24.04.2023
Themenreihe Berufsbild
Autor*in
Miriam Szwast
absolvierte ein Studium der Kunstgeschichte und anschließend ein Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 2013 arbeitet sie als Kuratorin für Fotografie am Museum Ludwig Köln, seit 2021 mit der Zusatzbezeichnung Kuratorin für Ökologie. Sie initiierte das Team Nachhaltigkeit am Museum Ludwig sowie das Green Culture Lab, ein Verbund lokaler klimaaktiver Kulturinstitutionen mit dem Ziel des gemeinsamen Lernens und Empowerns.
Berufsbilder im Kulturbereich
Kurator*in für Ökologie
Gesellschaftliche Entwicklungen auf Basis der eigenen Sammlungen abzubilden und mitzuprägen ist eine immer zentralere Aufgabe von Kurator*innen an Museen. Dazu braucht es neben den wissenschaftlichen zunehmend auch soziale Kompetenzen. Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Miriam Szwast vom Museum Ludwig Köln am Beispiel ihrer Tätigkeiten als Kuratorin für Ökologie und die Sammlung Fotografie.
Themenreihe Berufsbild
Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
Mein beruflicher Werdegang hin zur Kuratorin war recht geradlinig: erst Studium der Kunstgeschichte in Saarbrücken und Frankfurt a.M., dann Promotion in Hamburg, Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin und seit zehn Jahren Kuratorin am Museum Ludwig in Köln. Prägend waren für mich in den letzten Jahren Weiterbildungen, die mich meine berufliche Verantwortung und Vision neu haben denken lassen. Zuletzt war das eine Ausbildung zur Yin-Yoga-Lehrerin und die Weiterbildung zur Transformationsmanagerin Nachhaltige Kultur beim Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit. Ich empfinde es als ein ungeheures Privileg, lernen und wachsen zu dürfen. Das prägt natürlich auch, wie ich meinen Beruf im Wandel der Zeit ausfülle.
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Welche erfüllen Sie dabei mit besonderer Freude?
Als Kuratorin für Fotografie wurde ich 2013 angestellt, das heißt ich erforsche die Sammlung, mache Vorschläge für Erweiterungen und versuche die Werke auf vielfältige Weise zugänglich zu machen, sei es über unsere Datenbank, die dank meiner Kolleginnen der wissenschaftlichen Dokumentation laufend ergänzt wird, über individuelle Werkvorlagen, Ausstellungen und Publikationen.
Bei der Arbeit fiel mir immer wieder auf, wie viele Ressourcen wir als Museum verbrauchen und wie wenig Verantwortung wir dafür übernehmen mussten. Nachdem wir durch Untersuchungen des auf Nachhaltigkeit spezialisierten Beratungsunternehmens Julie’s Bicycle in Großbritannien gelernt hatten, wieviel Treibhausgase Museen ausstoßen, war klar: Wir müssen etwas tun. Also wurde ein Team Nachhaltigkeit gegründet, zudem rief ich das Green Culture Collective mit dem Ziel ins Leben, die Kölner Institutionen klimaneutral zu gestalten und die Biodiversität in der Stadt zu erhöhen. Nachdem im Museum klar war, dass wir Nachhaltigkeit zu unserer Arbeitsweise machen und dauerhaft verankern wollen, durfte ich 2021 meinen Aufgabenbereich offiziell erweitern und schlug den Titel "Kuratorin für Ökologie" vor. Eine klare Berufsbeschreibung gibt es nicht, aber für mich bedeutet es im Moment, einerseits Themen aus dem Bereich Ökologie und Natur im Programm zu etablieren, andererseits aber auch Impulse zur Verbesserung der Betriebsökologie zu geben. Das heißt, unser Treibhausgas-Fußabdruck soll als Museum möglichst klein werden. Gleichzeitig möchten wir als Institution mit der programmatischen Themensetzung für die Klimakrise, das Artensterben, deren Ursachen und Konsequenzen sensibilisieren, gemeinsam schlauer werden und zusammen ins Handeln kommen. Ich bin davon überzeugt, dass wir die sozial-ökologische Transformation nur schaffen, wenn uns ein Umdenken gelingt, ein Erkennen, was uns an diesen Punkt der Selbstzerstörung gebracht hat. Als Menschen, die im Museum arbeiten, mit Menschen, die zu uns kommen. Schön ist zu sehen, wieviel Fahrt die Nachhaltigkeit in der Kultur in den letzten Jahren aufgenommen hat. Insofern widme ich dem im Moment besonders viel Arbeitszeit. Gewisse betriebsökologische Standards müssen einfach aufgebaut werden. Perspektivisch möchte ich mich aber wieder ganz der Sammlungsarbeit und der Arbeit an Ausstellungen widmen, hoffentlich unterstützt von einer Person für Klimamanagement.
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
Im Studium waren das die Freiheit und Zeit, Themen ergründen zu dürfen, die mir wichtig erschienen, Umwege eingeschlossen. Daneben waren es vor allem die Dozent*innen und Vorgesetzen, die mich ermutigt haben, Dinge auszuprobieren, die mir Vertrauen entgegenbrachten und durch Feedback geholfen haben, Geist und Blick zu schärfen.
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
Die volle soziale und ökologische Verantwortung, die wir am Museum tragen, ist mir erst in den letzten Jahren zunehmend bewusst geworden. Auch fehlten mir Tools zum Arbeiten im Team. Wie gestaltet man Meetings wirklich produktiv? Wie gelingt es, Hierarchien abzubauen und Vielfalt zuzulassen? Da suche ich jetzt gezielt nach Workshops oder Literatur wie durch die Zeitschrift "Neue Narrative" oder Vernetzung und Weiterbildung in Sachen Klimaschutz, gewaltfreie Kommunikation, diskriminierungskritisches Arbeiten. Als ich studierte, in den später 90ern und 2000ern, war solches Praxiswissen in der Lehre und im Volontariat noch kein Thema. Und es ist gut, dass das Angebot zur Weiterbildung in die Richtungen gewachsen ist, damit wissenschaftliches, kuratorisches Arbeiten noch mehr als soziales Handeln begreiflich wird.
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
Viele Kurator*innen sind sensibler dafür geworden, dass ihr Wissen und ihre Stimme nur eine Perspektive auf die Kunst und die Welt darstellen. Und es ist auch deutlich geworden, dass sie als Entscheider*innen darüber, was wie gezeigt wird viel Einfluss darauf haben, wie unser kulturelles Gedächtnis geformt wird, wo wir hinschauen oder wohin eben nicht. Um hier inklusiver und diverser zu arbeiten, werden vielerorts neue Wege beschritten - es ist eine aufregende Zeit. Eine Zeit der Selbstreflexion und Transformation. Kunsthistorisches Wissen allein bringt uns da nicht weiter. Diskriminierungskritisches Arbeiten muss erlernt, Wissen über Treibhausgase und Klimaneutralität angeeignet, Projektarbeit im Team und Kommunikationsskills geübt werden, die weniger hierarchisch funktionieren und Partizipation ermöglichen. Wir müssen noch mehr eine Vision für die Zukunft entwickeln. Für wen ist das Museum da? Welche Denkweisen hindern uns daran, mehr Menschen zu erreichen? Solche Prozesse geschehen nicht frei von Reibung und Schmerz. Wohin uns das führt? Kürzlich habe ich mich gefragt, ob Museen nicht in Zukunft mehr wie Bibliotheken funktionieren werden, weniger kuratiert, mehr ein Raum für Entdeckungen und individuelle Streifzüge, mit freiem Eintritt und mehr Möglichkeiten zum Aufenthalt, über die gelegentliche Sitzbank hinaus. Ich stelle mir das schön vor.
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
Solche Situationen gibt es immer wieder! Aktuell ist es ein Auf und Ab der Gefühle, wenn ich beobachte, wie mühsam es ist, treibhausgasneutral zu werden und an einem Strang zu ziehen, wenn das Rad sich so schnell dreht wie im gewohnten Museumsbetrieb. Und dann wieder kommen wir einen Schritt voran und ich bin stolz auf uns und dankbar. Diese Gefühle gehören dazu. Und manchmal denke ich dann an Marcel Duchamp, manchmal ist Atmen erstmal genug, nicht? Und dann hilft mir oft der Blick auf Zwischenziele, sich mit anderen zusammentun.
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