17.12.2014

Autor*in

Uwe Wagner
studierte Wirtschaftsinformatik, Kulturmanagement und International Music Management. Nach verschiedenen Stationen in der privatwirtschaftlichen Kulturförderung und im öffentlichen Kulturbereich ist er Kulturamtsleiter der Stadt Gersthofen. Zuvor war er unter anderem Geschäftsführer der Neunkircher Kulturgesellschaft gGmbH und Verwaltungsleiter beim Rheingau Musik Festival. 
Kommentar

Mindestkultur Teil IV - eine Gefahr für die Festivallandschaft?

Ab dem 1. Januar 2015 wird in Deutschland ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 /Stunde gelten. In unserer Reihe Mindestkultur lassen wir Vertreter der Kultursparten und verschiedener Bereiche des Kulturmanagements dazu zu Wort kommen. Uwe Wagner, Geschäftsführer der Neunkircher Kulturgesellschaft GmbH, hat sich angesehen, was der Mindestlohn für die Vielfalt an Angestelltenverhältnissen bei den inzwischen über 500 Musikfestivals in Deutschland bedeuten wird.
Es ist eine große Herausforderung, Aussagen zu treffen, die für die komplexe Vielfalt an Festivalformen und deren steigende Menge gelten deren Anzahl hat sich in den letzten 20 Jahren nach Angaben des Deutschen Musikinformationszentrums (MIZ) fast vervierfacht. Der einzige gemeinsame Nenner scheint auf den ersten Blick zu sein, dass kulturelle Veranstaltungen auf die Bühne gebracht werden. Daher soll an dieser Stelle auf allgemeingültige Aussagen verzichtet werden und vielmehr der Blick auf Aspekte gerichtet werden, die möglicherweise nicht sofort auf der Hand liegen.

Mindestlohn, Angebot und Nachfrage

Die Gesetzesänderung wird auf jeden Festivalanbieter zumindest geringe Auswirkungen haben. Selbst wenn nur die Konkurrenz betroffen sein sollte, so wird diese doch zu Veränderungen gezwungen - und damit der Markt beeinflusst. Die Höhe der Personalkosten ist direkt betroffen, sollte es einen Personenkreis geben, der bisher unter der Mindestlohngrenze von 8,50 Euro bezahlt wurde. Indirekte Auswirkungen werden für ausgelagerte Aufgabengebiete wie Garderobendienste oder andere Serviceleistungen wirksam.

Im erstgenannten Fall greift der gesetzliche Mindestlohn direkt und bewirkt, dass Festivalveranstalter den Lohn bzw. das Gehalt anheben müssen. Die in der Konsequenz gestiegenen Personalkosten müssen entweder im Gesamtetat aufgefangen oder an die Kunden und Gäste weitergegeben werden. Im Extremfall kann es dadurch zu einer existenzbedrohenden Situation kommen, die vor allem kleinere Festivals betreffen dürfte. Der weitaus größere Part der Festivalveranstalter dürfte seine Angestellten bereits entsprechend entlohnen, was wiederum den ausbleibenden Empörungsruf erklärt.

Outsourcing, Nebenjobs und Praktikanten

Betrachtet man die Thematik Mindestlohn im Festivalbereich etwas detaillierter, so kann man schnell bestimmte Arbeitsvorgänge identifizieren, die typischerweise bei einem Festival je nach Größe und Örtlichkeit in verschiedenen Dimensionen anfallen. Der bereits angesprochene Garderobendienst ist ein solcher Fall, die Einlasskontrolle, die Platzanweisung, der CD- und Programmverkauf oder andere Servicedienste. Aufgaben, die nicht unbedingt ein hohes Vorwissen erfordern, aber meist dennoch elementar sind. Das Etatproblem in diesem Bereich wurde bereits in der Vergangenheit sehr unterschiedlich gelöst. Entweder mit Freiwilligen, wie dies bspw. die Ludwigsburger Schloßfestspiele seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich der Platzanweisung praktizieren oder mit Schülern und Studenten, die kurzfristig angestellt werden und für die diese Tätigkeiten eine willkommene Abwechslung abseits vom Zeitungen Austragen oder Kellnern darstellt. Allein das Rheingau Musik Festival kann jedes Jahr auf die Dienste von beinahe 100 Studenten und Schülern der Region zurückgreifen.

Sicherlich wird es interessant sein, zu beobachten, wie die einzelnen Festivalanbieter mit diesem direkt betroffenen Themenbereich umgehen und wie neue Lösungsansätze etwa durch neue Formen des Ehrenamts, erhöhte Ticketpreise oder Einsparungen in anderen Bereichen gefunden werden.

Festivals und Gastronomie


Sind diese Servicedienste dagegen ausgelagert und werden von externen Firmen übernommen, sind die Auswirkungen unklar. Werden mögliche zusätzliche Kosten direkt an den Auftraggeber weiter gereicht oder auf anderen Wegen refinanziert? Der Wettbewerb, der gerade im Dienstleistungs- und Leiharbeitssektor als äußerst hart beschrieben wird, wird eine direkte Weitergabe an den Veranstalter sicherlich erschweren.

Ein problematischer Bereich für Festivals dürfte die enge Verzahnung mit der Gastronomiebranche darstellen. Bekannterweise werden dort Löhne gezahlt, die häufig unter der Mindestlohngrenze liegen dürften. Gastronomie ist personalintensiv, dementsprechend deutlich werden die finanziellen Effekte der neuen gesetzlichen Regelungen sein. Festivals, die das gastronomische Angebot selbst stellen und bei denen der Gewinn einen festen Bestandteil des wirtschaftlichen Fundaments darstellt (vor allem im U-Musik Bereich ist dies häufig anzutreffen), werden möglicherweise ihre Kalkulation völlig überdenken müssen.

Aber auch für Veranstalter, die dieses Angebot über externe Gastronomen abbilden, ist die Situation nicht weniger kritisch zu sehen. Denn der Gast unterscheidet selten zwischen der Verantwortung eines Veranstalters und eines Gastronomen. Für ihn ist das Gesamterlebnis entscheidend und somit auch das Gesamtbudget. Höhere Preise beim Getränkestand können daher ähnliche negative Reaktionen nach sich ziehen, wie höhere Ticketpreise. Der Gast möchte einen schöne Veranstaltung erleben ob der höhere Preis beim Parken oder Sekt anfällt, ist zweitrangig.

Natürliche Auslese?

500 Musikfestivals in Deutschland darunter sind einige kleine, deren Macher dieses eine Wochenende Musik mit vielen ebenfalls musikbegeisterten Gästen als ihr Herzstück betrachten. Leider könnte der Mindestlohn gerade der U-Musikszene einen Bärendienst erweisen, denn häufig können diese Festivals nur durch Mischformen aus Ehrenamt und Niedriglohnbereich wie bspw. Minijob überleben. Das Gesetz wird zumindest nach heutigem Stand unflexibel und möglicherweise auch unverhältnismäßig in diesen Bereich eingreifen. Es wird dadurch nicht nur einige kleinere Festivals an den Rand der Existenz bringen, sondern vor allem verhindern, dass neue entstehen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Korrekturen herbeizuführen, um ein künstlerisches Biotop und ein enormes kreatives Potential zu schützen.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der gesetzliche Mindestlohn eine neue Herausforderung für Festivalveranstalter darstellt. Ob dies automatisch zu höheren Preisen beim Endkunden führt, ob ein Ausleseprozess der bereits bestehenden Festivals stattfindet oder dies zu einer Begrenzung des schnellen Wachstums der Festivallandschaft führt, werden die nächsten Jahre zeigen. Bei aller Komplexität des Themas und den damit verbundenen Unsicherheiten lässt sich dennoch mit Sicherheit feststellen, dass die Festivallandschaft schwierigen Zeiten entgegen geht. Audience Development, also eine neue, direktere Besucheransprache und bindung, sowie eine Anpassung des Programmes an deren Vorwissen und Vorstellungen, werden bereits seit einigen Jahren in der Kultur thematisiert. Spätestens mit dem Mindestlohn werden neben internen Umstrukturierungen auch diese Themen für die Festivallandschaft eine zunehmende Bedeutung erhalten, um sinkenden Besucherzahlen entgegenzuwirken, die Einnahmen zu erhöhen und die höheren Kosten durch eine Optimierung der Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Anhand dessen wird sich entscheiden, ob das reiche und vielseitige Angebot an Festivals in Deutschland erhalten werden soll und kann.

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