12.11.2012

Autor*in

Rebekka Meyer
Rückblick Symposium Kulturvermittlung 2012

Sensibilisierung für die Zutaten statt Rezepte

Wer? Wann? Wo? Warum? Wie? Jeder Schauspielschüler und jede Theaterwissenschaftsstudentin lernt sie in den ersten Semestern seines Studiums: die fünf W-Fragen des russischen Theatermannes Konstantin S. Stanislawski. Genau die gleichen fünf Fragen können auch als Leitfragen des Symposiums Vermitteln! Mehr als nur Rezepte über Kulturvermittlung der Pro Helvetia und des Migros-Kulturprozent, welches am 7. November 2012 im Gare du Nord in Basel stattfand, gelten. Nur dass es hier nicht um eine Situation auf der Bühne, sondern um Kunst und Kultur und ihre Vermittlung geht: Wer vermittelt? Wann wird vermittelt? Wo wird vermittelt? Warum wird vermittelt? Und vor allem: Wie wird vermittelt?
Kulturvermittlung auf Augenhöhe
Ergänzt werden muss in diesem Kontext aber noch: An wen wird vermittelt? Denn gerade diese Frage spielte in den Nachmittagsreferaten von Janna Graham und Christoph Deeg eine zentrale Rolle. Graham, die als Kuratorin für die Serpentine Gallery in London arbeitet, berichtete dabei vor allem von ihren eigenen Erfahrungen mit Off-Space-Projekten, die sie eben nicht in der Galerie selbst, sondern in einem Londoner Quartier mit dessen Bewohnern und über deren Themen realisierte. Ihre zahlreichen praktischen Beispiele dürften für viele Teilnehmende sehr anregend gewesen sein. Auch Deeg warf in seinem Referat Kultur und Zielgruppen vs. Zielgruppenkultur einen praxisnahen Blickwinkel auf das Problem. Er plädierte dafür, dass die Kulturinstitutionen die Lebensrealitäten der neuen Zielgruppe als gleichwertig akzeptieren, bevor sie die Vermittlungsarbeit in Angriff nehmen. Als Beispiel: Erst wenn man einem Computer-Spiel den gleichen kulturellen Wert wie einer Wagner-Oper eingestehe, funktioniere die Kulturvermittlung auch, weil sie dann auf Augenhöhe stattfinde. Gerade in Deegs Expertenfeld Social Media sei es extrem wichtig, sich nicht einfach von Fachleuten ein cooles Facebook-Profil erstellen zu lassen, sondern sich nur so zu präsentieren, wie man auch wirklich ist und was man einlösen kann. Das Fazit: Eine Kulturinstitution muss sich heutzutage in der digitalen Welt bewegen und präsentieren. Seine witzige und leicht zugängliche, manchmal allerdings etwas zu überzogene und selbstdarstellerische Präsentation hat sicher dazu beigetragen, dass er einer der Referenten war, der am meisten in Erinnerung blieb und der viel Zustimmung erfahren hat, was im Schlusswort deutlich zu spüren war.
 

In diesem Fazit am Ende des Tages kamen neben den Organisatoren Christoph Haering und Eva Richterich auch fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst zu Wort, um ihre ganz persönliche Bilanz des Tages vorzustellen. Dabei war vor allem der Dialog auf Augenhöhe das meistgenannte Stichwort und ein wichtiges Thema, welches vom Symposium mitgenommen wurde. Auch konkrete Kritik wurde angebracht: Zum Beispiel, dass fast keine Kunstschaffenden anwesend waren diese aber neben den Pädagogen genau so viel zur Frage beitragen können, wie Kultur vermittelt werden soll.
 

Frühstück als Postenlauf
Nun aber zurück zum Morgen, der ziemlich überraschend begann: nämlich mit einer Art Postenlauf. An neun im ganzen Gare du Nord verteilten Stationen konnte man mehr über die verschiedenen aktuellen Themenbereichen der Kulturvermittlung erfahren, zum Beispiel über die Wirkung von Kulturvermittlung oder wie der Beruf des/der Kulturvermittler/in aussieht. Gleichzeitig sammelte man sein Frühstück ein. Bei Station 1 gab es Kaffee, bei Station 5 kam dann der Käse und so weiter. Die einzelnen Posten waren sehr kreativ und liebevoll gestaltet, logistisch war das Ganze allerdings nicht sehr durchdacht. Riesige Tabletts voll mit Essen und Getränken durch die engen Treppen und Gänge zu balancieren, war alles andere als einfach und Zusammenstösse somit vorprogrammiert. Ausserdem hatte man in diesem Begrüssungs- und Verküssungs-Parcours kaum eine Chance, sich die Filme und Texte der einzelnen Stationen in Ruhe anzusehen, stand man doch dauernd jemandem im Weg, der noch eine Scheibe Wurst wollte. Nach dem Frühstück wurde der Rundgang leider auch so schnell wieder abgebaut, dass man nichts mehr nachlesen konnte.
 

Nach dem Frühstück referierten Lois Hetland und François Matarasso, die sich beide intensiv mit der Wirkung von Kulturvermittlung auseinandersetzen. Hetland brachte es dabei auf den Punkt: Wir müssen nicht nur Kunst unterrichten, sondern Kunst gut unterrichten. Die weiterführende, noch zu klärende Frage ist dann: Was ist gut? Auch Matarasso machte eine wichtige Beobachtung in Bezug auf die Wirkung von Kunst, derer man sich bei der Vermittlung immer bewusst sein sollte: [] but the effects of it can neither be controlled nor guaranteed. Gerade auch deshalb, weil jeder Mensch anders auf Kunst reagiere und anders mit ihr umgehe.
 

Ein dreifaches Hoch auf die Kunst, die Kultur und die Vermittlung
Essen und Trinken war die Metapher, die sich durch den ganzen Tag zog. Das Programm war eine Menükarte, die Vormittagsreferate ein Amuse-Bouche und das Mittagessen wurde von zwei Trinksprüchen begleitet. Hedy Graber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund in Zürich und der Pro Helvetia Direktor Andrew Holland stiessen mit den Teilnehmenden auf die Vermittlung, die Kunst und Kultur, die Förderung derselben und natürlich auf das Symposium an. Weitergeführt werden wird dieses, wie Holland erklärt, mit einer Publikation von Carmen Moersch, welche im März 2013 erscheinen wird.

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