18.05.2016
Themenreihe Preise & Ticketing
Autor*in
Tom Schößler
ist kaufmännischer Geschäftsleiter und Stiftungsvorstand der Weserburg Museum für moderne Kunst in Bremen. Zuvor war er u.a. Verwaltungsleiter im Theaterhaus Stuttgart. Er beteiligt er sich an Forschungsprojekten und Publikationen mit den Schwerpunkten Kulturmarketing und Kulturfinanzierung und ist als Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen tätig.
Rückblick Ticketing Technology Forum 2016
Die Zukunft des Ticketings
Theater, Veranstalter, Eventhallen, Stadien sie alle bieten unterschiedliche Produkte und Leistungen an, haben aber eines gemein: Sie verkaufen ein Erlebnis. Ganz praktisch heißt das, sie müssen Tickets absetzen get the butts in the seats sagt man im Englischen dazu. Öffentliche und gemeinnützige Kultureinrichtungen können sich dabei einiges von kommerziellen Anbietern abschauen, auch ohne ihrem Auftrag zu entsagen.
Themenreihe Preise & Ticketing
Für ganzheitliches Kulturmanagement unverzichtbar
Das Kulturmanagement kennt einige Kernfunktionen, die jeder schnell aufzählen kann: Finanzierung, das betriebswirtschaftliche Management, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sowie das Personalmanagement eines Hauses. Sie sind in den meisten Kulturmanagement-Studiengängen Pflichtprogramm. Einen Bereich gibt es allerdings, der für die effiziente Führung eines Veranstaltungsbetriebs von elementarer Bedeutung ist, in Ausbildung und Praxis von KulturmanagerInnen aber selten tiefgehend diskutiert und erprobt wird: Die Rede ist vom Ticketing.
Der Verkauf von Tickets gehört in den Bereich des Vertriebs, ist aber ebenso relevant aus Sicht des Marketings, denn er ist Teil der Distributionspolitik und damit eines der 4P im Marketingmix (product, price, place, promotion). Durch den Vertrieb wird die Kundenkommunikation enorm beeinflusst und die generelle strategische Ausrichtung eines Hauses nach außen sichtbar. Es ist ein Bereich, in dem vor allem dank des Vorverkaufs für Veranstaltungen die größte Datenmenge über Kulturbesucher, Möglichkeiten zur Erlössteigerung und zentrale Aspekte der Kundenkommunikation zusammenlaufen. Zwar machen die Eintrittserlöse im öffentlich geförderten Kulturbetrieb nur einen geringen Teil der Einnahmen aus, darauf verzichten kann indes keiner. Ticketing ist mittlerweile aber viel mehr als der Kartenverkauf es ist zu einem komplexen Aufgabenfeld des Kulturmanagements gewachsen, auch wegen der technischen Fortschritte. Allein das Abonnement-System ist in manchen Theatern eine Meisterleistung von Disposition und Distribution. Dass dank gezielter Maßnahmen mehr Karten verkauft werden können, weil Besucher dank passender Angebote öfter kommen und vielleicht auch einmal etwas ausprobieren, von dem sie sonst nichts erfahren hätten, das sind zusätzlich reizvolle Perspektiven für den Vertrieb. Die Verkaufsdaten können darüber hinaus genutzt werden, um zu lernen, was Besucher wie, wann und wo kaufen. Sie sollten also auch als Teil der Besucherforschung gesehen werden.
Wo sich die Branche trifft: Das Ticketing Technology Forum
Wo sich die Branche trifft: Das Ticketing Technology Forum
Wer sich mit Ticketing beschäftigt weiß, das ist kein leichter Job. Das Aufgabenfeld umfasst auch, sich über die rasanten Entwicklungen der Technik, die im Ticketing steckt, auf dem Laufenden zu halten. Kein Wunder also, dass die Branche ihre Treffen und Konferenzen hat, bei denen die neuesten Trends, Tools und Kenntnisse ausgetauscht werden. Die größte Konferenz in Europa ist das Ticketing Technology Forum, das vom 27. bis 28. April 2016 zum vierten Mal stattfand. Viele namhafte Akteure aus Ticketing und Live-Entertainment kommen jährlich an wechselnden Orten zusammen, diesmal in Dublin. Nach Angaben des Veranstalters hörten über 400 TeilnehmerInnen aus 28 Ländern die Vorträge von 40 ExpertInnen, darunter waren Präsentationen von AmazonTickets, Google, SAP, von Broadway Theatern, Cirque de Soleil und Hollywood-Produzenten.
Live-Entertainment ohne Grenzen
Live-Entertainment ohne Grenzen
Unter den TeilnehmerInnen waren nicht nur die international agierenden Ticketing-Anbieter wie Ticketmaster, Live Nation, StubHub, CTS Eventim usw., auch viele Start-Ups präsentierten ihre Innovationen. Daneben kamen Betreiber von Hallen, Arenen, Kulturzentren, Theatern, Opern und sogar Stadien. Diese Mischung war ein besonders spannender Aspekt der Konferenz: Im englischsprachigen Raum wird Live-Entertainment weit gefasst, ähnlich wie es in den Creative Industries üblich ist. Sport, Unterhaltung und Kunst werden in Sachen Ticketing als Teil einer Branche begriffen, die unterschiedlichen inhaltlichen Bedingungen werden respektiert. Zwischen einem Fußballspiel und einer Oper mögen einerseits Welten liegen, andererseits sind viele Herausforderungen des Ticketings ähnlich. Die Konferenz ist zwar zuvorderst ein Branchentreff der Anbieter von Ticketing-Software und allen denkbaren Dienstleistungen in dieser Branche (Datensicherheit, 3D-Visualisierung, Mobile- und Cloud-Anwendungen, Datenanalyse usw.). Aber in einem sind sich alle einig: Sie wollen Ihren Kunden etwas bieten, nicht nur Tickets verkaufen, sondern auch das Kauferlebnis verbessern und vor allem guten Service liefern. Im Vordergrund stand der kollegiale Austausch lets share our ideas, könnte man das informelle Motto nennen.
Der neue Big Player im Ticketing?
Der neue Big Player im Ticketing?
Besonders beeindruckend war die Keynote, mit der Geraldine Wilson die Konferenz eröffnete: Die General Managerin von Amazon Tickets lieferte dem Publikum eine Präsentation, die es in sich hatte. Denn der Handelsriese Amazon ist ins Ticketing eingestiegen. Eigentlich liegt es auf der Hand: Der Vertrieb ist beinahe perfekt, der Kauf schnell und einfach, die Größe und globale Reichweite sind enorm und die Cross-Selling-Potenziale sind dank der Kundendaten gigantisch. Amazon bietet mittlerweile fast alles an, kennt seine Kunden und verkauft ihnen kreuz und quer alles, was mit einander in Verbindung gebracht werden kann. In Sachen Ticketing könnte das zukünftig so aussehen: Sie haben kürzlich eine CD von Rihanna gekauft? Hier gibts die Karten für das Konzert in Ihrer Stadt. Oder: Vielen Dank für den Kauf dieses New York-Reiseführers. Wie wäre es mit den passenden Musical-Tickets? Für Kunst- und Kulturangebote wird sich vermutlich zunächst wenig ändern zu klein, zu lokal und zu fragmentiert für einen Global Player. Wobei: Auch 50 Shades of Grey hat als Self-Publishing-Projekt auf Amazon begonnen. Warum also nicht irgendwann auch Self-Ticketing für das Kulturhaus auf dem Lande? Für das Popgeschäft sahen die Insider jedenfalls schon jetzt den Auftritt eines game changers.
Mobile Ticketing und andere Technologie Trends
Mobile Ticketing und andere Technologie Trends
Als wichtiger Trend wurde immer wieder Mobile Ticketing besprochen. Mehrere Marktanalysen zeigten, wie sich die Online-Nutzung drastisch vom Desktop zum Smartphone verlagert. Die Nutzung von Tablets hingegen sei nach einigen Wachstumsjahren schon wieder rückläufig. Hier zeigten unter anderem die Plattformen für Musik-Streaming neue Wege auf. Zukünftig werden Hörer von Spotify, Pandora, Last.fm und Co. die passenden Tickets zu ihren Lieblingskünstlern angeboten bekommen. Während sich der mobile Ticketkauf in Deutschland erst langsam entwickelt und zum Beispiel von der Bahn und von öffentlichen Nahverkehrverbänden vorangetrieben wird, haben sich mobil gekaufte Veranstaltungstickets noch nicht so recht durchgesetzt. Kulturbetriebe sollten das Thema aber definitiv auf dem Schirm behalten und sich von den Anbietern ihrer Ticketingsysteme beraten lassen. Ein Wachstumsfeld ist es allemal.
Rund um die Technologie waren auch Big Data, Customer Relationship Management (dt: Kundenbeziehungsmanagement) und Preisgestaltung zentrale Themen der Konferenz. Die Shubert Theatres, Betreiber von vierzehn Broadway Theatern, trugen Ihre CRM-Strategie vor, darunter auch Methoden des Datensammelns, die in Deutschland wahrscheinlich nicht ganz legal wären, also etwas, das man sich besser nicht abschauen sollte. Eine Vertreterin von NH Hotels erläuterte, was Veranstalter von der Hotelbranche lernen können, und dass sie Ärger von ihrem Chef bekommt, wenn ein Hotel ausgebucht ist, weil die Zimmer dann zu günstig waren. Auch etwas, was im öffentlichen Kulturbetrieb anders sein sollte. Google zeigte Analyse-Tools und die öffentlichen Kulturbetriebe von Malmö machten vor, wie Kooperation im Kartenvertrieb einer Metropolregion funktionieren kann.
Tom Schößler, Verwaltungsleiter am Theaterhaus Stuttgart, präsentierte die Ergebnisse einer Dissertation zur Preispolitik im öffentlichen Theater in Deutschland. Mit rund 20 Millionen BesucherInnen jährlich sind Stadt- und Staatstheater ein stattlicher Ticketing-Markt, wenngleich eher für die Anbieter von sogenannter Inhouse-Software. Die beiläufig erwähnten 82%, die Zuwendungen und Zuschüsse an den Einnahmen öffentlicher Theater in Deutschland durchschnittlich ausmachen, hatten viele internationale Zuhörer besonders beeindruckt. Aber auch die Entwicklungspotenziale in der Eintrittspreisgestaltung die von TeilnehmerInnen aus anderen europäischen Ländern bestätigt wurden, stießen auf großes Interesse.
Die Zukunft beginnt jetzt
Rund um die Technologie waren auch Big Data, Customer Relationship Management (dt: Kundenbeziehungsmanagement) und Preisgestaltung zentrale Themen der Konferenz. Die Shubert Theatres, Betreiber von vierzehn Broadway Theatern, trugen Ihre CRM-Strategie vor, darunter auch Methoden des Datensammelns, die in Deutschland wahrscheinlich nicht ganz legal wären, also etwas, das man sich besser nicht abschauen sollte. Eine Vertreterin von NH Hotels erläuterte, was Veranstalter von der Hotelbranche lernen können, und dass sie Ärger von ihrem Chef bekommt, wenn ein Hotel ausgebucht ist, weil die Zimmer dann zu günstig waren. Auch etwas, was im öffentlichen Kulturbetrieb anders sein sollte. Google zeigte Analyse-Tools und die öffentlichen Kulturbetriebe von Malmö machten vor, wie Kooperation im Kartenvertrieb einer Metropolregion funktionieren kann.
Tom Schößler, Verwaltungsleiter am Theaterhaus Stuttgart, präsentierte die Ergebnisse einer Dissertation zur Preispolitik im öffentlichen Theater in Deutschland. Mit rund 20 Millionen BesucherInnen jährlich sind Stadt- und Staatstheater ein stattlicher Ticketing-Markt, wenngleich eher für die Anbieter von sogenannter Inhouse-Software. Die beiläufig erwähnten 82%, die Zuwendungen und Zuschüsse an den Einnahmen öffentlicher Theater in Deutschland durchschnittlich ausmachen, hatten viele internationale Zuhörer besonders beeindruckt. Aber auch die Entwicklungspotenziale in der Eintrittspreisgestaltung die von TeilnehmerInnen aus anderen europäischen Ländern bestätigt wurden, stießen auf großes Interesse.
Die Zukunft beginnt jetzt
Zusammenfassend lässt sich sagen: Von den kommerziellen Anbietern können sich auch die öffentlich geförderten Kulturbetriebe einiges abschauen. Auf anderes sollte man vielleicht verzichten Stichwort Datenschutz. So oder so, bei Konferenzen wie dem beim Ticketing Technology Forum kann man viel lernen und sich inspirieren lassen, wie das Kartenverkaufen aussehen kann und in Zukunft aussehen wird. Das Ticketing vieler Kultureinrichtungen in Deutschland ist bereits sehr professionell, daran soll kein Zweifel aufkommen. Gerade große Betriebe wie Opernhäuser wissen gut, wie sie ihr hochwertiges Produkt verkaufen müssen, und natürlich auch die kommerziellen Musicals und Boulevardtheater. Andere haben noch Spielraum für Professionalisierung, die einem erfolgreichen und ganzheitlichen Kulturmanagement letztlich nur zugutekommen kann.
Der Begriff User Experience fiel häufig in Dublin das Kauferlebnis. Ob beim Stadion- oder Theaterbesuch der Wunsch, eine Karte zu kaufen, sollte nicht an komplizierter Technik, an den falschen Zahlungsmitteln oder an statischen Websites scheitern, die auf dem Handy nicht aufzurufen sind. Dabei soll das Kartentelefon oder das Kassenhäuschen keinesfalls verschwinden, im Gegenteil. Sie werden schon jetzt zunehmend zum Gegenstand der Servicepolitik und weniger der Umschlagplatz für Karten. Die Beratung ist gerade für künstlerische Inhalte wichtig, das Kassenpersonal ist erster Ansprechpartner für interessiertes Publikum, sollte geschult und mit den Stücken vertraut sein, die es verkauft. Bei allen technischen Möglichkeiten darf der menschliche Kontakt nicht abhandenkommen, ein Kauferlebnis ist immerhin eine persönliche Erfahrung. Aber kommenden Generationen von KulturbesucherInnen wird nur schwer zu erklären sein, warum sie nicht einfach mit dem Handy zahlen können oder warum Eintrittskarten physisch vorliegen müssen. Konferenzen wie die hier beschriebene (und natürlich auch andere) sind immer ein zeitlicher und finanzieller Aufwand, aber bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Technik entwickelt, sollten auch Kulturbetriebe versuchen, am Puls der Zeit zu bleiben.
Weiter Beiträge zum Thema:
- Studie zu Pay What You Want im Museum
- Kommentar zu Preisgestaltung im Kulturbetrieb von Tom Schößler
- Konferenzbericht zu Erlösmanagement und Dynamic Pricing beim 4. Forum Theater Controlling
- KM Treff zu Dynamic Pricing für den Kulturbetrieb? mit Rainer Glaap
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