Musikhochschule Stuttgart
Aus dem kulturellen Leben der Stadt und Region nicht mehr wegzudenken
Interview mit Prof. Werner Heinrichs, Rektor der Staatlichen Musikhochschule Stuttgart
KM: Herr Professor Heinrichs, Sie leiten seit nunmehr einigen Jahren die Musikhochschule Stuttgart. Wo steht diese Institution heute, worauf können Sie stolz sein?
Prof. Werner Heinrichs: Ich denke, dass die Musikhochschule sehr gut aufgestellt ist. Zum einen verfügt die Hochschule über mehrere Alleinstellungsmerkmale wie die weltweit einzigartige Sammlung von elf Orgeln und das in Deutschland einmalige Wilhelma-Theater, das mit einer eigenen Intendanz und einem ganzjährigen Spielplan originärer Teil der Hochschule ist. Auf der anderen Seite haben wir aber seit meinem Dienstantritt im Jahr 2002 auch wichtige Reformen durchgeführt. So ist es uns beispielsweise gelungen, die Öffentlichkeitsarbeit und das gesamte Hochschulmarketing auf eine professionelle Ebene zu heben. Das hat sich gleich sehr deutlich in einem starken Anstieg der Bewerberzahlen manifestiert und auch in einer deutlichen Aufwertung der öffentlichen Resonanz, die wir hier in der Stadt und in der Region erfahren. Zum zweiten haben wir durch die Einführung von Fakultäten und Instituten die Strukturen innerhalb der Hochschule verbessert. Zum dritten haben wir jetzt umgestellt auf Bachelor/Master-Abschlüsse und sind damit auf dem neuesten und aktuellsten Stand. Ich denke, die Hochschule kann sich mit ihren Alleinstellungsmerkmalen und diesen Reformen auch im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen.
KM: Ist diese Umstellung jetzt abgeschlossen oder gibt es noch Studiengänge, die sich den alten Abschlüssen zurechnen lassen?
WH: Wer bereits immatrikuliert ist, kann immer noch einen der klassischen Abschlüsse erhalten wer sich in diesem Jahr neu immatrikuliert, wird bereits mit dem Bachelor oder Master abschließen.
KM: Inwieweit versteht sich Ihre Hochschule als Teil des Stuttgarter Kulturlebens und womit setzen Sie dort eigene Akzente?
WH: Die Musikhochschule Stuttgart liegt ja mitten in der Stadt, direkt an der so genannten Stuttgarter Kulturmeile, gegenüber der Staatsoper und neben der Staatsgalerie. Vom Bahnhof sind es fünf Minuten bis zu uns, von der Fußgängerzone ebenfalls. Natürlich haben wir bei dieser besonderen Lage auch eine besondere Verpflichtung, das, was wir hier in diesem Hause tun, auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wir verfügen über drei Konzertsäle und das Wilhelma-Theater, und in diesen vier Räumen bieten wir der Bevölkerung im Jahr insgesamt etwa 400 Theater- und Konzertveranstaltungen an. Wir hatten im vergangenen Jahr 72.000 Besucher, also eine enorme Zahl, die sehr deutlich zeigt, dass wir eben nicht nur eine Bildungsinstitution sind, sondern auch eine Kulturinstitution, die aus dem kulturellen Leben der Stadt und der Region nicht mehr wegzudenken ist.
KM: Gibt es bei so vielen Veranstaltungen auch einen Konkurrenzkampf im eigenen Haus?
WH: Natürlich ist das nicht ganz einfach, dazu bedarf es eines professionellen Managements. Aber Kultur zu organisieren und sie der Öffentlichkeit zu vermitteln, das habe ich ja gelernt und selbst jahrelang gelehrt und ich denke, dass wir das hier recht professionell machen.
KM: Was macht für Sie eigentlich die Kulturregion Stuttgart so reizvoll, wie sehr nutzen Sie sie auch selbst?
WH: Das Interessante an der Kulturregion Stuttgart ist, dass sie eben nicht nur aus der Stadt besteht, sondern aus einem Ballungsraum mit insgesamt 175 Gemeinden, die fast alle ein eigenes Kulturangebot haben. Wir haben hier ein Einzugsgebiet von etwa 2,5 Millionen Einwohnern und damit natürlich ein außerordentlich lebendiges Kulturleben. Daher ist es auch sehr gut möglich, hier interessante Angebote zu platzieren, für die man auch leicht interessante Partner findet. Hinzu kommt, dass wir im Spitzenbereich, der uns als Art Elitehochschule besonders interessiert, ein phantastisches Angebot haben. Ich sagte es schon, direkt gegenüber haben wir die Staatsoper, die sechsmal Oper des Jahres wurde und das Staatsschauspiel gleich nebenan, das vor zwei Jahren Schauspielhaus des Jahres war. Wir haben vier professionelle Orchester, wovon das Radiosinfonieorchester Stuttgart mit Sir Roger Norrington vielleicht das bekannteste ist. Dies alles sind Institutionen, die für unsere Studentinnen und Studenten Maßstäbe setzen, die gleichzeitig aber auch interessante Partner für uns sind. So werden wir jetzt zum Beispiel mit dem Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR eine Orchesterakademie nach dem Vorbild der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker einrichten und diese Orchesterakademie wird wiederum von Stiftungen finanziert, die es hier in der Region in großer Zahl gibt. Eine wunderbare Kombination, wie ich finde.
KM: Hat sich in der Bevölkerung bereits ein Bewusstsein entwickelt, Stuttgart auch als Kultur- und nicht nur als Industriestandort wahrzunehmen?
WH: Da muss man zunächst einmal unterscheiden, wie der Raum Stuttgart und das Land Baden-Württemberg sich selbst sehen und wie sie von außen gesehen werden. Die Mentalität der Menschen hier ist sehr stark auf eine gewisse Binnensicht ausgerichtet. Man ist nicht so sehr daran interessiert, in Hamburg, Berlin oder Wien große Beachtung zu finden, sondern es ist wichtig, dass man selbst mit dem, was man macht, zufrieden ist. Da aber wiederum hat man sehr hohe Ansprüche, und sehr viele Menschen hier sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können. Es gibt hier im Großraum Stuttgart wirklich eine erstaunlich hohe Anzahl an privaten Stiftungen, und diese dienen in großem Umfang auch der Kulturförderung. Das heißt, große Teile der Bevölkerung, die sich nicht selbst aktiv an der Kultur beteiligen, sind gerne bereit, sie finanziell zu unterstützen. Und dies ist meines Erachtens auch ein Grund, warum die Kultur in der Stadt und im Großraum Stuttgart ganz hervorragend funktioniert. Ich bin ja selbst nicht aus Stuttgart und habe im Lauf meines Berufslebens einige andere Landesteile Deutschlands kennen gelernt aber ich muss sagen, eine so pulsierende Kultur wie sie Stuttgart bietet, habe ich nirgendwo sonst vorgefunden, auch wenn das von außen vielleicht so gar nicht wahrgenommen wird.
KM: Sie haben selbst viel zum Kulturmanagement publiziert, und da fiel 1993 Ihr Satz auf, ein Kulturmanager solle Kunst ermöglichen, aber selbst am kunstlerischen Prozess nicht beteiligt sein. Sehen Sie das noch heute so?
WH: Ich bin ja nach wie vor selbst ein Beispiel dafür als Germanist und promovierter Skandinavist bin ich Rektor einer Musik- und Theaterhochschule, und es ist mein Credo, dass ich mich in künstlerische Fragen nicht einmische, sondern lediglich Rahmenbedingungen schaffe, damit die Künstler und Pädagogen, die hier am Hause tätig sind, ihre Arbeit so gut wie nur eben möglich machen können. Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. sich auf sie zu konzentrieren, gleichzeitig aber die Ziele von Kunst und Kultur im Auge zu haben, ist das Entscheidende für den Kulturmanager, wie ich denke. Als ich diesen Satz damals schrieb, geschah das auch vor dem Hintergrund, dass sehr viele Künstler das aufkommende Kulturmanagement als eine Möglichkeit der Selbstvermarktung verstanden und der Meinung waren, wenn sie bei uns in Ludwigsburg, Hamburg, Potsdam oder Hagen ein Seminar besuchen, dann könnten sie ihre Bilder besser verkaufen, sich besser auf dem Musikmarkt behaupten usw. Aber unsere Idee ging darüber hinaus, unser Ansatz bestand darin, dass es eines managerialen, nicht-künstlerischen Vermittlers bedarf, der zwischen der Kunst auf der einen und dem Publikum auf der anderen Seite tätig wird. Dieser Meinung bin ich nach wie vor.
KM: Sie haben vor zwei Jahren ein neues Buch mit dem Titel "Der Kulturbetrieb" vorgelegt. Ist es eher eine positive oder eine negative Einschätzung des Kulturbetriebes Deutschland wo hakt es, worauf können wir stolz sein?
WH: Stolz sein dürfen wir das ist mir beim Schreiben dieses Buches bewusst geworden auf die unglaubliche Vielfalt, die wir im Kulturbetrieb Deutschland haben. Ich denke, etwas Vergleichbares wird man im Ausland kaum finden. Was mir Sorgen bereitet ist, dass dieser Kulturbetrieb in seiner Vielfalt auch eine gewisse Starre entwickelt hat. Es gibt in vielen Kulturbetrieben eine gewisse Beamtenmentalität, wenn ich das einmal mit einem bewusst negativen Touch so sagen darf. Das heißt, man hält an dem fest, was man hat und lässt niemanden sonst heran. Mich beschäftigt die Frage: Wie kann es uns gelingen, den Kulturbetrieb immer wieder mit innovativen Elementen zu beleben? Wie können wir das Neue schaffen, und wie können wir uns mit einigem Anstand von dem verabschieden, was vielleicht vor zwanzig Jahren einmal aktuell war und was wir heute nicht mehr brauchen? Da haben wir noch kein richtiges System, keine richtige Methode. Es mangelt uns gleichsam an einer "Kultur des Beendens" und an der richtigen Balance zwischen Kontinuität und Innovation. Diese zu finden, bedeutet für den Kulturbetrieb die ganz große Herausforderung der nächsten Jahre.
KM: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Heinrichs.
Prof. Werner Heinrichs: Ich denke, dass die Musikhochschule sehr gut aufgestellt ist. Zum einen verfügt die Hochschule über mehrere Alleinstellungsmerkmale wie die weltweit einzigartige Sammlung von elf Orgeln und das in Deutschland einmalige Wilhelma-Theater, das mit einer eigenen Intendanz und einem ganzjährigen Spielplan originärer Teil der Hochschule ist. Auf der anderen Seite haben wir aber seit meinem Dienstantritt im Jahr 2002 auch wichtige Reformen durchgeführt. So ist es uns beispielsweise gelungen, die Öffentlichkeitsarbeit und das gesamte Hochschulmarketing auf eine professionelle Ebene zu heben. Das hat sich gleich sehr deutlich in einem starken Anstieg der Bewerberzahlen manifestiert und auch in einer deutlichen Aufwertung der öffentlichen Resonanz, die wir hier in der Stadt und in der Region erfahren. Zum zweiten haben wir durch die Einführung von Fakultäten und Instituten die Strukturen innerhalb der Hochschule verbessert. Zum dritten haben wir jetzt umgestellt auf Bachelor/Master-Abschlüsse und sind damit auf dem neuesten und aktuellsten Stand. Ich denke, die Hochschule kann sich mit ihren Alleinstellungsmerkmalen und diesen Reformen auch im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen.
KM: Ist diese Umstellung jetzt abgeschlossen oder gibt es noch Studiengänge, die sich den alten Abschlüssen zurechnen lassen?
WH: Wer bereits immatrikuliert ist, kann immer noch einen der klassischen Abschlüsse erhalten wer sich in diesem Jahr neu immatrikuliert, wird bereits mit dem Bachelor oder Master abschließen.
KM: Inwieweit versteht sich Ihre Hochschule als Teil des Stuttgarter Kulturlebens und womit setzen Sie dort eigene Akzente?
WH: Die Musikhochschule Stuttgart liegt ja mitten in der Stadt, direkt an der so genannten Stuttgarter Kulturmeile, gegenüber der Staatsoper und neben der Staatsgalerie. Vom Bahnhof sind es fünf Minuten bis zu uns, von der Fußgängerzone ebenfalls. Natürlich haben wir bei dieser besonderen Lage auch eine besondere Verpflichtung, das, was wir hier in diesem Hause tun, auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wir verfügen über drei Konzertsäle und das Wilhelma-Theater, und in diesen vier Räumen bieten wir der Bevölkerung im Jahr insgesamt etwa 400 Theater- und Konzertveranstaltungen an. Wir hatten im vergangenen Jahr 72.000 Besucher, also eine enorme Zahl, die sehr deutlich zeigt, dass wir eben nicht nur eine Bildungsinstitution sind, sondern auch eine Kulturinstitution, die aus dem kulturellen Leben der Stadt und der Region nicht mehr wegzudenken ist.
KM: Gibt es bei so vielen Veranstaltungen auch einen Konkurrenzkampf im eigenen Haus?
WH: Natürlich ist das nicht ganz einfach, dazu bedarf es eines professionellen Managements. Aber Kultur zu organisieren und sie der Öffentlichkeit zu vermitteln, das habe ich ja gelernt und selbst jahrelang gelehrt und ich denke, dass wir das hier recht professionell machen.
KM: Was macht für Sie eigentlich die Kulturregion Stuttgart so reizvoll, wie sehr nutzen Sie sie auch selbst?
WH: Das Interessante an der Kulturregion Stuttgart ist, dass sie eben nicht nur aus der Stadt besteht, sondern aus einem Ballungsraum mit insgesamt 175 Gemeinden, die fast alle ein eigenes Kulturangebot haben. Wir haben hier ein Einzugsgebiet von etwa 2,5 Millionen Einwohnern und damit natürlich ein außerordentlich lebendiges Kulturleben. Daher ist es auch sehr gut möglich, hier interessante Angebote zu platzieren, für die man auch leicht interessante Partner findet. Hinzu kommt, dass wir im Spitzenbereich, der uns als Art Elitehochschule besonders interessiert, ein phantastisches Angebot haben. Ich sagte es schon, direkt gegenüber haben wir die Staatsoper, die sechsmal Oper des Jahres wurde und das Staatsschauspiel gleich nebenan, das vor zwei Jahren Schauspielhaus des Jahres war. Wir haben vier professionelle Orchester, wovon das Radiosinfonieorchester Stuttgart mit Sir Roger Norrington vielleicht das bekannteste ist. Dies alles sind Institutionen, die für unsere Studentinnen und Studenten Maßstäbe setzen, die gleichzeitig aber auch interessante Partner für uns sind. So werden wir jetzt zum Beispiel mit dem Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR eine Orchesterakademie nach dem Vorbild der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker einrichten und diese Orchesterakademie wird wiederum von Stiftungen finanziert, die es hier in der Region in großer Zahl gibt. Eine wunderbare Kombination, wie ich finde.
KM: Hat sich in der Bevölkerung bereits ein Bewusstsein entwickelt, Stuttgart auch als Kultur- und nicht nur als Industriestandort wahrzunehmen?
WH: Da muss man zunächst einmal unterscheiden, wie der Raum Stuttgart und das Land Baden-Württemberg sich selbst sehen und wie sie von außen gesehen werden. Die Mentalität der Menschen hier ist sehr stark auf eine gewisse Binnensicht ausgerichtet. Man ist nicht so sehr daran interessiert, in Hamburg, Berlin oder Wien große Beachtung zu finden, sondern es ist wichtig, dass man selbst mit dem, was man macht, zufrieden ist. Da aber wiederum hat man sehr hohe Ansprüche, und sehr viele Menschen hier sind bereit, ihren Beitrag zu leisten, um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können. Es gibt hier im Großraum Stuttgart wirklich eine erstaunlich hohe Anzahl an privaten Stiftungen, und diese dienen in großem Umfang auch der Kulturförderung. Das heißt, große Teile der Bevölkerung, die sich nicht selbst aktiv an der Kultur beteiligen, sind gerne bereit, sie finanziell zu unterstützen. Und dies ist meines Erachtens auch ein Grund, warum die Kultur in der Stadt und im Großraum Stuttgart ganz hervorragend funktioniert. Ich bin ja selbst nicht aus Stuttgart und habe im Lauf meines Berufslebens einige andere Landesteile Deutschlands kennen gelernt aber ich muss sagen, eine so pulsierende Kultur wie sie Stuttgart bietet, habe ich nirgendwo sonst vorgefunden, auch wenn das von außen vielleicht so gar nicht wahrgenommen wird.
KM: Sie haben selbst viel zum Kulturmanagement publiziert, und da fiel 1993 Ihr Satz auf, ein Kulturmanager solle Kunst ermöglichen, aber selbst am kunstlerischen Prozess nicht beteiligt sein. Sehen Sie das noch heute so?
WH: Ich bin ja nach wie vor selbst ein Beispiel dafür als Germanist und promovierter Skandinavist bin ich Rektor einer Musik- und Theaterhochschule, und es ist mein Credo, dass ich mich in künstlerische Fragen nicht einmische, sondern lediglich Rahmenbedingungen schaffe, damit die Künstler und Pädagogen, die hier am Hause tätig sind, ihre Arbeit so gut wie nur eben möglich machen können. Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. sich auf sie zu konzentrieren, gleichzeitig aber die Ziele von Kunst und Kultur im Auge zu haben, ist das Entscheidende für den Kulturmanager, wie ich denke. Als ich diesen Satz damals schrieb, geschah das auch vor dem Hintergrund, dass sehr viele Künstler das aufkommende Kulturmanagement als eine Möglichkeit der Selbstvermarktung verstanden und der Meinung waren, wenn sie bei uns in Ludwigsburg, Hamburg, Potsdam oder Hagen ein Seminar besuchen, dann könnten sie ihre Bilder besser verkaufen, sich besser auf dem Musikmarkt behaupten usw. Aber unsere Idee ging darüber hinaus, unser Ansatz bestand darin, dass es eines managerialen, nicht-künstlerischen Vermittlers bedarf, der zwischen der Kunst auf der einen und dem Publikum auf der anderen Seite tätig wird. Dieser Meinung bin ich nach wie vor.
KM: Sie haben vor zwei Jahren ein neues Buch mit dem Titel "Der Kulturbetrieb" vorgelegt. Ist es eher eine positive oder eine negative Einschätzung des Kulturbetriebes Deutschland wo hakt es, worauf können wir stolz sein?
WH: Stolz sein dürfen wir das ist mir beim Schreiben dieses Buches bewusst geworden auf die unglaubliche Vielfalt, die wir im Kulturbetrieb Deutschland haben. Ich denke, etwas Vergleichbares wird man im Ausland kaum finden. Was mir Sorgen bereitet ist, dass dieser Kulturbetrieb in seiner Vielfalt auch eine gewisse Starre entwickelt hat. Es gibt in vielen Kulturbetrieben eine gewisse Beamtenmentalität, wenn ich das einmal mit einem bewusst negativen Touch so sagen darf. Das heißt, man hält an dem fest, was man hat und lässt niemanden sonst heran. Mich beschäftigt die Frage: Wie kann es uns gelingen, den Kulturbetrieb immer wieder mit innovativen Elementen zu beleben? Wie können wir das Neue schaffen, und wie können wir uns mit einigem Anstand von dem verabschieden, was vielleicht vor zwanzig Jahren einmal aktuell war und was wir heute nicht mehr brauchen? Da haben wir noch kein richtiges System, keine richtige Methode. Es mangelt uns gleichsam an einer "Kultur des Beendens" und an der richtigen Balance zwischen Kontinuität und Innovation. Diese zu finden, bedeutet für den Kulturbetrieb die ganz große Herausforderung der nächsten Jahre.
KM: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Heinrichs.
Nachgefasst:
Nach dem Interview mit Prof. Heinrichs, während der Vorbereitung zu dem aktuellen Schwerpunkt des Magazins, konnte die Redaktion noch einige Fragen zur Aufbauarbeit von Herrn Prof. Heinrichs für das Institut für Kulturmanagement Ludwigsburg stellen, die er per Email beantwortete.
KM: Sie haben das Institut für Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg aufgebaut. Was waren Vorgaben, die durch die Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg 1989 bzgl. Struktur und Inhalten formuliert wurden?
WH: Die Kunstkonzeption ging ursprünglich allein von den Bedürfnissen der öffentlichen Hand aus. Deshalb hatte der Studiengang auch zunächst den etwas eigenartigen Namen "Öffentliche Kulturarbeit und Kulturmanagement". Ziel war es, einerseits Studierenden mit einer geisteswissenschaftlichen Vorbildung die Grundlagen der Verwaltungslehre zu vermitteln und andererseits Absolventen der Verwaltungsfachhochschulen mit Themen von Kunst und Kultur vertraut zu machen. Folglich gab es im Curriculum zwei verschiedene Wahlpflichtbereiche. Doch da beide Studentengruppen den größten Teil des Studiums gemeinsam absolvierten, kam es zu interessanten Spannungen, aber auch zu nachhaltigen gegenseitigen Anregungen.
KM: Worauf wurde besonderer Wert bei der inhaltlichen Strukturierung der Ausbildung gelegt?
WH: Bedingt durch die Konzentration auf die "öffentliche Kulturarbeit" standen die Kulturpolitik und die öffentliche Kulturförderung lange Zeit im Vordergrund. Themen wie Betriebswirtschaftslehre oder Marketing waren zunächst von nachrangiger Bedeutung.
KM: Gab es andere nationale oder internationale Studiengänge, die genauer betrachtet und als Vorbild herangezogen wurden?
WH: Der Studiengang in Ludwigsburg wurde 1989 vom Landtag beschlossen und nahm 1990 den Betrieb auf. Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg hatte zwei Jahre früher begonnen; die Fernuniversität Hagen startete nur wenige Monate vor Ludwigsburg. Insofern gab es für diese drei Anbieter keine Vorbilder, zumal sie alle je unterschiedliche Konzepte verfolgten. Das wesentlich ältere Studienangebot in Wien führte stets ein gewisses Eigenleben; die Kontakte zwischen den österreichischen Kollegen und den drei deutschen Anbietern waren sehr gering. Diese drei Anbieter waren für einige Jahre die einzigen Anbieter in Deutschland mit einem ausgebauten Curriculum und einem qualifizierten Hochschulabschluss. Da diese drei Anbieter sich in der alten Bundesrepublik den Markt geografisch aufteilten, kam es zu keiner Konkurrenz, sondern zu einer sehr kollegialen Zusammenarbeit. Jeder Dozent unterrichtete auch beim anderen Anbieter, und der regelmäßige persönliche Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen war eine erfreuliche Selbstverständlichkeit. Erst als Mitte der neunziger Jahre neue Anbieter versuchten, die Konzepte von Hamburg, Hagen und Ludwigsburg zu kopieren, kam es zu einem spürbaren Wettbewerb.
KM: Was waren Ansprüche, die der Kulturbetrieb noch 1990 an die Ausbildung des Kulturmanagers gestellt hat? Haben diese immer noch Bestand oder sich grundlegend verändert?
WH: Zumindest für Ludwigsburg stellte sich die Politik 1990 vor, dass die Kulturverwaltungen und die kulturellen Einrichtungen der Kommunen und Länder (vor allem die Theater) besser funktionieren und wirtschaftlicher arbeiten sollten. Zudem sollten Schlagworte wie "Kultur als Wirtschaftsfaktor" oder "Kultur als Standortfaktor", die Ende der achtziger Jahre aufgekommen waren, in die öffentliche Kulturarbeit einfließen. Doch blieb es hier bei der kulturpolitischen Perspektive; dass man diese Schlagworte eigentlich ökonomisch verstehen und gebrauchen sollte, wurde damals - auch bundesweit - nicht erkannt. Damit war das Kulturmanagement der Anfangsjahre - und das galt für das Angebot von Hermann Rauhe in Hamburg und Thomas Heinze in Hagen genauso wie für das von Werner Heinrichs in Ludwigsburg - ein auf die Kulturförderung und die "Ermöglichung von Kultur" (Hermann Rauhe) ausgerichtetes Kulturmanagement. Die Kunst stand im Vordergrund, weshalb bei Treffen im Kollegenkreis weit mehr über Kunst als über Management gesprochen wurde.
Erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre kam es allmählich zu einem Paradigmenwechsel, indem Kulturmanagement als eine Sparte der Betriebswirtschaftslehre verstanden wurde. Seitdem stehen Begriffe wie Managementlehre, Marketing, Controlling usw. im Vordergrund. Diesem Wandel hat sich auch der Ludwigsburger Studiengang nicht entzogen und deshalb schon 1993 den Namen des Studiengangs in "Kulturmanagement" umgewandelt. Seitdem ist die öffentliche Kulturarbeit auch in Ludwigsburg nur noch ein Teil der Studienthemen; der kommerzielle Kulturbetrieb mit seiner notwendigerweise betriebswirtschaftlichen Ausrichtung hat auch dort längst die Oberhand gewonnen.
KM: Sie haben das Institut für Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg aufgebaut. Was waren Vorgaben, die durch die Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg 1989 bzgl. Struktur und Inhalten formuliert wurden?
WH: Die Kunstkonzeption ging ursprünglich allein von den Bedürfnissen der öffentlichen Hand aus. Deshalb hatte der Studiengang auch zunächst den etwas eigenartigen Namen "Öffentliche Kulturarbeit und Kulturmanagement". Ziel war es, einerseits Studierenden mit einer geisteswissenschaftlichen Vorbildung die Grundlagen der Verwaltungslehre zu vermitteln und andererseits Absolventen der Verwaltungsfachhochschulen mit Themen von Kunst und Kultur vertraut zu machen. Folglich gab es im Curriculum zwei verschiedene Wahlpflichtbereiche. Doch da beide Studentengruppen den größten Teil des Studiums gemeinsam absolvierten, kam es zu interessanten Spannungen, aber auch zu nachhaltigen gegenseitigen Anregungen.
KM: Worauf wurde besonderer Wert bei der inhaltlichen Strukturierung der Ausbildung gelegt?
WH: Bedingt durch die Konzentration auf die "öffentliche Kulturarbeit" standen die Kulturpolitik und die öffentliche Kulturförderung lange Zeit im Vordergrund. Themen wie Betriebswirtschaftslehre oder Marketing waren zunächst von nachrangiger Bedeutung.
KM: Gab es andere nationale oder internationale Studiengänge, die genauer betrachtet und als Vorbild herangezogen wurden?
WH: Der Studiengang in Ludwigsburg wurde 1989 vom Landtag beschlossen und nahm 1990 den Betrieb auf. Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg hatte zwei Jahre früher begonnen; die Fernuniversität Hagen startete nur wenige Monate vor Ludwigsburg. Insofern gab es für diese drei Anbieter keine Vorbilder, zumal sie alle je unterschiedliche Konzepte verfolgten. Das wesentlich ältere Studienangebot in Wien führte stets ein gewisses Eigenleben; die Kontakte zwischen den österreichischen Kollegen und den drei deutschen Anbietern waren sehr gering. Diese drei Anbieter waren für einige Jahre die einzigen Anbieter in Deutschland mit einem ausgebauten Curriculum und einem qualifizierten Hochschulabschluss. Da diese drei Anbieter sich in der alten Bundesrepublik den Markt geografisch aufteilten, kam es zu keiner Konkurrenz, sondern zu einer sehr kollegialen Zusammenarbeit. Jeder Dozent unterrichtete auch beim anderen Anbieter, und der regelmäßige persönliche Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen war eine erfreuliche Selbstverständlichkeit. Erst als Mitte der neunziger Jahre neue Anbieter versuchten, die Konzepte von Hamburg, Hagen und Ludwigsburg zu kopieren, kam es zu einem spürbaren Wettbewerb.
KM: Was waren Ansprüche, die der Kulturbetrieb noch 1990 an die Ausbildung des Kulturmanagers gestellt hat? Haben diese immer noch Bestand oder sich grundlegend verändert?
WH: Zumindest für Ludwigsburg stellte sich die Politik 1990 vor, dass die Kulturverwaltungen und die kulturellen Einrichtungen der Kommunen und Länder (vor allem die Theater) besser funktionieren und wirtschaftlicher arbeiten sollten. Zudem sollten Schlagworte wie "Kultur als Wirtschaftsfaktor" oder "Kultur als Standortfaktor", die Ende der achtziger Jahre aufgekommen waren, in die öffentliche Kulturarbeit einfließen. Doch blieb es hier bei der kulturpolitischen Perspektive; dass man diese Schlagworte eigentlich ökonomisch verstehen und gebrauchen sollte, wurde damals - auch bundesweit - nicht erkannt. Damit war das Kulturmanagement der Anfangsjahre - und das galt für das Angebot von Hermann Rauhe in Hamburg und Thomas Heinze in Hagen genauso wie für das von Werner Heinrichs in Ludwigsburg - ein auf die Kulturförderung und die "Ermöglichung von Kultur" (Hermann Rauhe) ausgerichtetes Kulturmanagement. Die Kunst stand im Vordergrund, weshalb bei Treffen im Kollegenkreis weit mehr über Kunst als über Management gesprochen wurde.
Erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre kam es allmählich zu einem Paradigmenwechsel, indem Kulturmanagement als eine Sparte der Betriebswirtschaftslehre verstanden wurde. Seitdem stehen Begriffe wie Managementlehre, Marketing, Controlling usw. im Vordergrund. Diesem Wandel hat sich auch der Ludwigsburger Studiengang nicht entzogen und deshalb schon 1993 den Namen des Studiengangs in "Kulturmanagement" umgewandelt. Seitdem ist die öffentliche Kulturarbeit auch in Ludwigsburg nur noch ein Teil der Studienthemen; der kommerzielle Kulturbetrieb mit seiner notwendigerweise betriebswirtschaftlichen Ausrichtung hat auch dort längst die Oberhand gewonnen.
Werner Heinrichs (geb. 1947), Verwaltungsausbildung und Studium der Philosophie, Germanistik und Skandinavistik (Dr. phil.), anschließend 12 Jahre Tätigkeit im Kulturbereich; 1990 Berufung zum Professur für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Leiter des dortigen Instituts für Kulturmanagement; seit 2002 Rektor der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart; 20 Buchveröffentlichungen und etwa 100 Aufsätze, vorwiegend zur Kulturpolitik und zum Kulturmanagement.
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