in Österreich gegründete Museumsquartier, in dem neben drei großen Museen auch eine Vielzahl kleinerer Kulturinstitutionen zusammengefasst sind. In Deutschland sind die Museumsinsel in Berlin, das Kunstareal München sowie die staatlichen Kunstsammlungen Dresden hervorzuheben. International ist etwa die derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten entstehende Kulturdestination wegweisend. So wird in Saadiyat Island mit dem Cultural District Abu Dhabi ein modernes Kunst- und Kulturzentrum entstehen, bei dem eine Reihe renommierter internationaler Museen wie das Guggenheim Abu Dhabi und der Louvre Abu Dhabi beteiligt sind.

Diese Beispiele zeigen, was im Bereich Kulturinstitutionen alles möglich ist. Anstatt an alten Gewohnheiten festzuhalten, wird die innovative Weiterentwicklung für Kulturinstitutionen überlebenswichtig sein, fasst Witzemann zusammen. Dazu wird auch eine Weiterentwicklung in der Führung von Kulturinstitutionen notwendig sein. Neben der inhaltlichen Gestaltung wird die Frage nach der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung immer wichtiger. Die Museen und Theater, aber auch Festspiele und Kulturhauptstädte müssen sich in Zukunft ähnlich wie moderne Unternehmen aufstellen, damit die Gratwanderung zwischen kulturellen und wirtschaftlichen Interessen gelingt. In vielen Bereichen hat sich die Etablierung einer Doppelspitze bewährt, die inhaltliche und kaufmännische Kompetenzen miteinander vereint.
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB