15.12.2023

Autor*in

Christine Bachmann
Chefredaktorin von Miss Moneypenny, der Business-Plattform für Assistenzberufe in der Schweiz. Sie besitzt einen Bachelor of Arts ZFH in Kommunikation der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und einen MAS Arts Management von der ZHAW School of Management and Law. 
Rückblick Kulturfundraising-Tagung – Swissfundraising 2023

Fundraising der Zukunft und neue Formen von Kulturfundraising

Das Post-Corona-Syndrom und die aktuelle weltpolitische Lage erschweren die Arbeit der Fundraisingmitarbeitenden im Kulturbereich. Was es in dieser Situation braucht: Partnerschaften mit Zukunft. Wie diese gelingen können, darüber diskutieren die Teilnehmenden der Schweizer Kulturfundraising-Tagung.
Multifunktional ist das Foyer des Aargauer Kunsthauses in Aarau, in dem Swissfundraising-Vorstandmitglied Martina Büchi am 30. Oktober die rund 70 Teilnehmenden der Kulturfundraising-Tagung 2023 unter dem Motto "Fundraising der Zukunft" begrüsst. "Was für ein inspirierender Ort", betont Büchi und dankt Gastgeberin und Direktorin Dr. Katharina Ammann für die Einladung des jährlich stattfindenden Events der Kulturfundraising-Community. "Wir wollen heute Nachmittag neue Sichtweisen erleben und Inspiration für die eigene Praxis gewinnen." An kaum einem Ort geht das besser als hier: Ammann startete gemeinsam mit ihrem Team im Aargauer Kunsthaus vor drei Jahren einen Transformationsprozess. Dieser half, die notwendige Transparenz zu schaffen, "die wir dringend benötigen, um echte Partnerschaften einzugehen", betont Ammann. Denn die personellen, und politischen Herausforderungen würden künftig nicht weniger. 
 
Best Practice 1: Kunsthaus im Wandel
 
Nach einer Führung durch die aktuelle Ausstellung "Stranger in the Village - Rassismus im Spiegel von James Baldwin" eröffnet der Leiter Fundraising Aargauer Kunsthaus, Peter Allmann, die Tagung mit dem einem Vortrag zu "Fundraising für ein Kunsthaus im Wandel". Allmann ist seit Jahren gestandener Fundraiser und seit drei Jahren für das Kunsthaus tätig. "Die Pandemie zwang Kultureinrichtungen, ihre Relevanz zu betonen, was zu einem veränderten Selbstverständnis und einem Transformationsprozess im Team führte", sagt Allmann. Er spricht im Folgenden über die Neuausrichtung des kulturellen Fundraisings und nimmt sich der Fragen an, "Warum? Wofür? Wie?" im Aargauer Kunsthaus Fundraising betrieben wird. "Nicht nur, um Mittel zu beschaffen, sondern auch um langfristige Beziehungen aufzubauen, die sinnstiftend und erfüllend sind." Die Kooperation mit Stiftungen sei für ihn deshalb eine Beziehung auf Augenhöhe. 
 
Das Wofür erklärt Allmann am Beispiel der aktuellen und von den Tagungsteilnehmenden besuchten Ausstellung "Stranger in the Village", an der er die Finanzierungsstruktur und die Rolle der Förderpartner*innen aufzeigt, von denen die Hälfte der Kosten für die Ausstellungen finanziert werden. Zudem weist er auf die Bedeutung von kultureller Bildung, kultureller Vielfalt, Teilhabe und kulturellem Erbe hin. Dabei macht Allmann deutlich, dass Kultureinrichtungen ihre Rolle bezüglich dieser Aspekte reflektieren, sie bewusst in ihre Arbeit integrieren und anhand dessen ihre gesellschaftliche Relevanz gegenüber Fördergebenden betonen müssen.
 
Das Wie beantwortet Allmann mit den verschiedenen Zielen, die das Team für das Fundraising definiert hat, darunter gesellschaftliche Wirkungsziele, Organisationsentwicklungsziele sowie Vermittlungsziele. Dabei betont er ein Verständnis von Fundraising als Partnerschaft für gemeinsame Ziele. Sein Referat schliesst Allmann mit zwei abschliessenden Gedanken (siehe Grafik). Dabei geht es um die veränderte, langfristigere und projektübergreifende Zusammenarbeit mit Stiftungen. Zudem wünscht er sich, dass Stiftungen ihre Förderungen nicht im Giesskannen-Prinzip einzeln vergeben, sondern Kultureinrichtungen dabei unterstützen, im Verbund Anliegen zu projektieren. "Ich kann mir vorstellen, dass eine solche gemeinschaftliche Form der Förderung den Anliegen nach Wirksamkeit in Transformationsprozessen besser entsprechen kann, als es in der aktuellen Praxis der Fall ist."
 
Best Practice 2: Freundeskreis des Wiener Konzerthauses
 
Auch einen internationalen Einblick gibt es bei der diesjährigen Kulturfundraising-Tagung. So berichtet Birgit Zawichowski, Fundraising und Membership Development und Betreuung Förderkreis beim Wiener Konzerthaus, aus ihrem Alltag und dem zivilgesellschaftlichen Engagement am Konzerthaus. "Denn was viele nicht wissen: Wir sind als gemeinnütziger Verein das Haus unserer Mitglieder und zu 88 Prozent selbstfinanziert." Trotz dieses hohen Anteils kämpft auch das Wiener Konzerthaus mit dem Post-Corona-Syndrom und weiterhin niedrigen Ticketerlösen. Umso mehr sei man auf die Unterstützung der Mitglieder angewiesen, zu denen auch die meisten Spender*innen gehören. Dabei beginnt für Zawichowski das Fundraising erst bei einer Mitgliedschaft ab der Stufe "Förder:in" (500 Euro)- die Klaviatur spielt dann bis hin zu Stifter*innen, die dem Haus mehr als 45.000 Euro zur Verfügung stellen.
 
So oder so ist es Zawichowski wichtig, dass die Mitglieder sich nicht nur als finanzielle*r Unterstützer*innen des Hauses wahrnimmt, sondern als Träger*innen, die das Haus mitgestalten und ein Teil davon sind. Diese Nähe machte Zawichowski sich gemeinsam mit Intendant Matthias Naske zu Nutze, als sie die Kampagne "Sie können mehr bewirken als sie denken" startete, für die sie den österreichischen Fundraising-Preis gewannen. Mit der Initiative sollten sich die treu verbunden Unterstützer*innen in ihrem Engagement gestärkt fühlen und neue potenzielle Unterstützer*innen von der Förderwürdigkeit des Vereines überzeugt werden. Neben einem hochkarätig besetzten Fundraising-Panel baute die Kampagne auf Spendenaufrufe mit klarem, zielgruppengerechtem Call-to-Action. "Wir haben dabei auch immer transparent gemacht, dass es uns momentan nicht so gut geht, dass wir ein gemeinnütziger Verein sind und dass wir diesen finanziellen Engpass nur mit ihnen bewältigen können." Das Resultat: Das Spendenziel wurde mit über 160.000 Euro weit übertroffen. Eine weitere Fundraising-Kampagne "Orchestergarderobe aufgemöbelt" ist soeben gestartet - man darf gespannt sein, wie sich diese entwickeln wird.
 
Impulsreferat: Kultur = Kapital
 
Für das Impulsreferat sowie die letzte Präsentation der Tagung konnte Dorothea Strauss, Kuratorin und Nachhaltigkeits- und Transformationsexpertin, gewonnen werden. Sie spricht über neue Formen von Kulturfundraising - partnerschaftlich, verantwortungsvoll, zukunftsweisend, innovativ. Obwohl Kultur Menschen zusammenbringen kann, werde es immer schwieriger, sich in der heutigen "BANI"-Welt (brittle, anxious, non-linear, incomprehensible = brüchig, ängstlich, nicht-linear und unbegreiflich) zu behaupten. "Da heisst es, flexibel und bewusst agieren zu können sowie Ängste als positive Kraft zu nutzen." Neben der Aufklärung von zwei generellen Missverständnissen - dass es nicht nur um Nehmen, sondern auch um Geben gehe und dass Geld keine Mission oder Vision ist - bringt Strauss drei Praxisbeispiele inklusive Learnings für das Kulturfundraising mit. 
 
Fall 1: 1996: Kunst Halle St. Gallen 
 
Der Hintergrund: Strauss möchte den Künstler Rirkrit Tiravanija engagieren, hat jedoch ein zu bescheidenes Budget. In Gesprächen mit dem Künstler kommt man auf die aktuelle Situation in St. Gallen zu sprechen, dort wurden erst kürzlich alle Proberäume geschlossen. Die Idee: Aus der Kunsthalle werden Proberäume. Strauss bekommt so Tiravanija für das Projekt und die Künstler*innen von St. Gallen neue Proberäume. 
 
Learnings
  • Der enge Austausch mit Künstler*innen ist wichtig
  • Ideen um die Ecke denken, neu denken
  • Aufmerksamkeit für die aktuelle städtische Situation im Blick behalten 
  • Eine vernetze Institution (nie mehr unvernetzt arbeiten)
 
Fall 2: 2007: Museum Haus Konstruktiv, Zurich Art Prize
 
Der Hintergrund: Zurich Versicherungen wird Partner des Museums. Man macht einen gemeinsamen Workshop und stellt sich die Fragen: Wer sind wir? Was wollen wir zusammen erreichen? These 1 Versicherung: Wir können vieles versichern, aber keine fehlende Kreativität. These 2 Museum: Die Geschichte des Museums braucht junge Leute, um sich weiter zu erneuern. Die Lösung: Der Zurich Art Prize wird ins Leben gerufen.
 
Learnings
  • Geld allein ist nicht genug: Wie kann man den Impact ausbauen?
  • Gegenseitige Neugier: Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?
  • Das Innovationspotenzial von Workshops nutzen
 
Fall 3: 2017: Die Mobiliar, Hochwasserschutz-Projekt in Freienwil
 
Der Hintergrund. Die Mobiliar Versicherung unterstützt ein Hochwasserschutz-Projekt der Gemeinde Freienwil und nutzt die Kunst der Brückenbauerin Ruth Erdt, um in einem neunmonatigen Prozess eine Chronik des kleinen Ortes zu erstellen.
 
Learnings
  • Workshops nutzen
  • Das Innovationspotenzial partizipativer Prozesse erkennen
  • Faktor Zeit und Investment
  • Ideen durchlaufen, einen kreativen Prozess durchlaufen: Atelier (überdenken) - Labor (erste Versuche)  - Werkstatt (Realität bauen) - Marktplatz (Wer braucht das?)
 
Abschliessend betont Dorothea Strauss ihre Vision des Kulturfundraisings: "Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir nur zusammen mehr erreichen. Das bedeutet, wir müssen zwingend voneinander lernen." Zudem heisse es, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, "damit die Kunst und Kultur die Drehscheibe für Gesellschaftsinnovation sein kann".
 
Die Kulturfundraising-Tagung endet mit der Podiumsdiskussion zum Thema "Partnerschaften der Zukunft" für welche die Moderatorin Leticia Labaronne (ZHAW Zentrum für Kulturmanagement), neben Katharina Ammann (und Dorothea Strauss auch Andreas Geis (Leiter Förderung bei der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte und Co-Leiter der AG Kunst und Kultur bei Swissfoundations) auf die Bühne holte. Labaronne leitet ein, dass die Anforderungen durch die "neue Kulturbotschaft" steigen. Nach dieser strategischen Neuausrichtung der nationalen Schweizer Kulturpolitik für die Jahre 2025-2028 soll die Kulturförderung in der Schweiz nachhaltiger, digitaler und sozial gerechter werden. Zudem der Bundesrat die Arbeitsbedingungen von Kulturschaffenden verbessern. Deshalb fragt Geis, wie er das als jemand von Seiten der privaten Kulturförderung sehe. Er betont, dass auch Kulturstiftungen Herausforderungen gegenüberstünden, und unterstreicht die Notwendigkeit einer flexibleren Kulturfinanzierung- es brauche mehr Bereitschaft zur Kooperation auf allen Seiten. "Zudem: Ich könnte mehr Geld vergeben, wenn mehr Projekte eingereicht würden, die unseren Förderungsfokus gereichen." Zudem sei es angenehmer, mit Kultureinrichtungen zusammenzuarbeiten, die nicht opportunistisch arbeiten und Projekte vor allem deshalb umsetzen, weil es gerade eine Förderung gibt, sondern sich selbst treu blieben. 
 
Ammann betont, dass für das Aargauer Kunsthaus Schlagwörter wie nachhaltig, ethisch, partizipativ und divers zwar wichtige Aspekte seien, die das Haus in Förderanträge und Projekte einbringen kann. Dennoch bleibe die Herausforderung, dass beispielweise Stiftungen kaum Gelder für eine langfristige Finanzierung ausschütten, beispielsweise für Transformationsprojekte. Strauss unterstreicht angesichts klassischer und neuer Herausforderungen wie Krieg und Pandemien die Notwendigkeit einer neuen Vision für die Kultur. Dafür müssten die Kulturinstitutionen aus ihrer Atemlosigkeit herauskommen. "Kulturinstitutionen sollten sich deshalb darauf konzentrieren, was sie können und wie sie sich weiterentwickeln (können)." 
 
Zusammengefasst sind sich alle einig, dass die Bedeutung und die Stellung des Fundraisings in kulturellen Institutionen weiter steigen werden, um die gewünschten Partnerschaften der Zukunft bilden und begleiten zu können. Dafür brauche es den Mut für kreative Lösungsansätze, ein Selbstverständnis der Häuser, dass Partner*innen aus der Gesellschaft mitdenkt, und ein Miteinander aller involvierten Akteur*innen, von Seiten der Geber*innen wie der Empfänger*innen.  

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