02.03.2009

Autor*in

Dirk Heinze
Bezahlung von Musiker/innen

Chance auf bessere Rahmenbedingungen für die künstlerische Produktion

In einer entscheidenden Phase der aktuellen Tarifverhandlungen mit der Deutschen Orchestervereinigung stand uns am 14.01.2009 mit Rolf Bolwin der Verhandlungsführer des Deutschen Bühnenvereins Rede und Antwort. In der Zwischenzeit gab es weitere Gespräche zwischen beiden Seiten.
DH: Die Tarifverhandlungen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Deutschen Orchestervereinigung scheinen diesmal besonders schwierig und lang anhaltend. Wie erklären Sie sich die verhärteten Fronten?

B: Ich bin mir nicht sicher, ob es verhärtete Fronten gibt. Letzten Endes haben wir uns 2006 schon auf einen neuen TVK, also auf einen neuen Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern verständigt. Das war ja schon mal ein Erfolg. Dann hat im Rahmen der so genannten Redaktionsverhandlungen die Musikergewerkschaft DOV ein paar Nachforderungen gestellt. Wir haben uns auf Verhandlungen darüber eingelassen, obwohl wir uns auch auf die Einigung hätten berufen können, und haben uns auch in den Verhandlungen auf vieles verständigt. Streitig bleibt jetzt alleine die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Gehälter der Musiker im Falle von Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes anzupassen sind.

An dieser Frage hat es sich ein wenig festgebissen, obwohl wir über die Sache an sich gar nicht streiten. Wir sind alle der Auffassung, dass die Lohnerhöhung des öffentlichen Dienstes auf die künstlerischen Mitarbeiter der Theater und Orchester übertragen werden müssen. Das geht gar nicht anders, weil die nicht künstlerischen Mitarbeiter der meisten dieser Betriebe dem öffentlichen Dienst angehören, und es kann ja nicht sein, dass der Bühnenarbeiter, der Verwaltungsangestellte oder der Techniker eine Lohnerhöhung bekommt und der Musiker, der Schauspieler, der Sänger oder der Tänzer nicht. Der Streit betrifft nur noch zwei Detailfragen. Die eine Frage ist: Wenn im öffentlichen Dienst die Gehaltserhöhungen von irgendwelchen für die Arbeitnehmer nachteiligen Bedingungen, also beispielsweise der Verlängerung der Arbeitszeit, abhängig gemacht werden - sind dann diese Bedingungen auch in irgendeiner Form auf die künstlerischen Mitarbeiter zu übertragen, und wenn ja wie? Das lehnt die DOV ab. Die Musikergewerkschaft sagt, sie möchte die Lohnerhöhungen, aber diese Nachteile möchte sie nicht in die Übertragung der Lohnerhöhung auf die Musiker einbeziehen. Das akzeptieren wir nicht. Wir sagen, die Nachteile müssen mit einbezogen werden. Und die zweite Frage ist: Was ist eigentlich, wenn sich ein Betrieb komplett vom öffentlichen Dienst gelöst hat, d.h. die Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes an die nicht künstlerischen Mitarbeiter gar nicht ausgezahlt werden. Dann sagen wir, dass die Orchestermusiker und natürlich auch alle anderen künstlerischen Mitarbeiter nur das an Lohnerhöhung bekommen, was alle im Betrieb erhalten, dass also keiner in irgendeiner Form privilegiert werden darf. Auch das lehnt die DOV ab, sie möchte auf jeden Fall die Lohnerhöhung des öffentlichen Dienstes, egal was die anderen bekommen. Das ist der Streit. Wir haben uns in vieler Hinsicht auf die DOV zu bewegt, aber jetzt ist es die Musikergewerkschaft, die sich bewegen muss, und ob sie es tut, werden wir in den nächsten Wochen sehen.

DH: In welcher Phase stehen die Tarifverhandlungen zum heutigen Zeitpunkt? Steht eine Einigung bevor, oder ist weiterhin mit einer zähen Verhandlung zu rechnen?

B: Das kann ich sehr schwer beantworten. Wir haben der DOV mitgeteilt, dass wir wieder verhandlungsbereit sind, nachdem sie die Streiks aufgrund des gerichtlichen Verfahrens, das wir angestrengt haben, einstellen musste. Zunächst muss am 4. Februar der Tarifausschuss des Bühnenvereins über alle Fragen, die noch offen sind, beraten. Ich glaube, dass eine Einigung in greifbarer Nähe ist, wenn sich die DOV an den zwei Punkten, die ich vorhin als streitig bezeichnet habe, auf uns zu bewegt.

DH: In den Augen vieler Beobachter erscheinen solche Tarifverhandlungen auch als Rituale. Das ist ja nicht nur im Kultursektor so, sondern auch in anderen Branchen. Steckt eigentlich mehr in Ihrer Rolle am Verhandlungstisch als die eines Anwalts der Bühnenorchester?

B: Sicher scheinen Tarifverhandlungen manchmal einem Ritual zu gleichen. Das ist aber, so glaube ich, nicht ganz zutreffend, sondern hier verhandeln zwei Partner miteinander: Arbeitgeber auf der einen Seite, Arbeitnehmer auf der anderen, und diese haben sehr unterschiedliche Interessen. Beide müssen zu einer Einigung kommen und müssen einen Kompromiss finden .Das ist mit unterschiedlichen Interessen, wie wir alle aus anderen Zusammenhängen wissen, manchmal sehr schwierig. Man muss ernst miteinander verhandeln und das geschieht auch. Man muss versuchen, die Möglichkeiten für beide Seiten deutlich werden zu lassen. Die Frage dabei ist: Wie kann man sich einigen, wie findet man einen Ausweg. Ich glaube, Tarifverhandlungen haben letzten Endes auch eine große Chance, und die liegt für mich immer darin, dass sich bei erfolgreich geführten Verhandlungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Rahmenbedingungen für das Produzieren, in unserem Fall von Theater und Musik, verständigt haben. Dann kann auf einer relativ guten und soliden Basis gearbeitet werden, einer Basis, die durch dieses Verhandlungsergebnis von beiden Seiten, also von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, akzeptiert wird. Ich denke, das ist ein großer Vorteil, weil man die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Theater und Orchester nicht dem Gesetzgeber überlässt, den man ja nur begrenzt beeinflussen kann. Er ist ein Recht setzendes Organ, das in seiner Entscheidung völlig frei ist. Die Rahmenbedingungen aber, die wir in Tarifverhandlungen aushandeln, können wir beeinflussen, die können wir auch in Abstimmung miteinander frei entscheiden und das ist ein immenser Vorteil. Die Rolle, die dabei der Deutsche Bühnenverein auf Arbeitgeberseite einnimmt, ist natürlich die eines Vertreters, eines Anwaltes der Arbeitgeber, also der Theater und Orchester sowie der Kommunen und Länder als deren Rechtsträger.

DH: Können sie sich nichtsdestotrotz vorstellen, dass es Alternativen zu ihren regelmäßigen Tarifverhandlungen gäbe? Warum wird beispielsweise nicht gleich bei den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes über dieser Spezialbereich mitverhandelt?

B: Schon in dem WortSpezialbereich liegt die Antwort. Es geht bei uns um Arbeitsverhältnisse, die in ihrer Art einzigartig in der Bundesrepublik Deutschland sind, weil eine Theateraufführung oder ein Konzert eben eine künstlerische Arbeit ist. Ihr Erfolg hängt von sehr unterschiedlichen, individuellen künstlerischen Leistungen ab. Deshalb kann man da nicht einfach den Maßstab des öffentlichen Dienstes anlegen, das sind eben keine Routine-Arbeitsvorgänge, die hier zu leisten sind und für die die Arbeitsbedingungen festgelegt werden müssen. Vielmehr handelt es sich um sehr komplexe unterschiedliche Tätigkeiten. Insoweit muss es eine Institution geben, auch in Tarifverhandlungen, die sagt: Mit unserem Wissen um die künstlerischen Arbeitsprozesse prüfen wir, wie sich das, was im öffentlichen Dienst an Tarifvereinbarungen erreicht wurde, auf diese künstlerischen Bereiche übertragen lässt. Eher umgekehrt würde im Übrigen ein Schuh draus, aber das akzeptiert die Dienstleitungsgewerkschaft ver.di nicht. Wir würden sehr gerne den nicht künstlerischen Bereich in unsere unter künstlerischen Aspekten stattfindenden Tarifverhandlungen einbeziehen, weil ja auch das nicht künstlerische Zuarbeiten zu einer Theaterproduktion sehr individuelle Leistungen voraussetzt. Denn man stellt immer wieder fest, dass das, was im öffentlichen Dienst für Verkehrsbetriebe, Versorgungsbetriebe, für Krankenhäuser, aber auch für die öffentliche Verwaltung vereinbart wird, nicht so ganz zu der Arbeit der nicht künstlerischen Mitarbeiter in einem Theaterbetrieb passt. Das wird aber, wie gesagt, von ver.di nicht akzeptiert. Sie möchte, dass das nicht künstlerische Personal der Theater zum öffentlichen Dienst gehört. So bleibt uns nichts anderes, als eben die Ergebnisse des öffentlichen Dienstes auf die Frage zu prüfen, was sich auf das künstlerische Personal wie übertragen lässt. Das muss dann natürlich durch Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, sprich durch die Gewerkschaften und den Deutschen Bühnenverein geschehen.

DH: Was haben sie sich für 2009 vorgenommen? Ist beispielsweise mit einer Vereinfachung des komplizierten Tarifgefüges z.B. in Opernhäusern oder Konzerthallen zu rechnen?

B: In den letzten Jahren haben wir ja schon zwei der großen Regelwerke, die wir mit verantworten, reformiert. Das eine ist die sogenannte Regelsammlung, also die Rahmenvereinbarung, die maßgebend ist für die Vergabe von Urherberrechten, vor allem von Aufführungsrechten durch die Verlage an die Theater. Dieses Regelwerk ist mit dem Verband Deutscher Bühnen- und Medienverlage verhandelt und abgeschlossen worden. Wir haben als zweites Regelwerk den gesamten Tarifbereich für das künstlerische Personal, mit Ausnahme der Orchester, also für Schauspieler, Sänger, Tänzer und künstlerisch technisches Personal reformiert. Es sind dort vier Tarifverträge zu einem Tarifvertrag zusammengeführt wurden, zum Normalvertrag Bühne (NV Bühne). Das hat ja schon für die Theater zu erheblichen Verbesserungen und Erleichterungen geführt.
Und wenn Sie mich fragen, was wir uns für 2009 vornehmen, dann würde ich mir wünschen, dass das nun auch endlich für das dritte große rechtliche Gefüge, das der Bühnenverein mitverantwortet, gelingt, also für den TVK. Wie gesagt: Mit allen durchgeführten und beabsichtigten Reformen sind natürlich Verbesserungen und Vereinfachungen für die Theater und Orchester verbunden. Damit soll der künstlerische Betrieb erleichtert und entlastet werden. Das ist besonders wichtig, denn die rechtlichen Verhältnisse werden, vor allem angesichts einer sich immer rasanter wandelnden globalisierten Welt, nicht einfacher. Die Gesetzesvorgaben, die wir mit zu berücksichtigen haben, werden ja immer komplexer, zudem internationaler, wenn sie an die Bedeutung der EU für den gesamten rechtlichen Bereich denken. Dadurch wird alles eher schwieriger als einfacher, d.h. die Hoffnung, dass man irgendwann mal wieder zu ganz einfachen und für jeden durchschaubaren Regelungen kommt, ist eine Illusion. Die Welt wird schwieriger, die Welt wird komplexer, und damit werden die rechtlichen Regelungen auch nicht leichter.

DH: Vielen Dank, Herr Bolwin.
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB