13.01.2020

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Autor*in

Sophia Karwinkel
studierte Kommunikationswissenschaften in Berlin sowie Kulturmanagement und Kulturtourismus in Frankfurt (Oder). Sie ist zertifizierte Scrum-Masterin und berät als Consultant für Organisationsentwicklung Einrichtungen im Public Sector dabei, Prozesse moderner, digitaler und letztendlich effektiver zu gestalten. 
Studie zu Arbeitsformen und -prozessen

Wie modern arbeiten deutsche Museen?

Die Debatten über neue Arbeitswelten beschränken sich bisher auf die Privatwirtschaft - Kultureinrichtungen tauchen im Diskurs selten auf. Eine Masterarbeit widmet sich nun der Frage, wie es um "Arbeit 4.0" in großen und mittelgroßen deutschen Museen steht.

Themenreihe Zukunft der Arbeit

"Arbeit 4.0" dient als Sammelbegriff für Trends und Entwicklungen, die die Arbeitswelt der Zukunft bestimmen. Digitalisierung, agiles Arbeiten und ein Wandel in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nur einige Merkmale, die in diesem Rahmen genannt werden. Die wissenschaftliche Arbeit, die im Rahmen des Masterstudiengangs Kulturmanagement und Kulturtourismus an der Europa-Universität Viadrina entstanden ist, wertete die Literatur zur innerbetrieblichen Organisation deutscher Museen aus und ergänzte diese mit Hilfe von Experteninterviews. Eine Umfrage unter Verwaltungs-, Leitungs- und Personalverantwortlichen von großen und mittelgroßen deutschen Museen lieferte außerdem Daten zum Status Quo. Insgesamt konnten Daten von 121 Einrichtungen ausgewertet werden, was rund 41 Prozent aller Museen und Ausstellungshäuser mit über 6 Mitarbeitenden in Deutschland entspricht. 
 
 
Museen spüren die Megatrends
 
Es ist unbestritten, dass der digitale Wandel die Arbeitswelt maßgeblich beeinflusst. Auch im Kulturbereich in Deutschland ist die Notwendigkeit, sich zum Beispiel in der Vermittlungsarbeit vermehrt auf digitale Mittel zu stützen, inzwischen größtenteils akzeptiert. Museen und Ausstellungshäuser bemühen sich, den veränderten Nutzungsgewohnheiten ihres Publikums gerecht zu werden - zum Beispiel durch digitale Erweiterungen ihrer Ausstellungen. 
 
Weniger Informationen gibt es jedoch zum Stand der internen Digitalisierung. Diese kann - oft in Form von Automatisierung - große Effizienzgewinne bringen. Gerade Kultureinrichtungen mit wenig personellen und finanziellen Ressourcen sollten ein Interesse daran haben, hier alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Schätzungen zufolge können jedoch nur sieben Prozent der Aufgaben in der Branche "soziale und kulturelle Dienstleistungen" zukünftig automatisiert werden (Giesen/Kersten 2018, 39f.). Dabei ist zu beachten, dass hierzu auch Pflegeberufe usw. gehören, sodass die Zahl für den Kulturbereich wohl höher liegt. Dennoch werden Angestellte im Kulturbereich wahrscheinlich nicht so schnell durch Maschinen ersetzt. Und doch sollten sich Kulturmanager fragen, welches kreative Potenzial für andere Aufgaben in der freiwerdenden Zeit steckt, sollte die Automatisierung hier kommen. 
 
Dass die Museen die Relevanz der Digitalisierung intern und extern unterschiedlich wahrnehmen, bestätigten die Ergebnisse der Umfrage. Hohe Zustimmungswerte (84%) erreichte die Aussage, die Digitalisierung verändere die Ansprüche, die Besucher an Museen hätten. Einen niedrigeren, aber dennoch deutlichen Zustimmungswert (57%) erhielt dagegen die Aussage, die Digitalisierung verändere die Ansprüche, die die Mitarbeiter an Museen als Arbeitgeber hätten. Dabei ist sich die Wissenschaft einig, dass gerade die jungen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz künftig auch danach aussuchen werden, ob sie an digitalen und zukunftsweisenden Themen arbeiten können und ob die Ausstattung ihren Ansprüchen an ihre digitalisierte Lebenswelt genügt (Bruckner/Werther 2018, 25). Man kann nur mutmaßen, dass sich Museen dessen entweder noch nicht bewusst sind - in anderen Kulturbranchen ist dies bereits deutlicher zu spüren - oder zu wenig junge und fordernde Mitarbeitende beschäftigen, um die Effekte zu spüren.
 
 
Demografischer Wandel trifft auch die Museen
 
Sicher ist jedoch, dass sie sich mit Blick auf den Megatrend des demografischen Wandels stärker mit den Wünschen potenzieller Mitarbeitender beschäftigen sollten. In nahezu allen Branchen fehlt es an geeigneten Arbeits- und Fachkräften. Ältere Mitarbeitende scheiden aus und gerade im ländlichen Raum mangelt es an jungem Ersatz. 
 
Diese Knappheit spürt auch der Museumsbereich: In der Umfrage gaben lediglich 19 Prozent der Befragten an, offene Stellen in ihren Häusern ohne Probleme neu besetzen zu können. 21 Prozent sagten, es sei oft schwierig, gute Leute zu finden. Die große Mehrheit landete bei einer gemäßigten Antwort im Mittelfeld. Die Effekte des demografischen Wandels auf Personalknappheit im Museumbereich konnten dadurch nicht ausreichend belegt werden, zumal auch keine Vergleichsdaten oder Aussagen dazu vorlagen. Erfahrungsberichte von Museumsprofessionals, die im Rahmen der Forschungsarbeit eingeholt wurden, zeichneten jedoch durchaus das Bild, dass das Angebot an gut ausgebildeten und motivierten jungen Menschen, die sich für eine Stelle im Museum interessieren, abnimmt. 
 
Dies hängt zum Teil auch damit zusammen, dass es in der Gesellschaft ein neues, individuelleres Verständnis von Arbeit gibt. Auf der einen Seite wird Arbeit "mit Sinn" gesucht, die mehr als nur Broterwerb ist. Dies spielt Kultureinrichtungen in die Karten. Auf der anderen Seite besteht aber auch ein wachsendes Selbstbewusstsein für den eigenen Wert am Arbeitsmarkt: "Ich glaube, es gibt immer noch genug Geisteswissenschaftler oder Studienabgänger, die im Museum arbeiten möchten, aber sie wollen es eben nicht mehr um jeden Preis", beschreibt eine Expertin. Führungskräfte in Kultureinrichtungen sähen die Arbeit in diesem Bereich jedoch noch zu sehr als Privileg an, so ein anderer Experte. 
 
Andere Veränderungen der Arbeitswelt aufgrund des Megatrends Individualisierung sind so allgemeingültig, dass sie auch auf den Museumsbereich zutreffen: die Individualisierung der Bedürfnisse hinsichtlich Zeit- und Ortssouveränität zum Beispiel oder die individuellen Wünsche an Karrieregestaltung und das Work-Life-Verhältnis. In Hinblick auf Individualisierung gilt, es gibt nicht "den einen Arbeitnehmer". Museen müssen sich dessen bewusst werden und ihre Personalpolitik entsprechend umsichtig gestalten. 
 
Museen lassen bisher wenig Flexibilität zu 
 
Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten trägt diesem Trend als ein Element von Arbeit 4.0 Rechnung. Die Umfrage zeigt für den Museumsbereich hier noch Nachholbedarf auf. Zwar ist in rund 85 Prozent der befragten Einrichtungen eine Gleitzeitregelung für Anwesenheit im Haus eingesetzt, Homeoffice ist jedoch nur in 4 Prozent der befragten Einrichtungen für alle Mitarbeitenden, in 14 Prozent für viele Mitarbeitenden möglich. Ähnlich schlechte Ergebnisse lieferte die Frage nach mobilem Arbeiten, zum Beispiel auf Dienstreisen. Der meistgenannte Grund für diese Tatsache überrascht mit Blick auf die Rahmenbedingungen in Museen nicht: Auf Grund fixer Öffnungszeiten und Tätigkeiten, die eine Anwesenheit von Menschen im Museum nötig machen, können nicht alle Menschen ihrer Arbeit von zu Hause nachgehen. Zweithäufigster Grund sei eine fehlende technische Ausstattung, zum Beispiel für Telearbeitsplätze. Hier verhindern knappe Ressourcen eine individuellere Gestaltung der Arbeit. 
 
 
Interessant sind auch die Ergebnisse zum Thema Auszeit. Im öffentlichen Dienst steht Mitarbeitenden die Möglichkeit eines Sabbaticals offen, sofern keine dienstlichen Belange dagegensprechen. Obwohl an der Umfrage 80 Vertretungen von öffentlich getragenen Einrichtungen teilnahmen, ist nur in 32 Fällen ein Sabbatical für alle Mitarbeitenden möglich. Das ist verständlich, da unter den Beschäftigten viele Personen sind, die nicht über einen Vertrag des öffentlichen Dienstes, sondern lediglich über z. B. Projektverträge im Museum arbeiten. Der Trend, immer kürzere Befristungen anzubieten und die Angestellten in "Projekthopping" zu zwingen, reißt in der Branche nicht ab - eine der Schattenseiten der zunehmenden Flexibilisierung. 
 
Agile Strukturen sind weiter verbreitet als vermutet
 
Unter dem Stichwort der Agilität vollzog sich vor allem in der privaten Wirtschaft in den letzten Jahren ein starker Wandel in den Arbeitsweisen. Bedingt durch Märkte, die ständigem und immer schnellerem Wandel unterzogen sind, kann man es sich heute kaum noch leisten, jahrelange Projekt- oder Produktentwicklung zu betreiben. Agiles Arbeiten und variable Produktentwicklung sind hier zum Gegenmittel geworden. Diese Umstände eines wechselhaften Marktes sind ohne Zweifel auch für Museen zutreffend. 
 
Die Verwaltungen vieler Museumsbetriebe sind an öffentliche, z. B. kommunale Verwaltungen angegliedert und funktionieren entsprechend behördlich. Sie sind bürokratisch aufgebaut und folgen einer althergebrachten Logik. Über 90 Prozent der Befragten der Umfrage stimmten der Aussage zu, ihr Haus sei hierarchisch aufgebaut. Die Ergebnisse einer anderen Frage überraschen deshalb beinahe: Rund 73 Prozent der großen und mittelgroßen Museen arbeiten die meiste Zeit über in festen Abteilungen, sie nutzen aber auch abteilungsübergreifende Teams für begrenzte Projekte. Das Modell, nur in festen Abteilungen zu arbeiten, ist in der Umfrage die am wenigsten genannte Form der Zusammenarbeit. Sehr spannend ist auch, dass 12 Prozent angaben, in ihren Einrichtungen gäbe es keine Abteilungen, sondern alle Arbeiten würden in übergreifenden Projektteams realisiert. 
 
 
Beim Thema Wissensmanagement können Museen allerdings noch besser werden. Mit Tools wie dem Intranet oder internen Blogs für die Mitarbeiterschaft ergibt sich im Rahmen von Arbeit 4.0 eine neue Kultur, in der Wissen nicht bei einzelnen bleibt oder zwischen zwei Menschen ausgetauscht, sondern offen ans ganze Haus kommuniziert wird. Eine solche Kultur des Teilens "one to many" ist in deutschen Museen dem Umfrageergebnissen zufolge nicht gängig. Auch die Gespräche mit den Experten lassen hier noch Entwicklungspotenzial vermuten. Denn es ist eher so, dass die Arbeit in Museen, zum Beispiel das Kuratieren einer Ausstellung, zwar von einem multiprofessionellen Team durchgeführt wird, dass aber Konkurrenz und Dissens statt Teamwork und Kollegialität vorherrschen. 
 
Partizipation und neues Führungsverständnis
 
Die beschriebenen internen Veränderungen hängen maßgeblich davon ab, wie die Führungskräfte in den Museen diesen gegenüberstehen. Agiles Arbeiten und eine Kultur des Wissenteilens funktionieren nur in Arbeitsumgebungen, in denen Verantwortung auf viele Menschen aufgeteilt wird. Das bedeutet für die Einrichtungsleitungen zum einen, dass Entscheidungsbefugnisse abgegeben werden müssen, und zum anderen, dass Mitarbeiter befähigt werden müssen, diese wahrnehmen zu können und zu wollen. Statt Arbeitspakete zu verteilen, sollten sich die Führungspersonen bemühen, ihren Mitarbeitern als Coaches zur Seite zu stehen. Die Umfrage lieferte zum Status Quo hier leider keine validen Ergebnisse. Zwar fallen die Antworten zum Führungsverhalten insgesamt recht positiv aus, es ist jedoch anzunehmen, dass vor allem Führungskräfte und Menschen in Leitungspositionen den Fragebögen ausfüllten. 
 
 
 
Dies ist auch für die Einordnung der Antworten zu einer ergänzenden Frage wichtig: Die Teilnehmenden sollten bewerten, wie partizipativ Entscheidungen in ihrem Hause getroffen werden. Mit Blick auf die bestehende Literatur wäre bei öffentlichen Einrichtungen eine demokratischere Grundeinstellung zu erwarten. Die Ergebnisse zeigen jedoch die Tendenz, dass die Mitarbeitenden eher weniger einbezogen werden. Doch auch hier tendieren die Aussagen stark zur Mitte.  
 
 
Personalmanagement muss sich professionalisieren 
 
Sowohl in der Ausbildung als auch in der Literatur spielte das Thema Personalmanagement bis vor kurzem noch eine untergeordnete Rolle für Kulturmanager. Die Ansprüche von (potenziellen) Angestellten und die Bedarfe der Arbeitgeber hinsichtlich der Kompetenzen ihrer Mitarbeiter haben sich jedoch gewandelt und es wird schwieriger, ihre Bedarfe zu ignorieren, wenn man gutes Personal braucht. 
 
Bereits der Einstellungsprozess bietet noch Potenzial für Verbesserungen, vor allem wenn es darum geht, Menschen mit bestimmten Fähigkeiten oder Erfahrungen anzusprechen: Wie die Umfrage zeigt, suchen nur wenig Museen über digitale berufliche Netzwerke wie Xing oder LinkedIn oder mithilfe von Personalagenturen gezielt nach passenden Bewerbern. Vielmehr verlässt man sich weiterhin auf Kanäle, die breit streuen, wie Websites oder gar Tageszeitungen. Im Hinblick auf die geringen Ressourcen, die für einen Bewerbungsprozess häufig zur Verfügung stehen, wäre eine gezieltere Ansprache jedoch gewinnbringender. 
 
Wenn es um die Personalentwicklung bereits Angestellter geht, zeichnet sich ein positiveres Bild ab: In knapp 65 Prozent der Einrichtungen sind Fortbildungen auf Kosten des Arbeitgebers für alle Mitarbeitenden möglich - ein großes Plus für die Arbeitgebermarke. Inwieweit diese jedoch strategisch geplant werden und gezielt auf die sich verändernden Aufgaben und Kompetenzbedarfe in Museen abzielen, ist unklar.
 
Arbeit 4.0 steckt im Museum noch in den Kinderschuhen
 
Die Arbeit kommt zu dem Fazit, dass sowohl die Trends, die die zukünftige Arbeit beeinflussen, als auch die Arbeitsweisen und Techniken einer Arbeit 4.0 für den Kulturbereich von Relevanz sind. In sämtlichen Bereichen gibt es auch bereits Bestrebungen, modernes Arbeiten anzugehen. Allerdings befindet man sich fast überall noch am Anfang. Ein Vergleich zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Einrichtungen war bei der Auswertung der Ergebnisse überraschend: Die öffentlichen Einrichtungen sind im Durchschnitt schon weiter, was die Implementierung von Arbeit 4.0 angeht. Anders als das gängige Klischee scheint die Anbindung an Behörden und öffentliche Träger hier eher ermöglichend als bremsend zu wirken. 
 
Die vollständige, leicht überarbeitete Studie können Sie hier herunterladen.
 
Literatur
 
  • Bruckner, L. & Werther, S. (2018). Arbeit 4. 0 Aktiv Gestalten. Die Zukunft der Arbeit Zwischen Agilität, People Analytics und Digitalisierung. Berlin, Heidelberg: Springer.
  • Giesen, R. & Kersten, J. (2018). Arbeit 4.0. Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht in der digitalen Welt. München: C.H.Beck.

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