15.09.2013
Themenreihe Wahlkultur
Autor*in
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Wahlkultur 2013
Das kulturpolitische Programm der Piratenpartei
Unserer Reihe Wahlkultur stellt die Programme der sechs großen deutschen Parteien vor und untersucht sie auf jene Aspekte, die für die Kulturpolitik der nächsten Jahre von Bedeutung sein werden. Der fünfte Beitrag befasst sich mit dem Parteiprogramm der Piraten. Dafür sprachen wir mit Bruno Kramm, Listenkandidat der Bayerischen Piraten auf Platz 1, Urheberrechtsbeauftragter und Spezialist für Medien und Kultur innerhalb der Piratenpartei.
Themenreihe Wahlkultur
I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm
Im Parteiprogramm der Piraten für die Bundestagswahl 2013 ist die Kulturpolitik ein eigener Programmpunkt, jedoch nur mit einer Seite Umfang. Dies erklärt Kramm weniger aus einer geringen Bedeutung des Themas, als daraus, dass die noch junge Partei bisher nicht jedes politische Thema in allen Details entwickeln konnte. Trotzdem gibt es in puncto Kultur Ansätze für alle wichtigen Bereiche. Die bei der Mehrheit der Parteien hergestellte Zusammengehörigkeit von Medien und Kultur findet sich bei den Piraten nicht, da die Medienpolitik als eigener Punkt im Mittelpunkt ihres Programms steht. Trotzdem finden sich auch bei ihnen Verknüpfungen zwischen der Kommunal- und Länder-, Medien- oder Hochschulpolitik und der Kultur.
II. Besonders betonte Inhalte des kulturpolitischen Programms
Die Inhalte des kulturpolitischen Programms der Piraten hängen eng mit ihrem Programmschwerpunkt Medienpolitik zusammen. Seit dem letzten Wahlprogramm das sich weitgehend auf diesen Kernpunkt der Piraten beschränkte gab es einen Ausbau des Kulturprogramms, den Kramm mit der steigenden Zahl an kulturschaffenden Parteimitgliedern erklärt. Wie im Programm allgemein, steht auch bei der Kulturpolitik die Freiheit, neue Wege zu gehen, im Mittelpunkt. Um die geforderten Freiräume zu schaffen, ist für die Piraten ein größerer Einfluss der Kulturmachenden in Politik und Gremien wichtig. Sie sehen dies als Teil des Wechsels zur Informations- und Wissensgesellschaft, der auch ein neues Verständnis von Kultur als pluralistisches, partizipatives Gut mit sich bringen soll, das durch vielfältige Einflüsse und Gleichberechtigung geformt werden muss. Die Piraten legen dabei den Schwerpunkt auf die Künstler, die die Gegenwart verarbeiten und neue Sichtweisen schaffen, sehen aber auch die anderen Aspekte von Kultur als gesellschaftlich bedeutend an. Die Hauptinhalte des kulturpolitischen Programmes der Piraten sind darum:
- die Teilhabe an Kultur für alle Menschen unabhängig von Herkunft, körperlichen Barrieren oder sozialem Status,
- kulturelle Bildung als lebenslange Möglichkeit, Kunst und Kultur zu erleben,
- erweiterte technische Möglichkeiten wie Virtualisierung und Digitalisierung für die Entwicklung neuer kultureller Erfahrungen,
- Nutzung immaterieller Kulturgüter innerhalb der Europäischen Union zugunsten von Bildung, Teilhabe und Integration,
- bessere Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur durch mehr öffentliches Ansehen, finanzielle Unterstützung und größeren Einfluss in Gremien und bei politischen Entscheidungen und
- die Stärkung der Künstler selbst durch eine Reform der Künstlersozialkasse und einen besseren Rückhalt für Kunst als Beruf.
III. Verantwortlichkeit für und Finanzierung von Kultur zwischen Staat und Ländern
Die Piraten wollen zugunsten der Bildung als wichtigstem Gut für den Erhalt, die Weitergabe und die Vermehrung von Wissen, Fortschritt und gesellschaftlichem Wohlstand das Kooperationsverbot aufheben, damit der Bund mit den entsprechenden Mitteln die Zusammenarbeit der gesamten Gesellschaft bei Bildung und Kultur ermöglichen kann. Zu diesem Zweck soll Kultur in das Grundgesetz aufgenommen und die Verantwortung des Bundes für Kultur gestärkt werden, um die Defizite einzelner Länder abzubauen. Trotzdem möchten die Piraten Projekte mit regionalem Schwerpunkt auch weiterhin bei Kommunen und Gemeinden verankern, da hier die lokale Expertise liegt. Um dies sicherzustellen, sollen die kommunalen Kräfte gestärkt und mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Entscheidungen über Förderung und Zuschüsse dürfe aber nicht primär an der ökonomischen Verwertbarkeit ausgerichtet sein.
IV. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte
Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung sind im gesamten Programm der Piraten ein entscheidender Punkt und auch im Hinblick auf die Kulturpolitik unabhängig von finanziellen, sozialen, geografischen oder körperlichen Barrieren. Dabei gehört Kultur für die Piraten eng zum Bereich Bildung und soll wie dieser nicht nur institutionell verankert werden, sondern überall, wo gemeinsame Kulturerfahrungen gemacht werden können. Kulturelle Vielfalt bedeutet dabei für die Piraten, sich in der eigenen kulturellen Heimat ebenso betätigen und identifizieren zu können, wie in übergreifenden Kontexten. Dies gilt auch für den europaweiten Raum über Ländergrenzen hinweg. Für die Piraten sollten immaterielle Kulturgüter überall in der EU frei zugänglich sein, um Toleranz, Verständnis und Integration zu fördern.
V. Verbindung zwischen Medien-/Internetpolitik, Urheberrecht und Kultur/kultureller Bildung
Im Kontext neuer Entwicklungen wie Digitalisierungsprojekten im Kulturbereich, E-Learning-Möglichkeiten für außerschulisches und lebenslanges Lernen und aktuellen Problemen mit dem Urheberrecht, wird die Verknüpfung von Kultur-, Medien- und Netzpolitik und bildung immer enger. Hier kann die Piratenpartei mit ihren vielfältigen und detaillierten Ideen zu einem neuen Urheberrecht als thematischer Vorreiter unter den Parteien gelten. Für sie ist dafür neben einem europaweit flächendeckenden Zugang zum Internet eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur grundlegend.
Im Kontext neuer Entwicklungen wie Digitalisierungsprojekten im Kulturbereich, E-Learning-Möglichkeiten für außerschulisches und lebenslanges Lernen und aktuellen Problemen mit dem Urheberrecht, wird die Verknüpfung von Kultur-, Medien- und Netzpolitik und bildung immer enger. Hier kann die Piratenpartei mit ihren vielfältigen und detaillierten Ideen zu einem neuen Urheberrecht als thematischer Vorreiter unter den Parteien gelten. Für sie ist dafür neben einem europaweit flächendeckenden Zugang zum Internet eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur grundlegend.
Ein zentraler Punkt im Wahlprogramm ist denn auch, Transparenz zu fördern, aber vor allem die freie Nutzung von Bildungsressourcen unter dem Open-Access-Prinzip (OER = Open Educational Resources). Auch darüber hinaus soll der Interessensausgleich im Urheberrecht neu durchdacht und mehr in Richtung der Urheber und Nutzer gelenkt werden, um sich auch wirtschaftlich dem digitalen Wandel anzupassen und die Position der Kulturschaffenden zu stärken. Die Piraten möchten hierfür den Urhebern Zweitverwertungsrechte einräumen, undefinierte Nutzungen durch die Rechteinhaber verhindern und ausschließliche Nutzungsrechte beschränken. Auch sollen die Urheberrechtsschranken ausgeweitet und die Geltungsdauer des Urheberrechts gesenkt bzw. an die Bedürfnisse der Sparten und Nutzer angepasst werden. Zugleich möchten die Piraten mit alternativen Bezahl- und Finanzierungsmodellen wie Micropayment oder Crowdfunding und neuen Wegen der finanziellen Vergütung die Situation von Urhebern und Künstlern verbessern. Da Bildung für die Piraten ein zentrales Thema ist, sollen gerade Bildungs- und Forschungseinrichtungen erweiterte urheberrechtsfreie Zugänge zu allen europäischen Kulturgütern und mehr finanzielle Möglichkeiten für Digitalisierungs- und Archivierungsprojekte bekommen.
VI. Bildungs- und Hochschulpolitik mit Bezug zu den Kulturwissenschaften
Die Verbindungen zwischen Kulturpolitik, Bildungs- und Hochschulpolitik sind ebenfalls sehr eng. In Kultureinrichtungen wird vielfach auch Forschung und Bildungsvermittlung betrieben; zudem bringen geistes- und informationswissenschaftliche Forschungen auch für den Kulturbereich wichtige Erkenntnisse hervor. Diesen Kontext sehen auch die Piraten und möchten das im Vergleich zu den Naturwissenschaften schlechte Ansehen der Geisteswissenschaften verbessern, da das Bildungssystem nicht allein auf finanzielle, sondern auch auf gesellschaftliche und private Interessen der Menschen ausgerichtet sein muss, denn Innovation findet auch in den Bereichen statt, die nicht im Fokus des medialen (und ökonomischen) Interesses liegen. Aus diesem Grund soll die Projektförderung zugunsten der Langfristigkeit und möglichst breiter Aufstellung reformiert und insgesamt transparenter und gleichberechtigter werden. Dies würde den für die Kultur wichtigen wissenschaftlichen Bereichen sehr zugute kommen. Zudem darf Bildung, wie auch Kultur, nach den Piraten keine reine Ländersache mehr sein.
Als verbesserungswürdig wird im Programm auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bezeichnet und hier vor allem die grundlose Befristung von Stellen. Dabei wollen die Piraten nicht alle Stellen entfristen, sondern die Möglichkeiten erhöhen, begründete Befristungen ohne eine Maximalbeschäftigungsgrenze beizubehalten. Höhere Haushalte und Förderungskonditionen für die Universitäten sollen den prekären Situationen aller Wissenschaftler Abhilfe schaffen. Außerdem können nach den Piraten vermehrt frei zugängliche Bildungsressourcen, digitalisierte Kulturgüter und Forschungsergebnisse zu einer besseren Ausstattung der Bibliotheken und damit besseren Arbeitskonditionen für die Wissenschaftler beitragen. Gleichermaßen soll die Open-Access-Publikation Voraussetzung für öffentlich finanzierte Projekte sein. Anders finanzierte Forschungen sollen nach einem halben Jahr nach der Erstpublikation der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Hierfür möchten die Piraten Zuschüsse bereit stellen und die Eigenarchivierungsrechte von Autoren stärken. Ziel ist es dabei, universitäres Wissen nicht Studenten und Forschern vorzubehalten, sondern jedem Menschen die Chance auf Information und lebenslanges Lernen zu geben. Gleiches soll für die Produkte des Kulturbereiches gelten. Weiterverbreitung und kommerzielle Nutzung sind hierbei von den Piraten ausdrücklich erwünscht und sollen durch das neue Urheberrecht entsprechend gefördert werden.
VII. Personalpolitik im Kulturbereich und Künstlersozialkasse
Neue Absicherungen in der Kreativwirtschaft und in der Kultur sind ein großes Thema im Wahlprogramm der Piraten. Als zentral nennt Kramm eine Reform der Künstlersozialkasse. Deren Vergabekriterien möchten die Piraten transparenter gestalten und für noch wenig etablierte Berufe im Bereich der Kreativwirtschaft öffnen. Daneben steht die dauerhafte und nicht nur projektgebundene Absicherung der Künstler im Mittelpunkt. Hierfür sehen die Piraten auch eine bessere personelle Ausstattung der Künstlersozialkasse selbst als notwendig an.
Um die Sonderstellung von Kreativen im sozialen System angemessen abzusichern, soll nach dem Wahlprogramm ein größerer Teil des Kulturetats den Künstlern zugewiesen und die Einflussmöglichkeiten von Kulturmachern in Gremien erhöht werden. Zudem kann nach Ansicht der Piraten neben den neuen Vergütungsmöglichkeiten, die aus einem reformierten Urheberrecht hervorgehen sollen, auch ein Investitionspaket für Kultur die finanzielle Situation in der Kultur- und Kreativwirtschaft verbessern, Arbeitsplätze schaffen und Kunst und Kultur zu einer sichereren Lebensgrundlage machen. Nach Ansicht der Piraten werden sich aus dem digitalen Wandel hin zur Wissensgesellschaft neue Berufe entwickeln und die Zahl der Kulturschöpfenden wird wachsen. Dies soll gefördert und prekäre, befristete oder niedrigbezahlte Arbeitsverhältnisse zugleich vermieden werden.
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