11.04.2007
Themenreihe Festivalmanagement
Autor*in
Claudia Stemberger
Tanz- und Theaterszene Wien
imagetanz 07. Wiener Festival für NachwuchschoreografInnen - Interview mit der Kuratorin Bettina Kogler
Das Wiener Festival imagetanz 07 zeigte von 6. bis 24. März über ein dutzend Produktionen ansässiger ChoreografInnen. Das Festival für Tanz und Performance ist Teil des dietheater Programms. dietheater Wien bestehen seit dem Jahr 1989 und beheimaten die unterschiedlichsten Facetten der freien Tanz- und Theaterszene.
Themenreihe Festivalmanagement
Im Herbst werden Thomas Frank und Haiko Pfost dem langjährigen Intendanten Christian Pronay als neues künstlerisches Leitungsteam nachfolgen. Bettina Kogler übernahm die Position von Anna Thier als Kuratorin von imagetanz bereits im Herbst 2003. Die studierte Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin engagiert sich seither mit sichtlichem Erfolg für den lokalen Nachwuchs der Tanz- und PerformancekünstlerInnen. Ihr Festivalprogramm widersteht dem schmalen Budget und präsentiert erfrischende wie risikoreiche Uraufführungen und Gastspiele junger Wiener ChoreografInnen. In diesem Jahr konzentrierte sich die Kuratorin Bettina Kogler auf die viel versprechende heimische Szene und überraschte mit einem heterogenen Programm, das spüren ließ, wie die neuen strukturellen Rahmenbedingungen Früchte tragen. Und wir sind echt modern und schneller als der Horizont!, so der aktuelle Festivalslogan.
Claudia Stemberger: Das Wiener Festival imagetanz haben Sie im Jahr 2003 als Kuratorin übernommen. Erlauben Sie einen kurzen Rückblick: Welche Themen und Ziele bestimmten die vergangenen vier Festivals?
Bettina Kogler: Als ich das Festival übernommen habe, fanden pro Jahr noch zwei Festivals statt, je im Frühjahr und im Herbst. Meine erste Entscheidung war, die Festivals zusammen zu legen, um bessere Bedingungen für die KünstlerInnen zu schaffen, vor allem auf finanzieller Ebene. So konnte ich von einem verdoppelten Budget ausgehen. Es war und ist mir ein Anliegen, Gagen im internationalen Standard zu gewährleisten, insbesondere für NachwuchskünstlerInnen. Kunst ist Arbeit und muss dementsprechend entlohnt werden.
Zu Beginn war das Festival thematisch gemischter, junge KünstlerInnen waren ein Teil, aber nicht ausschließlich. In den letzten vier Jahren ist imagetanz zu einem Nachwuchsfestival herangereift. Das Festival muss man vor allem in der Wiener Landschaft sehen. Es geht um einen Platz, an dem junge KünstlerInnen scheitern dürfen. Diese quasi Marktlücke zu füllen, ist mein Anliegen. Das betrifft zum Teil auch die mittlere Generation außerhalb des Festivals. Wenn jemand einen Platz braucht, um ein Experiment unter geringerem öffentlichem Druck zu zeigen, dann sind dietheater mit dem Festival imagetanz ein guter Partner.
Erstaunlich ist: Als ich begonnen habe, war die Auslastung aufgrund der Neupositionierung des Publikumsmagneten Tanzquartier Wien sehr gering. Während dieser vier Jahre ist das Publikum des Tanzquartier gewachsen, aber auch das von imagetanz, was mich sehr freut. Wichtig sind mir zudem Kooperationen mit den anderen Wiener Veranstaltern, dem Tanzquartier, dem Festival ImPulsTanz, aber auch internationale Möglichkeiten der Zusammenarbeit einzugehen, da wir an einer Sache arbeiten, was sich immer wieder bewährt hat.
CS: Seit Jahren engagieren Sie sich für verbesserte Bedingungen von NachwuchschoreografInnen in Wien. Welche Formen der Förderung junger KünstlerInnen können Sie als Kuratorin mit dem jährlich stattfindenden Festival imagetanz anbieten?
BK: Ein Festival kann sicher mehr mediale Aufmerksamkeit produzieren als Nachwuchsprojekte während der laufenden Spielzeiten. Ich bemühe mich, während des Jahres auf einer politischen Ebene präsent zu sein und diese Themen sowohl bei KuratorInnen, aber auch bei BeamtInnen und Politiker- Innen zu lancieren.
Zur Nachwuchsfördung: Es gibt in Wien TURBO, eine Veranstalter übergreifende Initiative zur Förderung des choreografischen Nachwuchses. TURBO wurde parallel zur erfolgreichen Nachwuchsförderung der Stadt Wien eingerichtet (150.000). Entstanden ist diese neue Förderung aus einer gemeinsamen politischen Aktion von KünstlerInnen und VeranstalterInnen, die ein Schreiben an die Stadt gerichtet haben. Es folgten Angebote auf Veranstalterebene, um einen Platz für Aufführungen bieten zu können. Ganz wichtig ist, dass jedes Haus das für sich selbst finanziert. Die 150.000 wollten wir auf jeden Fall strukturfrei halten, um sie rein künstlerischen Projekten zugute kommen zu lassen. TURBO Veranstaltungen finden drei Mal pro Jahr statt, einmal im Tanzquartier, einmal bei ImPulsTanz, einmal bei imagetanz, in jeweils unterschiedlichen Formaten.
Die Formate werden bei imagetanz gemeinsam mit den KünstlerInnen entschieden. Das können Residencies sein oder öffentliche Momente. Davor und danach kümmere ich mich um die KünstlerInnen, biete also Unterstützung am Weg zum Projekt. Auch der Weg danach wird begleitet. Das heißt, ich bemühe mich um Möglichkeiten, weiter zu arbeiten oder um Gastspiele in anderen Städten. Mir ist sehr wichtig, dass Nachwuchsförderung nicht nur punktuell verstanden wird, im Sinne eines Entdeckens von Newcomern, sondern dass mittel- bis langfristige Begleitung angeboten wird, so notwendig.
CS: Zwischenfrage. Der Tanz tituliert sich häufig als junge Sparte. Obwohl der Tanz eine etablierte und vor allem sehr gegenwärtige Sparte darstellt, gerät dieser oft in eine unnötige Rechtfertigungsschiene. Braucht der Tanz, die Darstellende Kunst manchmal mehr Unterstützung als die Bildende Kunst oder ergeben sich differierende Produktionsstrukturen?
BK: Die Netzwerke der Wiener Theater sind nicht so offensichtlich und, das unterstelle ich an dieser Stelle, funktionieren auch nicht so gut. In der Darstellenden Kunst gibt es auf jeden Fall klare Netzwerke. Der Tanz ist die prekärere Sparte, aber die Zusammenarbeit funktioniert besser. Ein zu geschlossen unterstützendes System kann leicht nach Mafia aussehen. Diese Systeme sollten also möglichst offen sein, damit es nicht nur Insider und Outsider gibt. Von außen betrachtet sieht es manchmal so aus, als ob die Bildende Kunst verschlossener agiert als die Darstellende Kunst; das weiß man aber nicht
Die Theaternetzwerke scheinen ein bisschen schlechter zu funktionieren als die Tanznetzwerke. Zudem agiert der Tanz internationaler und unabhängiger von der Sprache. Aber ein großer Teil des Budgets der Stadt Wien fördert das Theater und nicht den Tanz. Es gibt mehr Theater- als Tanzgruppen in Wien. Der Tanz steht im Moment ziemlich gut da, ebenso der Begriff Performance. Der Tanz bietet die gegenwärtig wegbereitenderen Impulse für die Darstellende Kunst, als zum Beispiel das Theater in Wien. Die Wiener Theaterreform konnte der Tanz geschickter für sich nutzen als das Theater: Bestimmte Grabenkämpfe hat man hinter sich gelassen und sich gemeinsam für die Disziplin stark gemacht.
CS: Die Bildende Kunst debattiert seit den 70er Jahren die wechselseitigen Laufbahnen von KünstlerInnen und KuratorInnen. Heutige Diskussionen um die neue Rolle der KuratorInnen sprechen von Enthierarchisierung- durch den gemeinsamen Nenner Theorie oder von KuratorInnen, die als Socializer agieren. Wie sehen Sie Ihre Position in diesem Zusammenhang? Welche Themen bestimmen die Darstellende Kunst?
BK: Mein grundsätzliches Berufsziel war nicht Kuratorin. Ich habe seit elf Jahren als Produktionsleitung gearbeitet, demgegenüber vier Jahre als Kuratorin. Ich versuche also nicht, abgehoben zu kuratieren und möchte in der Nähe der Produktionszusammenhänge bleiben. Ich bin mir bewusst, welcher Kritik der Beruf der Kuratorin ausgesetzt ist, zu Recht. Wie jeder Beruf kann dieser missbräuchlich benutzt werden und vor allem kann jemand, der etwas gestaltet, auch schlecht gestalten. Man hat die Möglichkeit, Dinge in die Hand zu nehmen, das heißt, man hat eine bestimmte Macht, Dinge zu beeinflussen.
Ich setze mich sehr für die Vielfalt ein. Ich bin mir des Konflikts bewusst und versuche, ihn in Formaten wie dem TURBO aufzubrechen, indem ich sage: Wir kuratieren, wir gestalten gemeinsam. Ich lade auch die KünstlerInnen zu Kuratierungen ein. Der Beruf der Kuratorin kann Dinge in einen interessanten Zusammenhang bringen und die Arbeit der KünstlerInnen erleichtern. Eine gewisse Arbeitsteilung kann sinnvoll sein, muss aber immer wieder hinterfragt werden.
CS: Sobald die Generation Praktikum einen Job gefunden hat, erfordert die finanzielle Realität, mehrere Projekte anzunehmen. Die Arbeitsverhältnisse beruhen auf freiberuflicher Basis. Die Rolehopper der Digitalen Bohème arbeiten parallel als TheoretikerInnen, als KunstkritikerInnen, als KuratorInnen, als CompanymanagerInnen, als UniversitätsdozentInnen. Ergeben sich für den Kulturbereich in Zygmunt Baumanns flüssiger Moderne neue berufliche Spielräume, eine zunehmende Prekarisierung oder doch eine Interessenüberschneidung?
BK: In den letzten Jahren hat eine Prekarisierung und eine Amerikanisierung stattgefunden. Mehrere Jobs sind gleichzeitig unter einen Hut zu bringen. Ich denke hier an Paulo Virno und Die Kunst, sich an nichts zu gewöhnen. Ein Trend, der am Arbeitsmarkt passiert und die Kunst ist ein Bereich, in dem das grundsätzlich stattfindet. Persönlich leide ich darunter und profitiere gleichzeitig davon. Von meiner Tätigkeit als imagetanz Kuratorin kann ich nicht leben. Ich verdiene unter 1.000 netto pro Monat und damit weniger als so manche Supermarktkassiererin. Man ist also gezwungen, sich andere Jobs zu suchen oder das Ganze einfach hinzuschmeißen. Ich bastle mir meine Patchworkjobs.
Ich profitiere aber auch. Die Patchworkjobs sind eine inhaltliche Bereicherung, denn trotz aller Dramatik ergeben sich neue Aspekte. Neben imagetanz habe ich die Geschäftsführung von corpus übernommen, dem Internetmagazin für Tanz, Choreografie und Performance. Ich bin zudem Produktionsleitung für Matsune & Subal und kuratiere zum Teil beim CCL (choreographiccentrelinz, Anm.), und so weiter Das sind lauter interessante Jobs, die es nebeneinander zu organisieren gilt. Manchmal bleibt wenig Zeit für mich alleine übrig. Bei meinen Jobs überschneiden sich also tatsächlich die Interessen; ja, auch eine Prekarisierung ist festzustellen.
CS: dietheater Wien wurden in der Nachfolge von Christian Pronay zur Spielzeit 2007/08 neu besetzt. Die designierten künstlerischen Leiter Thomas Frank und Haiko Pfost werden Sie und das Festival imagetanz in ihr Team übernehmen. Welche Wünsche richten Sie an die Zukunft des Festivals?
BK: Natürlich werde ich imagetanz nicht ewig fortführen, es sind inzwischen vier Jahre. Bei bestimmter Nachfrage kann sich eine Nachfolge ergeben. Ich hätte kein Problem gehabt, bei dem künstlerischen Leitungswechsel jetzt zu gehen. In diesem Fall bin ich konkret gefragt worden, ob ich für die neue Leitung arbeiten möchte.
Tanz und Performance sollte es auch weiterhin am dietheater geben, sowie verschiedene Orte für Tanz und Perfomance in Wien. dietheater mag ein Ort davon sein. Unterschiedliche Spielorte können unterschiedliche Bedürfnisse abdecken. Ob in Zukunft imagetanz weitergeführt wird, kann ich noch nicht genau sagen. Vielleicht wird es zu einer Umbenennung kommen. In jedem Fall ein guter Moment, das ganze Festival mit seinem Strukturen und Formaten
auf den Tisch zu legen und auseinander zu nehmen. Eventuell bauen wir es wieder zusammen oder nicht!
CS: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Claudia Stemberger: Das Wiener Festival imagetanz haben Sie im Jahr 2003 als Kuratorin übernommen. Erlauben Sie einen kurzen Rückblick: Welche Themen und Ziele bestimmten die vergangenen vier Festivals?
Bettina Kogler: Als ich das Festival übernommen habe, fanden pro Jahr noch zwei Festivals statt, je im Frühjahr und im Herbst. Meine erste Entscheidung war, die Festivals zusammen zu legen, um bessere Bedingungen für die KünstlerInnen zu schaffen, vor allem auf finanzieller Ebene. So konnte ich von einem verdoppelten Budget ausgehen. Es war und ist mir ein Anliegen, Gagen im internationalen Standard zu gewährleisten, insbesondere für NachwuchskünstlerInnen. Kunst ist Arbeit und muss dementsprechend entlohnt werden.
Zu Beginn war das Festival thematisch gemischter, junge KünstlerInnen waren ein Teil, aber nicht ausschließlich. In den letzten vier Jahren ist imagetanz zu einem Nachwuchsfestival herangereift. Das Festival muss man vor allem in der Wiener Landschaft sehen. Es geht um einen Platz, an dem junge KünstlerInnen scheitern dürfen. Diese quasi Marktlücke zu füllen, ist mein Anliegen. Das betrifft zum Teil auch die mittlere Generation außerhalb des Festivals. Wenn jemand einen Platz braucht, um ein Experiment unter geringerem öffentlichem Druck zu zeigen, dann sind dietheater mit dem Festival imagetanz ein guter Partner.
Erstaunlich ist: Als ich begonnen habe, war die Auslastung aufgrund der Neupositionierung des Publikumsmagneten Tanzquartier Wien sehr gering. Während dieser vier Jahre ist das Publikum des Tanzquartier gewachsen, aber auch das von imagetanz, was mich sehr freut. Wichtig sind mir zudem Kooperationen mit den anderen Wiener Veranstaltern, dem Tanzquartier, dem Festival ImPulsTanz, aber auch internationale Möglichkeiten der Zusammenarbeit einzugehen, da wir an einer Sache arbeiten, was sich immer wieder bewährt hat.
CS: Seit Jahren engagieren Sie sich für verbesserte Bedingungen von NachwuchschoreografInnen in Wien. Welche Formen der Förderung junger KünstlerInnen können Sie als Kuratorin mit dem jährlich stattfindenden Festival imagetanz anbieten?
BK: Ein Festival kann sicher mehr mediale Aufmerksamkeit produzieren als Nachwuchsprojekte während der laufenden Spielzeiten. Ich bemühe mich, während des Jahres auf einer politischen Ebene präsent zu sein und diese Themen sowohl bei KuratorInnen, aber auch bei BeamtInnen und Politiker- Innen zu lancieren.
Zur Nachwuchsfördung: Es gibt in Wien TURBO, eine Veranstalter übergreifende Initiative zur Förderung des choreografischen Nachwuchses. TURBO wurde parallel zur erfolgreichen Nachwuchsförderung der Stadt Wien eingerichtet (150.000). Entstanden ist diese neue Förderung aus einer gemeinsamen politischen Aktion von KünstlerInnen und VeranstalterInnen, die ein Schreiben an die Stadt gerichtet haben. Es folgten Angebote auf Veranstalterebene, um einen Platz für Aufführungen bieten zu können. Ganz wichtig ist, dass jedes Haus das für sich selbst finanziert. Die 150.000 wollten wir auf jeden Fall strukturfrei halten, um sie rein künstlerischen Projekten zugute kommen zu lassen. TURBO Veranstaltungen finden drei Mal pro Jahr statt, einmal im Tanzquartier, einmal bei ImPulsTanz, einmal bei imagetanz, in jeweils unterschiedlichen Formaten.
Die Formate werden bei imagetanz gemeinsam mit den KünstlerInnen entschieden. Das können Residencies sein oder öffentliche Momente. Davor und danach kümmere ich mich um die KünstlerInnen, biete also Unterstützung am Weg zum Projekt. Auch der Weg danach wird begleitet. Das heißt, ich bemühe mich um Möglichkeiten, weiter zu arbeiten oder um Gastspiele in anderen Städten. Mir ist sehr wichtig, dass Nachwuchsförderung nicht nur punktuell verstanden wird, im Sinne eines Entdeckens von Newcomern, sondern dass mittel- bis langfristige Begleitung angeboten wird, so notwendig.
CS: Zwischenfrage. Der Tanz tituliert sich häufig als junge Sparte. Obwohl der Tanz eine etablierte und vor allem sehr gegenwärtige Sparte darstellt, gerät dieser oft in eine unnötige Rechtfertigungsschiene. Braucht der Tanz, die Darstellende Kunst manchmal mehr Unterstützung als die Bildende Kunst oder ergeben sich differierende Produktionsstrukturen?
BK: Die Netzwerke der Wiener Theater sind nicht so offensichtlich und, das unterstelle ich an dieser Stelle, funktionieren auch nicht so gut. In der Darstellenden Kunst gibt es auf jeden Fall klare Netzwerke. Der Tanz ist die prekärere Sparte, aber die Zusammenarbeit funktioniert besser. Ein zu geschlossen unterstützendes System kann leicht nach Mafia aussehen. Diese Systeme sollten also möglichst offen sein, damit es nicht nur Insider und Outsider gibt. Von außen betrachtet sieht es manchmal so aus, als ob die Bildende Kunst verschlossener agiert als die Darstellende Kunst; das weiß man aber nicht
Die Theaternetzwerke scheinen ein bisschen schlechter zu funktionieren als die Tanznetzwerke. Zudem agiert der Tanz internationaler und unabhängiger von der Sprache. Aber ein großer Teil des Budgets der Stadt Wien fördert das Theater und nicht den Tanz. Es gibt mehr Theater- als Tanzgruppen in Wien. Der Tanz steht im Moment ziemlich gut da, ebenso der Begriff Performance. Der Tanz bietet die gegenwärtig wegbereitenderen Impulse für die Darstellende Kunst, als zum Beispiel das Theater in Wien. Die Wiener Theaterreform konnte der Tanz geschickter für sich nutzen als das Theater: Bestimmte Grabenkämpfe hat man hinter sich gelassen und sich gemeinsam für die Disziplin stark gemacht.
CS: Die Bildende Kunst debattiert seit den 70er Jahren die wechselseitigen Laufbahnen von KünstlerInnen und KuratorInnen. Heutige Diskussionen um die neue Rolle der KuratorInnen sprechen von Enthierarchisierung- durch den gemeinsamen Nenner Theorie oder von KuratorInnen, die als Socializer agieren. Wie sehen Sie Ihre Position in diesem Zusammenhang? Welche Themen bestimmen die Darstellende Kunst?
BK: Mein grundsätzliches Berufsziel war nicht Kuratorin. Ich habe seit elf Jahren als Produktionsleitung gearbeitet, demgegenüber vier Jahre als Kuratorin. Ich versuche also nicht, abgehoben zu kuratieren und möchte in der Nähe der Produktionszusammenhänge bleiben. Ich bin mir bewusst, welcher Kritik der Beruf der Kuratorin ausgesetzt ist, zu Recht. Wie jeder Beruf kann dieser missbräuchlich benutzt werden und vor allem kann jemand, der etwas gestaltet, auch schlecht gestalten. Man hat die Möglichkeit, Dinge in die Hand zu nehmen, das heißt, man hat eine bestimmte Macht, Dinge zu beeinflussen.
Ich setze mich sehr für die Vielfalt ein. Ich bin mir des Konflikts bewusst und versuche, ihn in Formaten wie dem TURBO aufzubrechen, indem ich sage: Wir kuratieren, wir gestalten gemeinsam. Ich lade auch die KünstlerInnen zu Kuratierungen ein. Der Beruf der Kuratorin kann Dinge in einen interessanten Zusammenhang bringen und die Arbeit der KünstlerInnen erleichtern. Eine gewisse Arbeitsteilung kann sinnvoll sein, muss aber immer wieder hinterfragt werden.
CS: Sobald die Generation Praktikum einen Job gefunden hat, erfordert die finanzielle Realität, mehrere Projekte anzunehmen. Die Arbeitsverhältnisse beruhen auf freiberuflicher Basis. Die Rolehopper der Digitalen Bohème arbeiten parallel als TheoretikerInnen, als KunstkritikerInnen, als KuratorInnen, als CompanymanagerInnen, als UniversitätsdozentInnen. Ergeben sich für den Kulturbereich in Zygmunt Baumanns flüssiger Moderne neue berufliche Spielräume, eine zunehmende Prekarisierung oder doch eine Interessenüberschneidung?
BK: In den letzten Jahren hat eine Prekarisierung und eine Amerikanisierung stattgefunden. Mehrere Jobs sind gleichzeitig unter einen Hut zu bringen. Ich denke hier an Paulo Virno und Die Kunst, sich an nichts zu gewöhnen. Ein Trend, der am Arbeitsmarkt passiert und die Kunst ist ein Bereich, in dem das grundsätzlich stattfindet. Persönlich leide ich darunter und profitiere gleichzeitig davon. Von meiner Tätigkeit als imagetanz Kuratorin kann ich nicht leben. Ich verdiene unter 1.000 netto pro Monat und damit weniger als so manche Supermarktkassiererin. Man ist also gezwungen, sich andere Jobs zu suchen oder das Ganze einfach hinzuschmeißen. Ich bastle mir meine Patchworkjobs.
Ich profitiere aber auch. Die Patchworkjobs sind eine inhaltliche Bereicherung, denn trotz aller Dramatik ergeben sich neue Aspekte. Neben imagetanz habe ich die Geschäftsführung von corpus übernommen, dem Internetmagazin für Tanz, Choreografie und Performance. Ich bin zudem Produktionsleitung für Matsune & Subal und kuratiere zum Teil beim CCL (choreographiccentrelinz, Anm.), und so weiter Das sind lauter interessante Jobs, die es nebeneinander zu organisieren gilt. Manchmal bleibt wenig Zeit für mich alleine übrig. Bei meinen Jobs überschneiden sich also tatsächlich die Interessen; ja, auch eine Prekarisierung ist festzustellen.
CS: dietheater Wien wurden in der Nachfolge von Christian Pronay zur Spielzeit 2007/08 neu besetzt. Die designierten künstlerischen Leiter Thomas Frank und Haiko Pfost werden Sie und das Festival imagetanz in ihr Team übernehmen. Welche Wünsche richten Sie an die Zukunft des Festivals?
BK: Natürlich werde ich imagetanz nicht ewig fortführen, es sind inzwischen vier Jahre. Bei bestimmter Nachfrage kann sich eine Nachfolge ergeben. Ich hätte kein Problem gehabt, bei dem künstlerischen Leitungswechsel jetzt zu gehen. In diesem Fall bin ich konkret gefragt worden, ob ich für die neue Leitung arbeiten möchte.
Tanz und Performance sollte es auch weiterhin am dietheater geben, sowie verschiedene Orte für Tanz und Perfomance in Wien. dietheater mag ein Ort davon sein. Unterschiedliche Spielorte können unterschiedliche Bedürfnisse abdecken. Ob in Zukunft imagetanz weitergeführt wird, kann ich noch nicht genau sagen. Vielleicht wird es zu einer Umbenennung kommen. In jedem Fall ein guter Moment, das ganze Festival mit seinem Strukturen und Formaten
auf den Tisch zu legen und auseinander zu nehmen. Eventuell bauen wir es wieder zusammen oder nicht!
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DR. CLAUDIA MARION STEMBERGER, MAS ist als freiberufliche Kulturmanagerin in Wien tätig. Bis Herbst 2005 Produktionsleitung des Tanzquartier Wien. Im Jahr 2003 Initiatorin und Co-Kuratorin der Ausstellung informing bodies in München. Erfahrung in künstlerischer Programmation, Festivalmanagement, Marketing, Presse, Sponsoring. JOINT ADVENTURES, SZENE Salzburg, Staatstheater am Gärtnerplatz.
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