03.08.2006

Autor*in

Sabine Peternell
Kultur- und Kreativwirtschaft

PRO Creative Industries: Chancen und Herausforderungen im Boom der Kreativwirtschaft

Kreativwirtschaft, Kulturwirtschaft, Kulturindustrie oder wie immer man den kulturellen Wirtschaftsbereich bezeichnet, ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blickwinkel öffentlichen Interesses gerückt. Die Kreativwirtschaft wurde zu einem attraktiven Schlagwort für Vieles und in den unterschiedlichsten Zusammenhängen sowie auch zu einem vermeintlich attraktiven Forschungsfeld für diverse Fachgebiete. Und das obwohl es keine einheitliche Definition und Abgrenzung gibt und in den vorhandenen Studien teilweise Äpfel mit Birnen verglichen werden. Zusammenfassend kann man jedoch festhalten, dass alle Definitionen unter den zitierten Termini kreative Tätigkeiten subsumieren, die zumindest mittelfristig wirtschaftlichen Erfolg haben. Bereiche wie Musikwirtschaft/Phonomarkt, Buch-, Literatur- und Pressemarkt, Kunst- und Designmarkt, Film-, Rundfunk- und TV-Markt, darstellende Kunst und Unterhaltungskunst stellen meist die Kernbereiche.
Ausgangspunkt des Kreativwirtschaftsbooms war die Tatsache, dass dieser Bereich der einzige Sektor ist, dem neben dem Bereich der "Live Sciences" (Biotechnologie, Gentechnik, Pharmazie und Bioinformatik) EU-weit noch Wirtschaftswachstum und Beschäftigungspotenzial zugesprochen wurde und wird. Infolge des prognostizierten Wachstums und der damit einhergehenden positiven Effekte schießen Berichte über die Entwicklung dieses zukunftsträchtigen Sektors wie Pilze aus dem Boden. Im Brennpunkt der Betrachtungen steht jedoch primär die ökonomische Bedeutung, das Arbeitsplatzpotenzial und jüngst auch vermehrt die Bedeutung der Kreativwirtschaft als Standortfaktor im globalen Wettkampf der Städte. Bei näherer Betrachtung aktueller Daten und hört man den wahren ExpertInnen in der Analyse des Sektors genau zu, erfährt man, dass auch die ökonomischen Kennzahlen in der Kreativwirtschaft in den meisten Bereichen seit 2000 stagnieren.

Darüber hinaus werden in den meisten Studien die Rahmenbedingungen zu wenig beleuchtet. Dass es sich um einen ungesicherten Bereich mit prekären Arbeitsverhältnissen handelt und nicht wie oftmals dargestellt nur um boomende Wirtschaftszweige mit glücklichen Selbständigen, die tagein tagaus ohne soziale Absicherung kreativ ihre 80 Stundenwoche absolvieren, wird leider meist vernachlässigt. Einem Faktum, dass durch quantitative Analysen alleine nicht Rechnung getragen werden kann.

Auch die ausgeprägte kulturelle Bedeutung der "kreativen Industrien" tritt leider oftmals in den Hintergrund. Wenn man aber davon ausgeht, dass der Motor der Kreativwirtschaft die unzähligen Künstlerinnen und Künstler, also die Kreativen sind, wäre es vielleicht an der Zeit, die künstlerische Leistung und nicht den ökonomischen Nutzen in das Zentrum der Betrachtungen zu rücken.

"Kulturpolitik als Verpflichtung für das demokratische Gemeinwesen", wie es auch im Tätigkeitsbericht der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland formuliert wurde, und dass die Verantwortung der Kulturpolitik für diesen Bereich hervorheben soll, ist ein weiterer Punkt, der im Zusammenhang mit dem Kreativwirtschaftsboom abgearbeitet werden müsste. Als Schlagworte seien hier nur kulturelle Bildung und ästhetische Sensibilisierung, identitätsfördernder und integrativer Aspekt von Kultur, Kulturvermittlung als Basis einer Gesellschaftsentwicklung, Kulturpolitik als Hilfestellung zur Befreiung von ökonomischen und politischem Druck, etc. genannt.

Wir befinden uns in einer Zeit, die von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Strukturwandel geprägt ist. Produkte, Märkte, Verhaltensmuster und Lebensmodelle sind in Änderung begriffen: Verschiebungen von Beschäftigungen im öffentlichen Bereich in den privaten, allgemeiner Trend zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen, u.ä. stellen den Alltag. Auch wenn oder gerade weil die in der Kreativwirtschaft Tätigen, wie es Richard Florida in seinem Bestseller "The Rise of the Creative Class" formuliert, die Gesellschaftsklasse des 21. Jahrhunderts darstellen, werden wir nicht umherkommen, uns auch intensiv mit den Schwierigkeiten und Problemen der Kreativwirtschaft zu beschäftigen, damit diese auch tatsächlich gesellschaftlich und wirtschaftlich zur Chance werden kann.

Sabine Peternell ist für die Forschungskoordination Cultural Industries an der Universität für Angewandte Kunst Wien tätig.
 

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