04.04.2016
Autor*in
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Interview zum Fond Stadtgefährten der Kulturstiftung des Bundes
Stadtmuseen als aufgeschlossene, gesellige Stadtgefährten?
Während sich die Gesellschaft ständig verändert, kämpfen öffentliche Kultureinrichtungen wie Stadtmuseen mit steifen kommunalen Strukturen, Ressourcen-Mangel und Schwellenängsten zwischen fachlichem Anspruch und bürgerlichen Interessen. Die Kulturstiftung des Bundes möchte Stadtmuseen mit der Förderinitiative Stadtgefährten für experimentelle, gemeinschaftliche Projekte mit neuen Partnern dabei unterstützen, sich trotz solcher Hürden als sichtbare Orte des Austausches neu zu positionieren. Wir sprachen mit dem Programmverantwortlichen Carl Philipp Nies über Partizipation, innermuseale Reflexion, Kritik und Machtverhältnisse zwischen Häusern, Besuchern, Partnern und Förderern.
Das Interview führte Kristin Oswald
KMN: Sehr geehrter Herr Nies, der Ansatz der Stadtgefährten ist es, die Wahrnehmung von Stadtmuseen zu erhöhen, indem sie Projektkooperationen mit regionalen Partnern zu aktuellen Themen fördern. Warum bewertet die Bundeskulturstiftung diesen Ansatz als so wichtig?
Carl Philipp Nies: Eigentlich ist die Kulturstiftung des Bundes eher bekannt für Förderungen, die zeitgenössische Kunst und größere Leuchtturmprojekte betreffen. Aber sie ist auch daran interessiert, wie Kulturinstitutionen sich bei gesellschaftlichen Transformationsprozessen verhalten und weiterentwickeln können. In diesem Zusammenhang spielt es auch eine Rolle, wie Museen sich für die Zukunft aufstellen und welche Spielräume sie nutzen können, um auf die Herausforderungen einer transkulturellen Gesellschaft mit veränderter demografischer Zusammensetzung zu reagieren. Mit der Förderinitiative Stadtgefährten nehmen wir spezifisch die Stadtmuseen in den Fokus, weil diese ihre Potenziale noch nicht völlig ausschöpfen und auch aufgrund dessen zu wenig öffentlich wahrgenommen werden. Dabei können sie für gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Rolle spielen, weil sie nah an den Menschen vor Ort sind und deren Lebensumfeld Thema der Museen sein sollte. Es gibt repräsentative Beispiele von Museen aus dem In- und Ausland, deren aktive Arbeit mit unterschiedlichsten Gruppen in der Stadt zeigt, was für ein Motor sie sein und welche Werkzeuge sie liefern können, um über eine neue Gesellschaft nachzudenken.
KMN: Viele Stadtmuseen hoffen, mit dem Trend der Partizipation sichtbarer im Stadtraum zu werden. Dabei ist Teilhabe schon seit Kultur für alle ein Anspruch und auch Schwellenängste werden seit Längerem diskutiert. Warum kommt die Förderung der Kulturstiftung also erst jetzt?
Carl Philipp Nies: Es gab schon seit längerer Zeit die Überlegung, ein Programm für die Stadtmuseen zu initiieren. Aber bei der Kulturstiftung ist es mitunter ein langer Prozess, unterschiedliche Ansätze zu diskutieren und Optionen abzuwägen vor dem Hintergrund, was wir leisten können und was in unsere strategische Ausrichtung passt. Unsere Aufgabe ist es nicht, Löcher der Kommunen zu stopfen, sondern Zugänge zu entwickeln. Partizipation steht bei den Stadtgefährten nicht allein im Zentrum. Es geht vielmehr um einen Förderungsansatz für Partnerschaften, die die Museen eingehen, um mit den Communities vor Ort zu arbeiten und Experimente zu wagen. Sicher ist das Programm auch von Strömungen und Vorbildern abhängig, wie dem Historischen Museum Frankfurt oder dem Stadtmuseum Stuttgart, die gute und längerfristige Beispielprojekte durchgeführt haben. Auch kleinere Museen haben aus eigenem Antrieb oder mit der Unterstützung von Projektentwicklern schon Vorhaben mit den Menschen in ihrer Stadt und jenseits des klassischen Ehrenamtes umgesetzt. Hier lässt sich zwar ein Trend erkennen, aber wir springen nicht einfach auf einen kurzlebigen Zug auf. Vielmehr finden wir diesen Ansatz gerade für kleinere Museen wichtig, um ihre Relevanz für die BürgerInnen zu demonstrieren und die Rückbindung nicht zu verlieren.
KMN: Die BewohnerInnen vor Ort sollen mit den Stadtgefährten zur Mitwirkung und Identifikation mit dem Stadtmuseum eingeladen werden. Dass dies bisher nur bedingt geschieht, hat auch mit Deutungshoheiten und einem Mangel an Interesse zu tun. Können Einzelprojekte wie die Stadtgefährten hier helfen?
Carl Philipp Nies: Natürlich können wir aufgrund unserer Struktur nur Projekte als abgegrenzte Vorhaben fördern. Aber es ist uns schon wichtig, dass wir Impulse für eine nachhaltige Entwicklung, für eine Veränderung im Denken der MuseumskollegInnen und in der Wahrnehmung der Menschen geben. Wir stellen mit den Stadtgefährten den Stadtmuseen Geld und Zeit zur Verfügung, damit sie mit ihren PartnerInnen experimentieren, sich auf eine andere Weise kennenlernen und die Erkenntnisse dann auf Folgeprojekte übertragen können. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass nach einem gelungenen Pilotprojekt, zum Beispiel mit einem bürgerschaftlichen Verein, auch andere Gruppen aus der Stadt an solchen Prozessen teilhaben möchten. Es kann mit dem richtigen Impuls also über die zwei Jahre Förderzeit hinaus möglich gemacht werden, dass eine Partnerschaft mit veränderter Perspektive weiterläuft und sich die Museen für neue Ansätze öffnen. Wir erhoffen uns, dass diese Projekte beispielhaft für andere Museen sein können, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Gerade für die kleineren Häuser mit begrenzten personellen Kapazitäten ist es oft schwer, ein großes Projekt mit vielen PartnerInnen durchzuführen. Wenn es gute Beispiele dafür gibt, dass das funktionieren und eine gewisse Öffentlichkeit in der jeweiligen Stadt erreicht werden kann, kann das als Argumentationshilfe dienen.
KMN: Inwieweit bietet die Kulturstiftung mit den Stadtgefährten die Möglichkeit, sich mit erfolgreichen Projekten auszutauschen, voneinander zu lernen und Vorhandenes weiterzuentwickeln?
Carl Philipp Nies: Zu kommunizieren und das gewonnene Erfahrungswissen anderen zur Verfügung zu stellen, ist uns sehr wichtig. Wir fördern auch vorbildhafte Projekte mit innovativem Potenzial, um den kleineren Museen den Zugang zu erleichtern. Im Rahmen unserer Infotour zu Beginn der Förderinitiative hat sich gezeigt, dass die Beispiele der großen Häuser von ihnen oft als zu komplex empfunden werden, um sie auf sich anwenden zu können. Das kann auch nur begrenzt theoretisch passieren. Deswegen war es für uns ein wichtiger Aspekt, schon vor der Förderung Workshops dazu durchzuführen, wie man neue Ansätze und methodische Wege für Partizipation, Partnerschaften und Formate finden kann. Außerdem war der Ansatz, die Interessierten am Förderprogramm ins Gespräch mit uns und miteinander zu bringen. Das soll natürlich während der Programmlaufzeit fortgesetzt werden. Es wird mit den beteiligten Häusern Veranstaltungen zu den Projekten, Themen und eventuellen Problemen geben.
KMN: Damit sich ein Museum neu positionieren kann, braucht es Mut zum Ausprobieren und auch zum Scheitern. Wie viel Planung erwarten Sie vor der Antragstellung und wie viel Freiheit haben die Museen während der Projektlaufzeit, um damit zu experimentieren, was in ihrer Stadt und im jeweiligen Haus funktionieren kann?
Carl Philipp Nies: Wir erwarten im Antrag erst einmal ein Grundgerüst dazu, welche Methoden und Formen der Zusammenarbeit man wählen möchte. Zugleich lassen wir offen, welche Vermittlungsformate am Ende herauskommen sollen. Wichtiger ist, dass sich die Häuser darüber Gedanken machen, welche Potenziale es gibt und was die Partnerschaften für beide Seiten bedeuten sollen. Wo liegt der innovative Charakter der Zusammenarbeit? Wie kann etwas erreicht werden, das weder das Museum noch die PartnerInnen allein stemmen können? Und welche Arbeitsformen können die Partnerschaft mit Leben füllen, ohne sich zu vordefinierte Grenzen und Ziele zu setzen? Es geht also ebenso um Erwartungen, Rahmensetzungen und Gedanken, auch über um Messbarkeit der Ziele wie um die tatsächlichen Inhalte. Wichtig ist, dass es Gespräche über beiderseitige Erwartungen gibt und dass die PartnerInnen gemeinsam ein Vorhaben wählen, das konkret mit ihrer Stadt zu tun hat. Das ist für uns Voraussetzung, damit Interesse und Teilhabe wirklich gelingen können.
KMN: In der Ausschreibung und auch in den Auftakt-Workshops ging es um Organisationswandel und neue Formen einer kooperativen Arbeitsweise. Solche strukturellen Prozesse brauchen aber Zeit. Wie können die Stadtgefährten dabei helfen, dass auch intern längerfristig partizipative Strukturen Einkehr halten?
Carl Philipp Nies: Wir hoffen auf Museen, die genug Aufgeschlossenheit mitbringen, um den Aufbruch zu wagen. Natürlich werden Skepsis und Widerstand von Haus zu Haus unterschiedlich sein. Unsere Erwartung ist, dass sich die Museen durch das Experimentieren und Einlassen auf einen anderen Arbeitsstil für Einflüsse von außen und neue Ansätze öffnen. Funktionierende Projekte zeigen, dass Erfolg letztlich auch die SkeptikerInnen überzeugt. Wir ermöglichen einen Spielraum, der bewusst machen soll, dass sich museale Rollen und Strukturen verändern, und der durch die Konfrontation mit externen Erwartungen eine Reflexion der eigenen Arbeitsweise und internen Strukturen hervorruft. Auch dass für dieses Programm eine Projektleitung ins Museumsteam integriert wer-den kann, die zugleich Kommunikator zu den PartnerInnen ist, bringt neue Sichtweisen in ein Haus. Und solche neuen Sichtweisen und Aspekte sind dann für uns ein wichtiger Indikator für dauerhaftere Ansätze. Dafür werden wir während und auch nach der Förderinitiative als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir wissen aus Erfahrung, dass zum Beispiel Stadtverwaltungen mitunter sehr kritisch sind, wenn es um die Einbindung der Bürger in die städtische museale Arbeit, um konfliktbehaftete Themen oder neue Strukturen geht. Unser Ansatzpunkt ist, dass die Städte als Träger der Museen einen Eigenanteil einbringen. So fanden schon vorher eine Auseinandersetzung und ein Commitment statt. Wenn ein Projekt dann erfolgreich verläuft, wenn es gelingt, Menschen zu begeistern und Inhalte ins Museum zu tragen, ist das auch Argumentationsmaterial gegenüber MitarbeiterInnen oder Entscheidungsgremien für die Relevanz des Stadtmuseums.
KMN: Wie verhält es sich mit der Evaluierung der Projekte und der Förderinitiative? Nach welchen Kriterien bemessen Sie hier Qualität oder Relevanz?
Carl Philipp Nies: Wie wir Partizipation und Erfolg evaluieren können, ist nicht einfach zu beantworten, zumal wir derzeit noch nicht abschätzen können, wie die Projekte verlaufen werden. Auch über das Förderprogramm hinaus besteht ein Desiderat darin, Kriterien für erfolgreiche Teilhabe, für Veränderung oder Öffnung in Museen zu entwickeln. In der Diskussion kam zudem immer wieder die Frage, ob die Besucher- oder Teilnehmerzahl, die inhaltliche Qualität oder die Wirkung als Indikator entscheidend sind. Auch die Best-Practice-Beispiele und die größeren Häuser haben eine Unsicherheit, wie man das einschätzen kann. Durch den Experimentcharakter, weil jedes Haus erst eine Methodik und einen Weg für sich entwickeln muss, wird es schwierig sein, gewisse Aspekte mit harten Zahlen zu untermauern. Messbare Ziele zu definieren und sich mit den eigenen Erwartungen und Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen, gehört vielmehr zu den Aufgaben der geförderten Museen, ohne dass wir Werkzeuge vorgeben.
KMN: Was passiert, wenn sich zeigt, dass Partizipation nicht funktioniert oder ein Projekt zu scheitern droht?
Carl Philipp Nies: Es kann unterschiedliche Gründe dafür geben, dass ein Projekt nicht den Erfolg hat, der angestrebt wurde. Wenn man Experimente fördert, muss man sich bewusst sein, dass manche davon nicht den gewünschten Ausgang haben. Trotzdem waren sie nicht vergeblich, vielmehr setzt die Suche nach den Ursachen einen Lernprozess in Gang. Deswegen sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Wir wollen die Museen ermuntern, mutig zu sein, Ungewissheit und unplanbare Elemente einzukalkulieren, denn auch im Unerwarteten liegt Potenzial für eine anschließende Reflexion. Wir ermuntern die ProjektträgerInnen zu Gesprächen und versuchen auch selbst die Offenheit mitzubringen, im Zweifelsfall alternative Wege zu ermöglichen.
Carl Philipp Nies M.A. studierte Geschichts- und Literaturwissenschaften. Nach einer ersten beruflichen Station als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Museum Hannover, freien Projektmitarbeiten an mehreren niedersächsischen Stadtmuseen und im Bereich Stadtmarketing, war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stadtmuseum Borken (Westfalen) tätig. Hier erarbeitete er, u.a. gemeinsam mit Bürgerkuratoren aus der Stadt, Sonderausstellungen und Veranstaltungsformate; außerdem war er mit der Betreuung der kulturgeschichtlichen Sammlung betraut. Seit März 2015 ist er bei der Kulturstiftung des Bundes als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Fonds Stadtgefährten zuständig.
KMN: Sehr geehrter Herr Nies, der Ansatz der Stadtgefährten ist es, die Wahrnehmung von Stadtmuseen zu erhöhen, indem sie Projektkooperationen mit regionalen Partnern zu aktuellen Themen fördern. Warum bewertet die Bundeskulturstiftung diesen Ansatz als so wichtig?
Carl Philipp Nies: Eigentlich ist die Kulturstiftung des Bundes eher bekannt für Förderungen, die zeitgenössische Kunst und größere Leuchtturmprojekte betreffen. Aber sie ist auch daran interessiert, wie Kulturinstitutionen sich bei gesellschaftlichen Transformationsprozessen verhalten und weiterentwickeln können. In diesem Zusammenhang spielt es auch eine Rolle, wie Museen sich für die Zukunft aufstellen und welche Spielräume sie nutzen können, um auf die Herausforderungen einer transkulturellen Gesellschaft mit veränderter demografischer Zusammensetzung zu reagieren. Mit der Förderinitiative Stadtgefährten nehmen wir spezifisch die Stadtmuseen in den Fokus, weil diese ihre Potenziale noch nicht völlig ausschöpfen und auch aufgrund dessen zu wenig öffentlich wahrgenommen werden. Dabei können sie für gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Rolle spielen, weil sie nah an den Menschen vor Ort sind und deren Lebensumfeld Thema der Museen sein sollte. Es gibt repräsentative Beispiele von Museen aus dem In- und Ausland, deren aktive Arbeit mit unterschiedlichsten Gruppen in der Stadt zeigt, was für ein Motor sie sein und welche Werkzeuge sie liefern können, um über eine neue Gesellschaft nachzudenken.
KMN: Viele Stadtmuseen hoffen, mit dem Trend der Partizipation sichtbarer im Stadtraum zu werden. Dabei ist Teilhabe schon seit Kultur für alle ein Anspruch und auch Schwellenängste werden seit Längerem diskutiert. Warum kommt die Förderung der Kulturstiftung also erst jetzt?
Carl Philipp Nies: Es gab schon seit längerer Zeit die Überlegung, ein Programm für die Stadtmuseen zu initiieren. Aber bei der Kulturstiftung ist es mitunter ein langer Prozess, unterschiedliche Ansätze zu diskutieren und Optionen abzuwägen vor dem Hintergrund, was wir leisten können und was in unsere strategische Ausrichtung passt. Unsere Aufgabe ist es nicht, Löcher der Kommunen zu stopfen, sondern Zugänge zu entwickeln. Partizipation steht bei den Stadtgefährten nicht allein im Zentrum. Es geht vielmehr um einen Förderungsansatz für Partnerschaften, die die Museen eingehen, um mit den Communities vor Ort zu arbeiten und Experimente zu wagen. Sicher ist das Programm auch von Strömungen und Vorbildern abhängig, wie dem Historischen Museum Frankfurt oder dem Stadtmuseum Stuttgart, die gute und längerfristige Beispielprojekte durchgeführt haben. Auch kleinere Museen haben aus eigenem Antrieb oder mit der Unterstützung von Projektentwicklern schon Vorhaben mit den Menschen in ihrer Stadt und jenseits des klassischen Ehrenamtes umgesetzt. Hier lässt sich zwar ein Trend erkennen, aber wir springen nicht einfach auf einen kurzlebigen Zug auf. Vielmehr finden wir diesen Ansatz gerade für kleinere Museen wichtig, um ihre Relevanz für die BürgerInnen zu demonstrieren und die Rückbindung nicht zu verlieren.
KMN: Die BewohnerInnen vor Ort sollen mit den Stadtgefährten zur Mitwirkung und Identifikation mit dem Stadtmuseum eingeladen werden. Dass dies bisher nur bedingt geschieht, hat auch mit Deutungshoheiten und einem Mangel an Interesse zu tun. Können Einzelprojekte wie die Stadtgefährten hier helfen?
Carl Philipp Nies: Natürlich können wir aufgrund unserer Struktur nur Projekte als abgegrenzte Vorhaben fördern. Aber es ist uns schon wichtig, dass wir Impulse für eine nachhaltige Entwicklung, für eine Veränderung im Denken der MuseumskollegInnen und in der Wahrnehmung der Menschen geben. Wir stellen mit den Stadtgefährten den Stadtmuseen Geld und Zeit zur Verfügung, damit sie mit ihren PartnerInnen experimentieren, sich auf eine andere Weise kennenlernen und die Erkenntnisse dann auf Folgeprojekte übertragen können. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass nach einem gelungenen Pilotprojekt, zum Beispiel mit einem bürgerschaftlichen Verein, auch andere Gruppen aus der Stadt an solchen Prozessen teilhaben möchten. Es kann mit dem richtigen Impuls also über die zwei Jahre Förderzeit hinaus möglich gemacht werden, dass eine Partnerschaft mit veränderter Perspektive weiterläuft und sich die Museen für neue Ansätze öffnen. Wir erhoffen uns, dass diese Projekte beispielhaft für andere Museen sein können, um sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Gerade für die kleineren Häuser mit begrenzten personellen Kapazitäten ist es oft schwer, ein großes Projekt mit vielen PartnerInnen durchzuführen. Wenn es gute Beispiele dafür gibt, dass das funktionieren und eine gewisse Öffentlichkeit in der jeweiligen Stadt erreicht werden kann, kann das als Argumentationshilfe dienen.
KMN: Inwieweit bietet die Kulturstiftung mit den Stadtgefährten die Möglichkeit, sich mit erfolgreichen Projekten auszutauschen, voneinander zu lernen und Vorhandenes weiterzuentwickeln?
Carl Philipp Nies: Zu kommunizieren und das gewonnene Erfahrungswissen anderen zur Verfügung zu stellen, ist uns sehr wichtig. Wir fördern auch vorbildhafte Projekte mit innovativem Potenzial, um den kleineren Museen den Zugang zu erleichtern. Im Rahmen unserer Infotour zu Beginn der Förderinitiative hat sich gezeigt, dass die Beispiele der großen Häuser von ihnen oft als zu komplex empfunden werden, um sie auf sich anwenden zu können. Das kann auch nur begrenzt theoretisch passieren. Deswegen war es für uns ein wichtiger Aspekt, schon vor der Förderung Workshops dazu durchzuführen, wie man neue Ansätze und methodische Wege für Partizipation, Partnerschaften und Formate finden kann. Außerdem war der Ansatz, die Interessierten am Förderprogramm ins Gespräch mit uns und miteinander zu bringen. Das soll natürlich während der Programmlaufzeit fortgesetzt werden. Es wird mit den beteiligten Häusern Veranstaltungen zu den Projekten, Themen und eventuellen Problemen geben.
KMN: Damit sich ein Museum neu positionieren kann, braucht es Mut zum Ausprobieren und auch zum Scheitern. Wie viel Planung erwarten Sie vor der Antragstellung und wie viel Freiheit haben die Museen während der Projektlaufzeit, um damit zu experimentieren, was in ihrer Stadt und im jeweiligen Haus funktionieren kann?
Carl Philipp Nies: Wir erwarten im Antrag erst einmal ein Grundgerüst dazu, welche Methoden und Formen der Zusammenarbeit man wählen möchte. Zugleich lassen wir offen, welche Vermittlungsformate am Ende herauskommen sollen. Wichtiger ist, dass sich die Häuser darüber Gedanken machen, welche Potenziale es gibt und was die Partnerschaften für beide Seiten bedeuten sollen. Wo liegt der innovative Charakter der Zusammenarbeit? Wie kann etwas erreicht werden, das weder das Museum noch die PartnerInnen allein stemmen können? Und welche Arbeitsformen können die Partnerschaft mit Leben füllen, ohne sich zu vordefinierte Grenzen und Ziele zu setzen? Es geht also ebenso um Erwartungen, Rahmensetzungen und Gedanken, auch über um Messbarkeit der Ziele wie um die tatsächlichen Inhalte. Wichtig ist, dass es Gespräche über beiderseitige Erwartungen gibt und dass die PartnerInnen gemeinsam ein Vorhaben wählen, das konkret mit ihrer Stadt zu tun hat. Das ist für uns Voraussetzung, damit Interesse und Teilhabe wirklich gelingen können.
KMN: In der Ausschreibung und auch in den Auftakt-Workshops ging es um Organisationswandel und neue Formen einer kooperativen Arbeitsweise. Solche strukturellen Prozesse brauchen aber Zeit. Wie können die Stadtgefährten dabei helfen, dass auch intern längerfristig partizipative Strukturen Einkehr halten?
Carl Philipp Nies: Wir hoffen auf Museen, die genug Aufgeschlossenheit mitbringen, um den Aufbruch zu wagen. Natürlich werden Skepsis und Widerstand von Haus zu Haus unterschiedlich sein. Unsere Erwartung ist, dass sich die Museen durch das Experimentieren und Einlassen auf einen anderen Arbeitsstil für Einflüsse von außen und neue Ansätze öffnen. Funktionierende Projekte zeigen, dass Erfolg letztlich auch die SkeptikerInnen überzeugt. Wir ermöglichen einen Spielraum, der bewusst machen soll, dass sich museale Rollen und Strukturen verändern, und der durch die Konfrontation mit externen Erwartungen eine Reflexion der eigenen Arbeitsweise und internen Strukturen hervorruft. Auch dass für dieses Programm eine Projektleitung ins Museumsteam integriert wer-den kann, die zugleich Kommunikator zu den PartnerInnen ist, bringt neue Sichtweisen in ein Haus. Und solche neuen Sichtweisen und Aspekte sind dann für uns ein wichtiger Indikator für dauerhaftere Ansätze. Dafür werden wir während und auch nach der Förderinitiative als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Wir wissen aus Erfahrung, dass zum Beispiel Stadtverwaltungen mitunter sehr kritisch sind, wenn es um die Einbindung der Bürger in die städtische museale Arbeit, um konfliktbehaftete Themen oder neue Strukturen geht. Unser Ansatzpunkt ist, dass die Städte als Träger der Museen einen Eigenanteil einbringen. So fanden schon vorher eine Auseinandersetzung und ein Commitment statt. Wenn ein Projekt dann erfolgreich verläuft, wenn es gelingt, Menschen zu begeistern und Inhalte ins Museum zu tragen, ist das auch Argumentationsmaterial gegenüber MitarbeiterInnen oder Entscheidungsgremien für die Relevanz des Stadtmuseums.
KMN: Wie verhält es sich mit der Evaluierung der Projekte und der Förderinitiative? Nach welchen Kriterien bemessen Sie hier Qualität oder Relevanz?
Carl Philipp Nies: Wie wir Partizipation und Erfolg evaluieren können, ist nicht einfach zu beantworten, zumal wir derzeit noch nicht abschätzen können, wie die Projekte verlaufen werden. Auch über das Förderprogramm hinaus besteht ein Desiderat darin, Kriterien für erfolgreiche Teilhabe, für Veränderung oder Öffnung in Museen zu entwickeln. In der Diskussion kam zudem immer wieder die Frage, ob die Besucher- oder Teilnehmerzahl, die inhaltliche Qualität oder die Wirkung als Indikator entscheidend sind. Auch die Best-Practice-Beispiele und die größeren Häuser haben eine Unsicherheit, wie man das einschätzen kann. Durch den Experimentcharakter, weil jedes Haus erst eine Methodik und einen Weg für sich entwickeln muss, wird es schwierig sein, gewisse Aspekte mit harten Zahlen zu untermauern. Messbare Ziele zu definieren und sich mit den eigenen Erwartungen und Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen, gehört vielmehr zu den Aufgaben der geförderten Museen, ohne dass wir Werkzeuge vorgeben.
KMN: Was passiert, wenn sich zeigt, dass Partizipation nicht funktioniert oder ein Projekt zu scheitern droht?
Carl Philipp Nies: Es kann unterschiedliche Gründe dafür geben, dass ein Projekt nicht den Erfolg hat, der angestrebt wurde. Wenn man Experimente fördert, muss man sich bewusst sein, dass manche davon nicht den gewünschten Ausgang haben. Trotzdem waren sie nicht vergeblich, vielmehr setzt die Suche nach den Ursachen einen Lernprozess in Gang. Deswegen sollte man sich davon nicht abschrecken lassen. Wir wollen die Museen ermuntern, mutig zu sein, Ungewissheit und unplanbare Elemente einzukalkulieren, denn auch im Unerwarteten liegt Potenzial für eine anschließende Reflexion. Wir ermuntern die ProjektträgerInnen zu Gesprächen und versuchen auch selbst die Offenheit mitzubringen, im Zweifelsfall alternative Wege zu ermöglichen.
Carl Philipp Nies M.A. studierte Geschichts- und Literaturwissenschaften. Nach einer ersten beruflichen Station als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Museum Hannover, freien Projektmitarbeiten an mehreren niedersächsischen Stadtmuseen und im Bereich Stadtmarketing, war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Stadtmuseum Borken (Westfalen) tätig. Hier erarbeitete er, u.a. gemeinsam mit Bürgerkuratoren aus der Stadt, Sonderausstellungen und Veranstaltungsformate; außerdem war er mit der Betreuung der kulturgeschichtlichen Sammlung betraut. Seit März 2015 ist er bei der Kulturstiftung des Bundes als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Fonds Stadtgefährten zuständig.
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