Zukunft für Kulturmanagement-Absolventen
Traumjob Kulturmanager? Ein Pamphlet
Herbst 2005, Universität Wien, Audimax. Wer in den Hauptvorlesungen des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaften einen Sitzplatz möchte, sollte früh aufstehen. Vor allem früher als die zahllosen Kommilitonen. Schauplatzwechsel. Ein Kulturbetrieb, der eine Produktionsassistenz ausschreibt, erhält schnell an die hundert Gesuche. Die meisten Bewerber erscheinen auf den ersten Eindruck ungeeignet. Niemand verlangt, dass Berufseinsteiger alles können müssen. Im Gegenteil, kaum eine Branche scheint so offen für Quereinsteiger.
Berliner, Wiener und Münchner Choreografen suchen händeringend nach guten Company Managern. Erfolgreiche Künstler sind die neuen Arbeitgeber. Wieso herrscht Diskrepanz zwischen den Studentenmassen und dem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs?
In den letzten Jahren schossen Studiengänge für Kulturmanagement oder Kulturwissenschaften wie Pilze aus dem Boden. Einstiegsjobs sollten für die Absolventen verhältnismäßig einfach zu haben sein? Zukunftsbranche Kulturbereich? Die Lage am Arbeitsmarkt im Kulturbereich war die längste Zeit prekär und ist es noch, gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession.
Wie allgemein üblich, werden die Stellen an Personen vergeben, deren Arbeitsweise bekannt ist. Eine Hospitanz kann Türen öffnen. Doch nicht alle Jobsuchenden kommen über ein Praktikum an die gewünschte Stelle. Manches Museum wird mit Blindbewerbungen überschwemmt: exzellent ausgebildet, beste Referenzen, einschlägige Erfahrungen. Eine der Realitäten am Arbeitsmarkt für Kulturmanager.
Produzieren die vielen neuen Studiengänge für Kulturmanagement ein Übermaß an Absolventen, die auf einen übersättigten Markt treffen? Für die "Generation Praktikum" gibt es längst keine Garantie mehr, später übernommen zu werden. Und nach wie vor werden die meisten Praktikanten im deutschsprachigen Raum nicht bezahlt.
Hier besteht ein großer Unterschied zwischen dem Kulturbereich und anderen Branchen. Von Anbeginn der beruflichen Karriere soll sich das Gefühl einstellen, man müsse dankbar sein, an genau dieser Institution arbeiten zu dürfen. Welchen Wert messen die Kulturmanager ihrer eigenen Arbeit bei?
Arbeitnehmer im Kulturbereich sind hoch motiviert. Dies birgt die Gefahr der Ausbeutung. Hoch qualifizierte Kulturmanager akzeptieren Gehaltsstufen, die weit unter den üblichen Gehältern für Akademiker liegen. Es werden All-Inclusive-Verträge unterschrieben, die sämtliche Überstunden inkludieren. Dass diese Verträge nicht rechtens sind, ist bekannt - doch wer würde wagen, vor das Arbeitsgericht zu ziehen?
Fortbildungen sind im Kulturbereich oft ein Fremdwort. Arbeitgeber, die sich wiederum von Kulturreferaten die Gehälter ihrer Mitarbeiter diktieren lassen müssen, mit dem Hinweis, das Niveau sei zu hoch.
Längst sind die Kulturbetriebe keine Garagen mehr. Der Kulturbereich und seine Institutionen leisten professionelle Arbeit. Der Umkehrschluss "Wir werden alles anders machen, wenn wir erst selbst die Zügel in der Hand halten", würde den jetzigen Direktoren voreilig Führungsschwäche attestieren. Sie haben die beschriebenen Verhältnisse am eigenen Leib erfahren. Weshalb ändert sich also nichts an Mitarbeiterflow, Gehältern und Überstunden?
Viele Kulturmanager verlassen im Alter von Ende 30 den Kulturbereich oder wechseln von der vordersten Front in kulturnahe Bereiche, die sie noch mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Für Frauen mit Kinderwunsch ist der Alltag in einem Kulturbetrieb schwer mit Familie vereinbar. Erstaunlich: Die Solidarität unter Frauen scheint hier ein Fremdwort. Wer bis Mitte 40 den Direktorenposten erklimmen konnte, hat auf der Karriereleiter vielleicht den Partner verloren oder mag sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, was jedem/r frei steht.
Unstete Arbeitszeiten, abendliche Premieren und Vernissagen, Reisen zu Messen oder Festivals sowie jobbedingte nomadische Ortswechsel führen dazu, dass das private Umfeld fast nur Personen einschließt, die im Kulturbereich arbeiten. Niemand wird gezwungen, ein abgedrehtes Leben zu führen, das letztlich viel Genuss bietet. Doch wer das Leben kritisch reflektiert, sollte daran partizipieren und den Blick auf den Rest der Gesellschaft nicht verlieren?
Was hält uns im Kulturbereich? Die Zusammenarbeit mit Künstlern, das Anregen kritischer Diskurse und vor allem: Leidenschaft für Kunst und Kultur.
Zurück zur Ausbildung: Die fortschreitende Professionalisierung der Kulturbetriebe ist eine Folge der neuen Studiengänge. Aber für welche Inhalte werden Kulturmanager in Zukunft auf die Barrikaden gehen, wenn sich der Schwerpunkt stärker in Richtung Management als in Richtung Kultur verschiebt? Risikobereitschaft ist angesagt. Kulturmanagement eignet sich vor allem als Aufbaustudiengang, als Master. Wer im Kulturbereich eine Karriere anstrebt, sollte ein exzellentes geisteswissenschaftliches Wissen mitbringen. So manchen Absolventen mögen dann viele Wege offen stehen. Voller Herzblut. Also doch ein Traumjob.
Als Produktionsleitung am Tanzquartier Wien verantwortete Claudia Stemberger seit dem Jahr 2003 zusammen mit der künstlerischen Intendanz die Programmation und leitete das künstlerische Betriebsbüro. Für das Tanzquartier Wien arbeitet sie inzwischen als Performance Scout.
In den letzten Jahren schossen Studiengänge für Kulturmanagement oder Kulturwissenschaften wie Pilze aus dem Boden. Einstiegsjobs sollten für die Absolventen verhältnismäßig einfach zu haben sein? Zukunftsbranche Kulturbereich? Die Lage am Arbeitsmarkt im Kulturbereich war die längste Zeit prekär und ist es noch, gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession.
Wie allgemein üblich, werden die Stellen an Personen vergeben, deren Arbeitsweise bekannt ist. Eine Hospitanz kann Türen öffnen. Doch nicht alle Jobsuchenden kommen über ein Praktikum an die gewünschte Stelle. Manches Museum wird mit Blindbewerbungen überschwemmt: exzellent ausgebildet, beste Referenzen, einschlägige Erfahrungen. Eine der Realitäten am Arbeitsmarkt für Kulturmanager.
Produzieren die vielen neuen Studiengänge für Kulturmanagement ein Übermaß an Absolventen, die auf einen übersättigten Markt treffen? Für die "Generation Praktikum" gibt es längst keine Garantie mehr, später übernommen zu werden. Und nach wie vor werden die meisten Praktikanten im deutschsprachigen Raum nicht bezahlt.
Hier besteht ein großer Unterschied zwischen dem Kulturbereich und anderen Branchen. Von Anbeginn der beruflichen Karriere soll sich das Gefühl einstellen, man müsse dankbar sein, an genau dieser Institution arbeiten zu dürfen. Welchen Wert messen die Kulturmanager ihrer eigenen Arbeit bei?
Arbeitnehmer im Kulturbereich sind hoch motiviert. Dies birgt die Gefahr der Ausbeutung. Hoch qualifizierte Kulturmanager akzeptieren Gehaltsstufen, die weit unter den üblichen Gehältern für Akademiker liegen. Es werden All-Inclusive-Verträge unterschrieben, die sämtliche Überstunden inkludieren. Dass diese Verträge nicht rechtens sind, ist bekannt - doch wer würde wagen, vor das Arbeitsgericht zu ziehen?
Fortbildungen sind im Kulturbereich oft ein Fremdwort. Arbeitgeber, die sich wiederum von Kulturreferaten die Gehälter ihrer Mitarbeiter diktieren lassen müssen, mit dem Hinweis, das Niveau sei zu hoch.
Längst sind die Kulturbetriebe keine Garagen mehr. Der Kulturbereich und seine Institutionen leisten professionelle Arbeit. Der Umkehrschluss "Wir werden alles anders machen, wenn wir erst selbst die Zügel in der Hand halten", würde den jetzigen Direktoren voreilig Führungsschwäche attestieren. Sie haben die beschriebenen Verhältnisse am eigenen Leib erfahren. Weshalb ändert sich also nichts an Mitarbeiterflow, Gehältern und Überstunden?
Viele Kulturmanager verlassen im Alter von Ende 30 den Kulturbereich oder wechseln von der vordersten Front in kulturnahe Bereiche, die sie noch mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Für Frauen mit Kinderwunsch ist der Alltag in einem Kulturbetrieb schwer mit Familie vereinbar. Erstaunlich: Die Solidarität unter Frauen scheint hier ein Fremdwort. Wer bis Mitte 40 den Direktorenposten erklimmen konnte, hat auf der Karriereleiter vielleicht den Partner verloren oder mag sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, was jedem/r frei steht.
Unstete Arbeitszeiten, abendliche Premieren und Vernissagen, Reisen zu Messen oder Festivals sowie jobbedingte nomadische Ortswechsel führen dazu, dass das private Umfeld fast nur Personen einschließt, die im Kulturbereich arbeiten. Niemand wird gezwungen, ein abgedrehtes Leben zu führen, das letztlich viel Genuss bietet. Doch wer das Leben kritisch reflektiert, sollte daran partizipieren und den Blick auf den Rest der Gesellschaft nicht verlieren?
Was hält uns im Kulturbereich? Die Zusammenarbeit mit Künstlern, das Anregen kritischer Diskurse und vor allem: Leidenschaft für Kunst und Kultur.
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