15.04.2013

Autor*in

Simone Dudt
European Forum on Music

Musikalischer Ruf zur Erneuerung Europas

Der Europäische Musikrat veranstaltet vom 18. bis 21. April in schottischen Glasgow das 3. European Forum on Music. Wir sprachen mit der Generalsekretärin Simone Dudt.
Das Interview führte Dirk Heinze.
 
KMN: Sie haben für die Konferenz in Glasgow die Überschrift "Regenerating Europe through music" gewählt. Nun gab es schon mehrere Versuche, über Kultur den europäischen Gedanken wieder zu aktivieren. Woher kommt der Glaube, dass es damit jetzt gelingt? Was kann die Musik im Kontext Europa überhaupt erreichen?
 
Simone Dudt: Das "Regenerating", also die komplette Neuausrichtung Europas, indem man sich auf Musik fokussiert, ist natürlich sehr ambitioniert und vielleicht auch etwas zu weit gegriffen. Es geht in diesem Titel auch um einen übertragenen Sinn, wie man auf Europa blickt. Die mediale Berichterstattung wird derzeit stark von Krisen - von der Finanz- und Wirtschaftskrise bis hin zur sozialen Krise und fehlenden Solidarität - bestimmt. Wir möchten vermitteln, dass der europäische Gedanke auf einen kulturellen Austausch gerichtet ist. Das ist die Kernaussage, die wir in Glasgow treffen wollen. Natürlich gibt es wirtschaftliche, finanzielle oder arbeitsmarktpolitische Krisen. Aber es gibt auch Solidarität und Zusammenhalt, wenn man sich die kulturelle Zusammenarbeit anschaut.
 
KMN: Sie beziehen sich ja auch in der Ankündigung unmittelbar auf das Kulturhauptstadtjahr 1990. Welche nachhaltigen Impulse gingen von Glasgow aus? Woran kann man anknüpfen?
 
SD: Die Kulturhauptstadt Glasgow 1990 war eine Initialzündung für eine Arbeiterstadt, die sich erstmals auf Kultur bezieht. Es sind einige Dinge dort entstanden: Renovierungen, Restaurierungen oder auch Neubauten. In Glasgow hat zum Beispiel die Restaurierung der innenstädtischen kulturellen Gebäude neue, nachhaltige Impulse gesetzt. So ist zum Beispiel die Royal Concert Hall - heute eine der wichtigsten Spielstätten des Landes - eine direkte Folge des Kulturhauptstadtjahrs. Die Stadt hat 1999 den Architektur- und Designpreis erhalten. Die Kulturhauptstadt ist wahrscheinlich auch deshalb so erfolgreich gewesen, weil sie danach kontinuierlich weiter geführt wurde, die renovierten und gebauten Stätten auch konzeptionell langfristig bespielt wurden. Im Jahr 2011 wurde eine Studie veröffentlicht, die 21 Jahre danach zeigt, dass Glasgow noch immer eine starke Kulturmetropole ist. Im "Glasgow Cultural Statistics Digest", der für den Glasgow City Council vorbereitet wurde, wird erläutert, dass Glasgows Kultur- und Kreativindustrie eine der stärksten außerhalb Londons ist, mit über 30.000 Beschäftigten, was 7% der Erwerbstätigen Glasgows ausmacht. Seit 1992 sind die Aufführungen und ihr Publikum um 82 % gestiegen, was Glasgow zu einem interessanten und äußerst attraktiven Touristenziel macht.
 
KMN: Das Europäische Forum für Musik findet zum dritten Mal statt. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Veranstaltungsformat, und welches Themenspektrum soll darüber diskutiert werden?
 
SD: Einerseits geht es schlicht darum, dass sich der Europäische Musikrat als Verein satzungsmäßig einmal im Jahr mit seinen Mitgliedern trifft. Da unsere Mitglieder aus ganz Europa kommen, möchten wir noch ein darüber weiterreichendes Angebot bieten. Daher veranstalten wir im Vorfeld der Jahresversammlung dieses Forum, bei dem man sich über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Musik in Europa austauscht. 2012 sprachen wir in Istanbul über die Möglichkeiten, mithilfe der Musik Brücken zu bauen. 2010 in Wien ging es um musikalische Vielfalt. Bei den meisten Foren werden Themen wie musikalische Bildung oder Urheberrechte besprochen. Was beschäftigt Musik, was beschäftigt Europa, und wie gehören diese beide Themen Europa und Musik zusammen? Oder anders gefragt: was kann Europa für Musik tun und was kann Musik für Europa tun?
 
KMN: Wieso sollte eigentlich von Glasgow ein Signal der europäischen Einigung ausgehen, wenn gleichzeitig Schottland gerade überlegt, aus dem Vereinigten Königreich auszuscheiden?
 
SD: Das wird bestimmt Thema sein. Es gibt diese Unabhängigkeitsbewegung, und auch da spielt Kultur und kulturelle Identität eine große Rolle. Die Unabhängigkeitsbewegung richtet sich aber natürlich ganz klar an das Vereinigte Königreich. Schotten an sich sind glühende Europäer und man müsste wohl keinen Austritt aus der Europäischen Union befürchten. Interessant wird es, diese Debatte im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion in UK zum Thema EU-Mitgliedschaft zu sehen.
 
KMN: Das sog. Jugendkomitee des Musikrats wird sich in Glasgow mit der Lücke zwischen Ausbildung und Beruf beschäftigen. Sind damit Musiker gemeint, die Schwierigkeiten haben, eine Anstellung zu finden?
 
SD: Es geht nicht nur um Musiker. Darunter sind alle jungen Leute, die eine musikalisch-künstlerische Ausbildung haben, aber auch Absolventen in Kulturmanagement oder der Musikwissenschaft. Das Thema "Bridging the gap between from education and training to employment" wurde gewählt, weil die Arbeitsrealität am Ende eine andere ist, als teilweise in der Ausbildung gelernt. Beim Youth Day geht es darum, wie man diese Lücke schließen kann und welche Hilfsmöglichkeiten es gibt, durch die man nachher gut in die Arbeitswelt hineinfindet.
 
KMN: Welche Teilnehmer und Referenten erwarten Sie? Sind das auch Vertreter der Hochschulen oder Musikorganisationen?
 
SD: Es werden sowohl Vertreter von Musikhochschulen sprechen, z.B. die Vizepräsidentin des Europäischen Musikhochschulverbandes, Gretchen Amussen, als auch Leute aus dem Arbeitsfeld Musik, wie zum Beispiel das Scottish Music Center oder Superact, eine Organisation für "Community Music" in England, oder aus Frankreich Zebrock. Dabei wird u.a. auch vorgestellt, welche Erwartungen diese Organisationen an Hochschulabsolventen haben.
 
KMN: Wen erwarten Sie noch?
 
SD: Wir konnten als Keynote Speaker Simon Frith gewinnen, ein anerkannter Musiksoziologe und Musikjournalist, sowie Pete Wishart, der ehemalige Keyboarder von Runrig, der auch Mitglied im Britischen Parlament ist. Es wird sowohl um die wirtschaftliche als auch um die soziale Komponente von Musik gehen und wie diese zu einem Strukturwandel in einer Stadt beitragen kann. Wir erwarten außerdem Ann Branch, eine Vertreterin der Europäischen Kommission, mit der wir über die Zukunft der EU-Kulturprogramme sprechen werden, die natürlich für den europäischen Musiksektor sehr wichtig ist. Nachdem das EU-Parlament jetzt das Budget abgelehnt hat, ist die Frage, wie es weiter geht. Das neue Budget soll 2014 in Kraft treten und die damit verbundenen Programme hängen von einer Einigung in der Budgetfrage ab. Es gibt erste Vorschläge, die diskutiert werden. Aber wann werden die konkreter, wann gibt es die ersten Ausschreibungen? Solange es kein Budget gibt, das verabschiedet ist, gibt es ja auch keine Programme.
 
Es wird auch praktische Anteile geben, zum Beispiel interaktive Workshops zu Community Music und wie man in seiner direkten Umgebung mit Musik in der Gemeinde, in der unmittelbaren Umgebungen einen Strukturwandel schaffen kann. Es werden verschiedene Vertreter vor Ort sein, sowohl aus England als auch aus Deutschland. Es wird auch einen Workshop geben, wie man erfolgreich Lobby für Musik oder für verschiedene Musikthemen macht. Wir haben Thomas Dayan von der International Federation of Musicians und Patrick Ager der European Composers and Songwriters Alliances eingeladen, die derzeit einige Themen aktiv bearbeiten und Lobby dafür betreiben, der Workshop gibt praktische Tipps, wie denn tatsächlich solche Lobbyarbeit aussehen kann. Das kleine Einmaleins, was muss ich beachten, wenn ich Lobby für eine bestimmte Sache machen will.
 
Besonders freut uns, dass wir auch Vertreter der UNESCO Cities of Music in Glasgow begrüßen kennen, die ihre Stadtkonzepte für Musik den Teilnehmenden vorstellen werden.
 
KMN: Frau Dudt, wir danken für das Gespräch und wünschen ein erfolgreiches Forum in Glasgow.
 
Weiterführende Links:
 
 
 

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