24.03.2020

Themenreihe Corona

Autor*in

Martin Juhls
prägt als Kulturmanager und Kommunikator seit 20 Jahren aktiv das Kulturleben im Ruhrgebiet. Im vergangenen Jahr hat er die Initiative Kulturkommunikation ins Leben gerufen. Die digitale Kommunikations- und Strategieberatung unterstützt Kulturinstitutionen und Veranstalter dabei, ihre Kommunikation strategisch auszurichten und sich erfolgreich in den neuen Kanälen zu positionieren.
Kultur in Zeiten von Corona

Ab ins Retreat

Corona legt aktuell den Kulturbereich weitgehend lahm. Zwar bleiben viele Aufgaben dennoch bestehen, es entfallen oder verschieben sich aber auch einige. Kultureinrichtungen und ihre PR- und Marketing-Teams können die aktuelle Ruhephase deshalb nutzen, um mit klarer Struktur und neuer Motivation in die nächste Spielzeit oder das nächste Projekt zu starten.

Themenreihe Corona

Mehrmals in der Woche habe ich in den vergangenen Monaten mit Theatern, Bühnen, Museen, Festivals und Kulturveranstaltern über zeitgemäße und effektive PR- und Marketing-Strategien gesprochen. Viele Häuser und Ensembles blicken schon seit geraumer Zeit auf dieselben Herausforderungen: Rückläufige Besucherzahlen, alterndes Publikum und fehlendes Interesse bei den jüngeren Zielgruppen. Dazu kommen deutliche Veränderungen in der Medienlandschaft, der omnipräsente Digitalisierungsdruck und nun die lange Schließungsphase zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung und die technischen Herausforderungen längerer Phasen im Homeoffice. Doch dies könnte, so hart es die Kultur in diesen Tagen trifft, auch Chancen in sich bergen.
 
Nun wäre ein guter Zeitpunkt, um bisherige Strukturen auf den Prüfstand zu stellen, Bewährtes zu optimieren und neue Strategien für die kommende Zeit zu entwickeln. Denn der Brückenschlag von den traditionellen Medien hin zu den neuen Kanälen ist in vielen Häusern längst nicht erfolgt. Oftmals sind Ziele und Anforderungen für die einzelnen Kommunikationsbereiche nicht klar formuliert und so arbeiten Abteilungen und Mitarbeiter nach bestem Gewissen autark im Rahmen ihrer eigenen Kompetenzbereiche. Doch erst wenn Programmentwicklung, PR, Marketing, Social Media und Vertrieb in einer Gesamtkommunikation gedacht werden, kann es gelingen, die eigentlichen Anforderungen, die sich aus dem eigenen Kern ergeben, mit klaren Strategien in die verschiedenen Kanäle fließen zu lassen. So können die richtigen Zielgruppen zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Botschaft erreicht werden. 
 
Doch dafür fehlen häufig übergeordnete Team-Strukturen und Abläufe, bei denen alle Prozesse und Aktivitäten im Rahmen einer Gesamtstruktur abgestimmt sind. Gelingt es stattdessen, alle Maßnahmen und Kanäle im Rahmen einer langfristigen Strategie zu denken und alle Abläufe und Strukturen daran auszurichten, können Kultureinrichtungen von einer reaktiven Arbeitsweise, bei der man ständig und unter hohem Druck den Ereignissen hinterherläuft, in eine klare, selbstgesteuerte und zielgerichtete Handlungsposition gelangen. 
 
Sich zurückziehen und den Status quo überdenken
 
Statt den Kopf in den Sand zu stecken, könnten Theater, Bühnen, Museen, Festivals und Kulturveranstalter deshalb die freigewordene Zeit effektiv nutzen, um sich strategisch für die nächste Spielzeit oder Veranstaltungs-Saison aufzustellen. Denn Zeit und ein freier Kopf sind für Kommunikatoren und Marketer im Kulturbetrieb in der Regel ein seltenes Gut. 
 
Wofür im Alltag der täglich neuen Projekte, Aufgaben und Veranstaltungen kaum Zeit bleibt, könnte sich nun eine wertvolle Gelegenheit auftun, um diese Themen gezielt anzugehen, klar zu strukturieren und erfolgreich zu koordinieren. Und so mit geballter Kraft und neuer Energie in die nächste Spielzeit oder Veranstaltungssaison zu starten. 
 
Immer deutlicher wird auch, dass nicht nur die klassischen PR- und Marketing-Kanäle an Relevanz verlieren, auch die organischen Reichweiten, die wir mit mühevoller Arbeit in den sozialen Netzwerken aufgebaut haben, werden zunehmend geringer. Vielen ist bereits bewusst, dass nur eine effektive Online-Marketing-Strategie langfristig die verlorene Sichtbarkeit wiederherstellen kann, doch niemand hat die Zeit, sich intensiv damit auseinanderzusetzen und für die spezifischen Anforderungen von Kulturinstitutionen mangelt es zudem an passenden Anwendungsbeispielen. Klassischen Marketing-Agenturen wiederum fehlt oft das richtige Verständnis für die Abläufe und Anforderungen in Kultureinrichtungen und so werden fleißig wirkungsarme Standardlösungen zu immer wieder neuen Trends und Entwicklungen angeboten und verkauft, anstatt einmal aus dem Kern der jeweiligen Sache eine wirklich effektive Kommunikation aufzubauen. Das Ergebnis: Viele schöne Zahlen von Reichweiten, Impressionen und Interaktionen, die aber kaum nachhaltig auf die eigentlichen Ziele und Potentialen einzahlen. 
 
Insbesondere Intendanten, Museumdirektoren, Geschäftsführer und Veranstalter könnten die Zeit nutzen, um sich mit den Grundlagen, technischen Voraussetzungen und den enormen Potentialen des digitalen Marketings vertraut zu machen und so ihre Kompetenz zu verbessern, um Inhalte, Maßnahmen, Angebote und Auswertungen mit dem dafür notwendigen Sachverständnis beurteilen zu können. 
 
Denn wenn Kultureinrichtungen nicht wie verstaubtes Kulturantiquariat wahrgenommen werden wollen, müssen sie mit zeitgemäßen Formaten und ihren eigenen starken Inhalten bei den richtigen Menschen sichtbar werden. Das funktioniert aber nicht, indem wir allen Besuchern eine VR-Brille aufsetzen und unsere Kunst in digitale Räume verfrachten. Und der angehende Social-Media-Manager mit technischer Kompetenz und ein paar frischen innovativen Ideen und Aktionen wird das ebenfalls nicht richten. Denn das Publikum, das die digitalen Kanälen nutzt, um sich über das aktuelle Kulturgeschehen zu informieren und darüber beispielsweise auch seine Tickets zu beziehen, reicht längst vom kulturinteressierten Studenten bis zum pensionierten Kulturveteranen. Doch all diese Menschen sollen sich für die Kultur begeistern. Für die Geschichten davon und die Menschen dahinter und nicht für irgendwelche aufmerksamkeitssteigernden Aktionen, die sie vielleicht gar nicht verstehen. Deshalb liegt es an den Kulturinstitutionen selbst, jetzt eine eigene Sprache und Positionierung zu finden, die ihnen, ihren Inhalten und den Interessen ihrer Besucher entspricht. Wie wäre es, die aktuelle Zwangspause also genau dafür zu nutzen?
 
Retreat im Homeoffice?
 
Doch wie können wir damit beginnen und was benötigen wir dafür: Erprobte und in ihren Basisversionen kostenlose Tools für die Online-Kooperation sind ausreichend und für fast jeden Anwendungsfall vorhanden:
 
  • Online-Meetings können mit Apps wie Zoom, Webex oder Google Hang Out abgehalten werden. Viele davon bieten auch die Möglichkeit, den eigenen Bildschirm zu teilen, sodass gemeinsam an Dokumenten, Boards und Notizen gearbeitet werden kann. 
  • Für reine Textkommunikation und das schnelle Teilen von Bildern, Screenshots, Dokumenten und Links hat sich im Businessbereich die Chatsoftware Slack durchgesetzt. Hier können auch zu einzelnen Themen eigene Gesprächsverläufe gestartet werden. 
  • Auch Messenger wie WhatsApp, Telegram oder Threema bieten sich an. Hier kann es sinnvoll sein für einzelne Themen eigene Gruppen anzulegen. Darin können dann auch kurze Gedankenblitze oder Ideen mit anderen schnell als Sprachnachricht geteilt und festgehalten werden. 
  • Für das gemeinsame Erfassen und Strukturieren von Ideen und Weblinks gibt es das Listen-Tool-Trello, in dem mehrere Nutzer gleichzeitig an einem Bord arbeiten können. 
  • Um Notizen zu teilen und gemeinsam zu organisieren, ist der Klassiker Evernote hoch im Rennen. 
  • Um gemeinsam an Texten und Tabellen zu arbeiten, sind die Online-Anwendungen von Google Drive oder OneDrive von Microsoft (aktuell gemeinsam mit Office365 kostenlos) zu empfehlen, da hier sogar mehrere Menschen in Echtzeit am selben Dokument arbeiten können. 
  • Sie bieten sich auch für das gemeinsame teilen von Bildern, Videos oder Audiofiles an. Viele Dateiformate können dabei direkt im Browser angezeigt und abgespielt werden. Der Vorteil: Dateien müssen nur einmal hochgeladen werden und selbst bei großen Dateien muss man nicht erst das Herunterladen abwarten.
 
Auch für viele weitere Anwendungsfälle gibt es bereits digitale Lösungen und ganz sicher werden aus dem aktuellen Bedarf noch zahlreiche weitere Anwendungen entstehen, an die man bislang noch nicht gedacht hat.
 
Fazit
 
Fest steht, eine Krise ist immer ein temporärer Zustand. Selbst wenn wir unsere Häuser nun über einen längeren Zeitraum schließen müssen, wird es den Tag geben, an dem wir unsere Türen wieder öffnen. Und dann werden sich viele Menschen lange danach gesehnt haben, endlich wieder ein Museum, eine Ausstellung, ein Theaterstück, ein Konzert, eine Lesung oder eine Kulturveranstaltung zu besuchen. Nutzen wir die Krise als Chance und bereiten uns so gut wir können auf diesen Moment vor.

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