07.03.2016
Autor*in
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Kultur in der Welt von morgen
Wie spielen Kulturmanagement und Kulturpolitik in der Zukunftsstadt zusammen?
Im März endet das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerufene Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie Städte zu nachhaltigen Wohn- und Wirtschaftsorten werden können. Unzählige Projekte und Veranstaltungen wurden für diesen Anlass ins Leben gerufen und auch künstlerische Ansätze nicht außer Acht gelassen. Beiträge von KulturmanagerInnen zu ihren Aufgaben in der Zukunftsstadt fehlten hingegen völlig. Deshalb begeben wir uns in dieser Reihe begeben auf eine Spurensuche, diesmal nach der Kulturpolitik in der Stadt von morgen.
Im ersten Beitrag haben wir uns angeschaut, bei welchen Aspekten des Themas Zukunftsstadt sich KulturmanagerInnen positionieren und aktiv einbringen sollten.
Bürger und Kulturpolitik
Ein zentrales Anliegen jedes Wissenschaftsjahres ist es, umfassend über das jeweilige Thema zu informieren. Da Transparenz und Partizipation Schlagwörter des digitalen Zeitalters sind, wundert es nicht, dass im Zentrum vieler Projekte Bürgerbeteiligung etwa im Bereich öffentliche Verwaltung oder digitale Foren standen, in denen BürgerInnen Planungsvorlagen aus der Stadtverwaltung kommentieren oder eigene Ideen einbringen können. Da wäre es naheliegend gewesen, das Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt als Anlass zu nehmen, um die BürgerInnen zu fragen, was sie von der örtlichen Kulturpolitik oder der Verteilung der Gelder für die städtischen Kulturangebote halten. So ließe sich herausfinden, wie Kultureinrichtungen ihre Angebote auf die Themen der Zukunftsstadt ausrichten können. Auch eine stärkere Beteiligung von KulturmanagerInnen als Experten und Vertreter ihrer Institutionen/ des Kulturbereiches an in den Städten geführte Debatten um brachliegende Areale, demografische Entwicklung oder Freizeitgestaltung wäre ein Weg, die Zukunftsstadt stärker strategisch mitzuprägen.
Doch mit dem Konjunktiv ist es so eine Sache. Projekte aus dem Bereich Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung gibt es seit langem. Kultur ist in den meisten von ihnen wenn überhaupt jedoch nur ein Unterthema, wie in den Formaten des Wissenschaftsjahres primär mit künstlerischen und nicht kulturmanagerialen Schwerpunkten. Von gesellschaftlichem Mehrwert oder Kulturpolitik findet sich in den Partizipationsprojekten der Zukunftsstadt kaum eine Spur. Und wie in unserem ersten Beitrag dieser Reihe stellt sich die Frage: Beteiligen sich die KulturmanagerInnen zu wenig oder werden sie von den Verantwortlichen schlicht vergessen?
Wie es gehen kann, zeigt die Stadt Chemnitz. Sie ist einer der Gewinner der Morgenstadt City Challenge, bei der innovative, nachhaltige Zukunftsprojekte entwickelt werden in Chemnitz mit großen Herausforderungen in den Bereichen Demografie und Gemeinschaft. Seit Januar 2015 macht die Stadt im Modellprojekt Bürgerhaushalt ihre Einnahmen, Ausgaben und Planungen online verfügbar, wo sie von den Bürgern diskutiert und ergänzt werden können. Ein zentrales Projekt war dabei eine Beteiligungsplattform zur Freien Kultur. Hier wurden online und als Broschüre Informationen rund um das Thema Kulturhaushalt und diejenigen Initiativen vorgestellt, die im Vorjahr durch die Kulturförderung der Stadt Chemnitz unterstützt wurden. Eine recht hohe Zahl an BürgerInnen äußerte sich dabei zum Umfang der Angebote, den Projekten selbst, zum Haushaltsbudget und zur Förderpraxis. Ihre Meinungen wurden als Informationsvorlage für die Haushaltsdiskussionen aufbereitet, bei denen nicht anhand der Resonanz, sondern anhand der Potenziale der Projekte für neue Ideen entscheiden wird. Das Anliegen der Bürgerbeteiligung war also, Haushaltsentscheidungen transparent zu machen, die Akzeptanz für den städtischen Haushalt zu erhöhen und mittels Dialog die Bürger dazu zu animieren, sich einzubringen. Auf diese Weise werden der städtischen Politik Entscheidungshilfen bereitgestellt und auch den Kultureinrichtungen bietet sich die Möglichkeit, in einen Austausch mit potentiellen BesucherInnen zu kommen und deren Meinungen und Fragen in ihre inhaltliche und strategische Planung einzubeziehen.
Solche Ansätze will auch der zum Wissenschaftsjahr gehörende Wettbewerb »Zukunftsstadt« fördern. In 50 Städten sollen gemeinsam mit einer breiten Palette an AkteurInnen nachhaltige und ganzheitliche Visionen 2030 entwickelt werden, bei denen es neben den Kernthemen Energie oder Mobilität auch um Freizeit, Bildung, Engagement, Gemeinschaft und Kultur geht. Wie beim Wettbewerb Land der Ideen, den wir im ersten Beitrag vorgestellt haben, können KulturmanagerInnen sich hier von innovativen Projekten inspirieren lassen. Mit den Ergebnissen ist zwar erst 2018 zu rechnen, doch Ansätze für Kooperationen und Transformationen lassen sich sicher auch schon vorher ziehen, um das Kulturmanagement für die Zukunftsstadt fit zu machen.
Smarte Städte, smarte Kultur
Neben E-Government-Projekten oder Foren zur Bürgerbeteiligung bekommt unter dem Schlagwort Smart City die digitale Vernetzung von Geräten, Orten und Angeboten immer mehr Aufmerksamkeit. Damit beschäftigen sich etwa die Forscher der Gruppe Smart Cities des KIT Smart Data Innovation Lab (SDIL). Und auch die Stadt Hamburg hat gerade eine großangelegte Smart City-Kampagne ins Leben gerufen, um mittels intelligenter, innovativer Infrastrukturen die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Bei beiden Projekten stehen die Themen Mobilität und Nachhaltigkeit im Vordergrund, kulturelle Infrastrukturen und deren digitale Vernetzung mit anderen Angeboten der Stadt hingegen weniger. So hat Hamburg den Kultur-Bereich aus dem Smart City-Ansatz ausgegliedert. Stattdessen soll ein Private Public Partnership-Konsortium ein digitales Kulturkonzept mit neuen Geschäftsmodellen entwickeln, auf dessen Basis sich einzelne Kultureinrichtungen für Projektideen um Förderung bewerben können.
Wie eine übergreifende Einbindung von Kultur in die Smart City-Strategie einer Stadt und damit in die Stadtentwicklung funktionieren kann, zeigt das Beispiel Magdeburg. Hier entsteht derzeit ein sogenannter digitaler Erlebnisraum, der die Stadt mittels ortsbezogener Apps und Informationen zu den Bereichen Kultur, Kunst, Sport und Geschichte individuell und einfach für BürgerInnen und BesucherInnen erfahrbar machen will. Das besondere ist neben dem digitalen vor allem der kooperative Ansatz, der Institutionen und AkteurInnen aus einer Vielzahl an städtischen Bereichen verbindet und spill-over-Effekte fördert. So können spezielle Angebote für Museen oder Kulturveranstaltungen Hand in Hand mit anderen Bedürfnissen der BürgerInnen und den Standortfaktoren Magdeburgs gehen und mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren. Der digitale Erlebnisraum ist damit ein Marketinginstrument, das spezifisch zugeschnittene Inhalte, technische und designerische Lösungen, Möglichkeiten für digitale Kommunikation und die Auswertung der Nutzungsdaten zur stetigen Verbesserung der Angebote vereint. Auf diese Weise tragen alle Beteiligten gemeinsam dazu bei, die Attraktivität der Region gegenüber Investoren und Interessenten zu kommunizieren. Kultur steht hier nicht als Alleinkämpfer für sich und wird auch nicht von übergeordneten Stadtmarketing-Verantwortlichen vereinnahmt, sondern bildet einen festen und aktiven Teil eines übergreifenden Projekts.
Die hohe Komplexität einer solchen ressortubergreifenden Gesamtsicht stellt hohe Anforderungen an die konzeptionellen Strukturen, Verantwortlichkeiten und beteiligten KulturmanagerInnen. Hier bietet sich die Möglichkeit, die strukturellen Stärken und Schwächen der städtischen Kultureinrichtungen zu analysieren und sie mit Blick auf die Gesamtheit des künftigen, smarten Lebensumfeldes und Wirtschaftsraumes Magdeburg zu verbessern. Diese strukturierte Darstellung der verschiedenen städtischen Einflussfaktoren soll zur Standortentwicklung beitragen und eine nachhaltige Anwendung der Projektergebnisse gewährleisten. Damit ist dieses Projekt weitaus übergreifender als ein einzelnes Kultur- oder Forschungsprojekt zur Zukunftsstadt und ermöglicht neue Formen der Stadtplanung und Kooperation für die öffentlichen Einrichtungen und der Mitformung des künftigen Lebensraumes Stadt.
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