18.04.2024

Autor*in

Anna Schwan
ist ihr Leben lang der Kunst und Kultur eng verbunden. Sie war u.a. für das Hamburg Ballett - John Neumeier tätig und hat Kulturprojekte für das Goethe-Institut, Ramsay Fairs, die Hamburger Symphoniker und das Thalia Theater umgesetzt. Den Kunstmarkt begleitet sie seit Jahren privat und beruflich, die Corona-Krise gab letztlich den Ausschlag, mit der Gründung der MeetFrida Foundation Künstler*innen nachhaltig zu unterstützen.
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Resilienter Kulturbetrieb

Schafft Kunst Demokratie?

Die hohen Umfragewerte der AfD in den ostdeutschen Bundesländern lassen viele Menschen mit Sorge auf das bevorstehende Superwahljahr blicken. Es gilt daher umso mehr, die Demokratie mit allen Mitteln zu stärken und ihren Erhalt zu fördern. Welche Rolle dabei Kunst spielen kann, darüber spricht Dr. Anna Schwan am Beispiel des Projekts "Kunst schafft Demokratie" der MeetFrida Art Foundation im Interview.
Liebe Anna, worum geht es beim Projekt "Kunst schafft Demokratie", das ihr als MeetFrida Art Foundation gemeinsam mit dem Kunstfest Weimar durchführen möchtet?
 
Unser Ziel ist es, eine Kunstaktion zu realisieren, bei der wir 200 Plakatflächen in ganz Thüringen nutzen möchten, um Kunstwerke zu präsentieren, die Vielfalt, Toleranz und Demokratie fördern und vor allem zum Wählen motivieren. Neben der physischen Präsenz auf Plakatwänden planen wir eine digitale Kampagne über Social Media. Jede*r ist eingeladen, diese Kunstwerke über einen kostenfreien Download ebenfalls zu nutzen und so die Kampagne mit zu verbreiten. 
 
Wichtig für unser Projekt ist, lokale Künstler*innen aus Thüringen einzubeziehen sowie Künstler*innen, die eine Verbindung zu Thüringen haben. Dafür planen wir einen Open Call. Wir arbeiten zudem bereits mit 70 Künstler*innen zusammen, die an dieser Aktion ebenfalls über den Open Call teilnehmen können. Die Verbreitung erfolgt über verschiedene Kanäle weiterer Institutionen in Thüringen, wie die Bauhaus-Universität, aber auch der Kontakt zu Unternehmen wie euch ist sehr wichtig. 
 
Darüber hinaus sind wir derzeit dabei, die Jury zu finalisieren, um aus den Einreichungen des Open Calls bis Ende April die teilnehmenden Künstler *innen und ihre Werke festzulegen. Dafür spielt auch das Budget eine Rolle, da wir den Kunstschaffenden ein Honorar zahlen möchten. Die Umsetzung ist für Mitte August geplant, wobei die digitale Kampagne bereits vorher startet. Es ist uns wichtig, dass das Projekt nicht nur auf die Plakataktion beschränkt bleibt, sondern auch Interaktionsmöglichkeiten mit den Bürger*innen beinhaltet, um über die reine Betrachtung hinaus Engagement und Austausch zu fördern.
 
Wie kommt eine Hamburger Stiftung dazu, sich mit einem Projekt in Thüringen zu befassen?
 
Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, da meine Sicht auf Thüringen zwiegespalten ist: Der Rechtsruck wird in den ostdeutschen Bundesländern oft als Festhalten an nicht-demokratischen Strukturen wahrgenommen. Doch je stärker man sich mit der Region beschäftigt, desto mehr erkennt man, dass viele Menschen und Institutionen für Demokratie und kulturelle Werte kämpfen. Das weiß ich u.a. durch meine persönliche Verbindung zu Weimar, wo meine Großmutter herkommt. Dadurch kenne ich beispielsweise die Situation in Weimar gut und wollte ein Projekt realisieren, das sich auch auf Weimar bezieht, ohne aber als Fremdkörper von außen wahrgenommen zu werden.
 
Angesichts dieser politischen Situation und den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen habe ich schließlich mit Rolf C. Hemke vom Kunstfest Weimar über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen. Ursprünglich war der Plan, ähnlich zu unserer erste Aktion mit den "Art Walks" während der Pandemie eine Kampagne zu starten, die die Sichtbarkeit junger Künstler*innen im öffentlichen Raum erhöht, sodass die Stadt zur Galerie wird - und das nicht nur in Großstädten wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt, sondern auch in kleineren Städten. Angesichts der sich zuspitzenden politischen Lage haben wir jedoch entschieden, das Projekt in ein politisches umzuwandeln. Ebenso hatten wir ursprünglich geplant, mit dem Projekt auch in Brandenburg und Sachsen präsent zu sein, doch aufgrund finanzieller Einschränkungen konzentrieren wir uns vorerst nur auf Thüringen. 
 
Damit sprichst du einen elementaren Punkt an: Projekte dieser Art benötigen natürlich finanzielle Unterstützung. Wie ist das Projekt dahingehend bisher aufgestellt?
 
Die finanzielle Situation ist herausfordernd, aber nicht hoffnungslos. Wir haben rund 80 Unternehmen für Sponsoring und 15 Förderanträge kontaktiert, woraus 12.500 Euro resultierten, trotz zahlreicher Absagen. Das reicht natürlich nicht annähernd aus, um alle Kosten zu decken, weshalb wir eine Crowdfunding-Aktion gestartet haben, die bisher 3.500 Euro eingebracht hat. Wir hoffen, mindestens 5.000 oder sogar 6.000 Euro zu erreichen. Das Kunstfest wird zusätzliche Unterstützung leisten, womit wir mehr Mittel zur Verfügung haben werden. Ebenso stellt uns Ströer die Plakatflächen kostenfrei zur Verfügung, was einen Mediawert von gut 20.000 Euro ausmacht. Die größten Ausgaben sind damit vor allem die Druck- und Anbringungskosten für die Plakatierung, die sich auf über 10.000 Euro belaufen. Das Projekt basiert also letztlich auf Selbstausbeutung, aber wir verfolgen damit eine gute Sache.
 
Wenn auch Förderanträge ins Leere verlaufen sind, liegt es dann an mangelnden Strukturen in der Kulturförderlandschaft für solche Projekte?
Genau, das größte Problem war die politische Ausrichtung des Projekts, die oft als zu heikel angesehen wurde. Dies hat mich überrascht, da sowohl Stiftungen als auch Unternehmen sich nicht einbringen wollten. Diese Zurückhaltung ist in guten Zeiten schon nicht verständlich, aber unter aktuellen Umständen unangebracht. Es bedarf eines Umdenkens sowohl in der strukturellen als auch staatlichen Förderung und bei den Stiftungen.
 
Welche Vorteile siehst du in Crowdfundingaktionen für Projekte, die Demokratiestärkung und -erhalt zum Ziel haben?
 
Mit dem Crowdfunding kann die durch Demonstrationen begonnenen Bewegung für den Demokratieerhalt fortgesetzt werden. Denn es ermöglicht den Menschen, sich direkt und konkret für wichtige Projekte zu engagieren und mit diesen eng vernetzt zu sein. Das halte ich für essentiell, um Menschen ihre vielfältigen Möglichkeiten aufzuzeigen und sie zu ermutigen, sich weiterhin einzubringen.
 
Was wären deine Wünsche für die Zukunft, insbesondere im Hinblick auf Thüringen und allgemein den Erhalt der Demokratie durch Kunst und Kultur?
 
Ich wünsche mir, dass es Kulturinstitutionen gelingt, ihr Engagement für Demokratie, Vielfalt, Diversität, Internationalität und gegen Antisemitismus zu stärken. Aus meiner Hamburger Perspektive betrachtet, erscheint die Kunst- und Kulturszene sehr gespalten. Es existiert eine Trennung zwischen traditionell bürgerlichen Kulturangeboten und progressiveren, alternativen Szenen, die bisher noch nicht umfassend genug miteinander in den Austausch gekommen sind. Diese Trennung finde ich problematisch. Ein intensiverer Austausch könnte dazu beitragen, bestehende Barrieren abzubauen und eine breitere Unterstützung für wichtige gesellschaftliche Anliegen zu mobilisieren.
 
Inwieweit siehst du Kunstschaffende und Kultureinrichtungen in der Verantwortung, sich für die Stärkung der Demokratie einzusetzen?
 
Ich bin der Überzeugung, dass Kunst und Kultur eine große Verantwortung tragen, da sie wie ein Seismograf und Korrektiv unseres täglichen Lebens fungieren können. Kultur besitzt dadurch eine wesentliche Relevanz und muss immer auch eine politische Dimension haben. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Kultur unpolitisch sein kann.
 
Dieses Interview erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin Nr. 177: "Resilienz".
 
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Kommentare (1)
R
Lobenswert, aber ...
von Rainer G., 18.04.2024 21:15
»Ich finde es unbedingt lobenswert, wenn Menschen sich engagieren und einbringen. Und es ist natürlich dringend nötig, der #noAfD etwas entgegenzusetzen. Die Vorstellung eines Ministerpräsidenten Höcke ist ja wirklich furchterregend.
Aber: \"Kunst fördert Demokratie\" ist doch erstmal eine unbewiesene Behauptung. Und die große Frage bei jeder politischen Aktion heute ist doch: Erreiche ich jemanden in seiner/ihrer Blase und was kann ich tun, um seine Überzeugung zu ändern? Ich habe da nicht viel Hoffnung ...«

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