30.08.2021

Themenreihe Wahlkultur

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Bundestagswahl 2021

Das kulturpolitische Programm der SPD

Welche kulturpolitischen Aspekte die größten deutschen Parteien zur Bundestagswahl 2021 für besonders wichtig erachten, zeigt unsere Reihe Wahlkultur. Dieser Beitrag basiert auf dem Wahlprogramm der SPD. Unsere zusätzlichen kulturpolitischen Fragen hat die Partei nicht beantwortet, sodass detaillierte Ideen mitunter fehlen.

Themenreihe Wahlkultur

I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm
 
Das "Zukunftsprogramm" der SPD zur Bundestagswahl ist mit 66 Seiten das kürzeste der Wahlprogramme der großen Parteien. Mit zwei Seiten Länge ist der Abschnitt zu Kultur aber nicht weniger umfangreich als bei den anderen Parteien. Vielfalt, gleiche Teilhabe und der Respekt vor der Verschiedenheit der Menschen sind dabei für die SPD die Basis für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Damit setzt sich die Partei für Werte ein, die in engem Zusammenhang zur Kulturarbeit stehen, ohne dies jedoch spezifisch zu nennen. Grundsätzlich versteht die SPD den Zugang zu Kultur als soziales Grundrecht und Kultur als "lebensnotwendig, als Inspirationsquelle und Katalysator von Debatten. Viele Fragen, die uns zurzeit bewegen, sind im Kern kulturpolitische Fragen. Wir erleben ja nicht nur die Bedrohung des sozialen Zusammenhalts, sondern auch ein Schwinden des gemeinsamen Sinns und der gemeinsamen Wertegrundlage" (S. 48) - und diese soll Kultur scheinbar wiederherstellen.
 
II. Besonders betonte Inhalte des kulturpolitischen Programms
 
Zwar schreibt die SPD der Kultur scheinbar einen gewissen gesellschaftlichen Stellenwert zu, im Wahlprogramm finden sich jedoch nur wenige spezifische Anliegen zu den wichtigsten kulturpolitischen Inhalten. Dazu gehört die kritische Auseinandersetzung und Aufklärung über NS-Verbrechen, SED-Diktatur und die koloniale Vergangenheit als Teil des Kampfes gegen Rassismus. Hier möchte die SPD neue Formen der Erinnerungs- und Gedenkkultur sowie einen veränderten Umgang mit kolonialem Sammlungsgut in Museen etablieren und fördern. Wie genau diese neuen Formen und Handhabungen aussehen sollen, bleibt unklar. Antworten auf unsere Fragen wären hier sicherlich hilfreich gewesen.
 
Weitere Schwerpunkte sind die Digitalisierung und anschließende Verfügbarmachung von Kulturinhalten und Kunstprojekten sowie die Entwicklung neuer Kulturveranstaltungen und Erlösmodelle. Dabei setzt sich die SPD für eine europäische Medienplattform in Partnerschaft mit Museen und anderen Kultureinrichtungen, für mehr frei lizensierte Inhalte sowie eine stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit ein, insbesondere zwischen den Bereichen Medien, Kultur und Bildung. Darüber hinaus bleibt das Wahlprogramm auch hier eher vage. Hinsichtlich spezifischer Fördervorhaben werden nur die Film- und Kinoförderung, Games als "Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor" (S. 48) sowie digitale Bildung genannt.
 
III. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte
 
Das Wahlprogramm der SPD nennt als Hauptziele "den Klimawandel bewältigen, die Arbeit von morgen schaffen, Chancen und Lasten gerecht verteilen, die Gesellschaft zusammenhalten" (S. 3). Dabei haben die Pläne der Partei auch Auswirkungen auf den Kulturbereich, auch wenn diese nicht immer spezifisch ausformuliert sind. In Bezug auf den Klimawandel sollen beispielsweise alle öffentlichen Gebäude Solarstrom generieren sowie gemeinschaftliche Eigenversorgungs- und Beteiligungsmodelle unterstützt werden, was für for-profit- oder nicht-kommunale Kultureinrichtungen interessant sein können. Zudem möchte die SPD klimagerechtes Bauen auch für öffentliche Einrichtungen verbindlich machen - ein durchaus weitreichender Anspruch, denkt man an die zahlreichen Kulturneubauten der letzten Jahre. 
 
Hinzukommen Pläne für Kreislaufwirtschaft, Müllreduktion und Ressourcenschonung. Schließlich fordert die Partei, die öffentliche Beschaffung und Vergabe entsprechend dem sozial-ökologischen Wandel umzustellen. Dies soll der Nachhaltigkeit, aber auch der Tarifbindung und Geschlechtergerechtigkeit dienen und könnte die Situation von Freelancer*innen und Soloselbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft verbessern. Gleiches gilt für die Förderung der ländlichen Infrastruktur sowie des inländischen Tourismus. Im Wahlprogramm der SPD finden sich als weitere Pläne für die öffentliche Verwaltung ein höheres Maß an Partizipation und Transparenz bei der Entscheidungsfindung, eine Digitalisierungsoffensive und ein Bundesprogramm "Gemeindehaus 2.0", das Angebote von Bildung, Sport, Kultur und Jugendarbeit sowie digitale Infrastruktur bündeln soll. 
 
Ein weiteres großes Thema der SPD ist Bildung. Hier möchte die Partei mehr Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen und die digitale Mündigkeit der Bürger*innen verbessern. Dabei könnten Kulturschaffende einerseits von dem geplanten Modell der geförderten Bildungsteilzeit profitieren, um sich unabhängig vom Betrieb und bei verminderter Arbeitszeit weiterbilden zu können. Andererseits soll für die SPD mit dem Bildungsschwerpunkt eine stärkere Förderung der Volkhochschulen einhergehen sowie eine Unterstützung kultureller Digitalisierungsmaßnahmen. 
 
Die meisten Pläne der Partei hinsichtlich Digitalisierung betreffen jedoch die Digitalwirtschaft, wobei das Programm keinen Bezug zwischen dieser und der Kultur- und Kreativwirtschaft oder dem öffentlichen Kulturbereich herstellt. So gibt es ein eigenes Kapitel zu Gleichstellung, die darin genannten Maßnahmen zielen aber primär auf große und Tech-Unternehmen ab. Darüber hinaus werden zu den Bereichen Gleichstellung, LGBTIQ* und Migration vor allem rechtliche Maßnahmen genannt und nur wenig zur Anerkennung in der Gesellschaft und der diesbezüglichen Rolle von Kultur. Auch in Hinblick auf Forschung liegt der Fokus der SPD vor allem auf technologischen Entwicklungen. Hier werden kulturelle und soziale Innovationen sowie eine höhere Forschungsförderung für die Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften aber durchaus erwähnt, "um aktuelle und kommende gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern" (S. 21). 
 
IV. Arbeitsbedingungen im Kulturbereich
 
Die SPD versteht sich als Partei der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit. Entsprechende Forderungen, auch spezifisch für den Kulturbereich, sind deshalb ein zentraler Aspekt des Parteiprogramms. Grundsätzlich sieht die SPD in Start-Ups und Selbstständigkeit fördernswerte Ansätze, identifiziert aber in der unzureichenden Absicherung von Künstler*innen und Selbstständigen ein Problem. Deren Schutzlücken sollen durch eine Versicherungspflicht, angepasste Beiträge und die Integration aller Beschäftigungsverhältnisse in die gesetzlichen Versicherungen geschlossen werden. Zudem sieht das Programm der SPD vor, die Regelungen für Arbeitsformen im Bereich Film und Theater zu vereinfachen und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen auszubauen. Und die Partei möchte Mindestgagen und Ausstellungshonorare fest etablieren. Auch die Verringerung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen sowie die weitgehende Abschaffung sachgrundloser Befristungen dürften Kulturschaffende besser stellen.
 
Ein zweiter Schwerpunkt der SPD hinsichtlich besserer Arbeitsbedingungen ist Gleichstellung und Integration. Dabei sieht die Partei in der Rückkehr in alte Rollenmuster ein Problem, das Corona verdeutlicht hat und dem sie entgegenwirken will. Aufgrund des hohen Frauenanteils im Kulturbereich könnten entsprechende Maßnahmen sich hier besonders stark auswirken. Zudem muss für die SPD der öffentliche Dienst Vorbild in Sachen Integration und Diversität auch beim Personal werden. Hier fordert das Programm eine Integrationsoffensive zugunsten marginalisierter Personengruppen für Stellen und Karrieren im öffentlichen Dienst. Dies soll unter anderem mittels zielgruppenspezifischer Formulierungen von Stellenausschreibungen, der Anerkennung von Vielfaltskompetenzen sowie von im Ausland erworbenen Qualifikationen erreicht werden. Inwieweit sich dies im Kulturbereich mit seinen eigenen Bewertungsmaßstäben für berufliche Kompetenzen und Erfahrungen umsetzen lässt, wird nicht thematisiert.
 
Schließlich setzt sich die SPD für eine Stärkung von Betriebsräten auch in kleineren Unternehmen ein sowie für mehr Mitbestimmungsrechte bei Werkverträgen oder bei der Personalbemessung, damit Überlastungen beseitigt werden. Hier wird der öffentliche Dienst zwar nicht spezifisch erwähnt, doch könnten entsprechende Änderungen das Arbeiten in der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie in öffentlichen Kultureinrichtungen positiv beeinflussen. Das gilt auch für den geplanten Rechtsanspruch auf mobiles, flexibles Arbeiten. Wie sich dies mit dem Arbeitsschutz verbinden lassen soll, bleibt jedoch offen.
 
V. Gestaltung des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
 
Die SPD bekennt sich in ihrem Parteiprogramm klar zur föderalen Struktur in Deutschland und will diese aufrecht erhalten, aber das "Silodenken der politischen Ebenen und Ressorts überwinden" (S. 25). Dies gilt vor allem auf Bundesebene und es bleibt unklar, inwiefern davon Kulturförderung und Kulturpolitik betroffen wären. Grundsätzlich erachtet die SPD Kulturpolitik als existentiell, möchte Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern und "die kulturpolitischen Spitzengespräche zu einem bundesweiten Kulturplenum weiterentwickeln, in dem neben Kommunen, Ländern und Bund auch Kulturproduzent*innen, ihre Verbände und die Zivilgesellschaft vertreten sind." (S. 48). Zudem will die Partei Kommunen dauerhaft finanziell in die Lage versetzen, Kunst und Kultur zu fördern. Zugleich sollen die Bundeskulturfonds ausgebaut und Programme entwickelt werden, mit denen kulturelle Freiräume gesichert und entwickelt werden können. 
 
VI. Auswärtige Kulturpolitik und -förderung
 
Hinsichtlich der auswärtigen Kulturpolitik finden sich im Wahlprogramm der SPD kaum Hinweise, im Kapitel zur EU wird Kultur nicht einmal erwähnt. Die Partei positioniert sich aber deutlich zugunsten der Europäischen Union, die "den unermesslichen Wert kultureller Vielfalt für unsere Gesellschaften für viele erlebbar gemacht" hat (S. 6). In diesem Kontext möchte sie den Kulturaustausch nutzen, um sowohl "gesellschaftliche und künstlerische Zusammenarbeit in Europa als auch die europäischen Werte wie Offenheit, Gleichheit, Freiheit und Humanismus" zu betonen (S. 49). Die SPD sieht in Kulturnetzwerken, -plattformen und -akteur*innen wie dem Goethe-Institut Partner staatlichen Handelns, gerade auch in Bezug auf über Europa hinausgehende Themen wie den Kolonialismus. Was genau diese Positionierung in der Praxis bedeuten soll, lässt das Parteiprogramm aber offen.
 
Fazit
 
Das Wahlprogramm der SPD zeigt, dass sich die Partei vieler Probleme des Kulturbetriebs bewusst ist und vor allem die Arbeitssituation von Kulturschaffenden verbessern möchte. Dabei hat sich an den grundsätzlichen kulturpolitischen Zielen seit 2017 nicht viel verändert. Insgesamt ist das Programm recht ausgeglichen und beachtet sowohl die Kultur- und Kreativwirtschaft als auch öffentliche Kultureinrichtungen mit ihren jeweiligen Mitarbeiter*innen. Allerdings bleibt bei zahlreichen Aspekten unklar, wie die SPD ihre Forderungen konkret umsetzen will. Mangels der Antworten auf unsere Fragen kann zudem für viele Punkten nur gemutmaßt werden, wie sich die entsprechenden Forderungen auf den Kulturbereich auswirken können.
 
Grundsätzlich finden sich im Wahlprogramm aber nur wenig Inhalte zu Kultur. Das gilt auch für übergreifende Themen mit Kulturbezug wie gesellschaftlichem Zusammenhalt, Migration oder Gleichstellung. 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB