20.03.2020
Themenreihe Digitale Formate
Autor*in
Laura Geissler
ist Online Marketing- und Content-Managerin bei der Arithnea Agentur für digitale Transformation und Kommunikation. Sie studierte Informationsmanagement & Unternehmenskommunikation sowie Kulturwissenschaft & Kulturmanagement. Sie sammelte Arbeitserfahrung in vielen Bereichen der Onlinekommunikation, unter anderem im Städel Museum und der Liebighaus Skulpturensammlung, beim Condé Nast Verlag und bei den BR Klangkörpern.
Veronika Schuster
ist ausgebildete Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie hat mehr als 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Kuratorin für verschiedene Ausstellungsprojekte und Kultureinrichtungen gearbeitet. Sie verantwortet bei Kultur Management Network die Leitfäden und Arbeitshilfen und arbeitet als Lektorin und Projektleiterin für unterschiedliche Publikationsformate.
Wo alle Informationen zusammenlaufen
Content und die Emotionen des Publikums
Der Kulturbetrieb ist Meister darin, Geschichten zu erzählen. Diese wichtige Fähigkeit könnte er für viele Marketingmaßnahmen perfekt nutzen, die vielen offensichtlichen, verborgenen und vergessenen Inhalte heben und dem Publikum auf verschiedenen Wegen zur Verfügung stellen.
Themenreihe Digitale Formate
KMN: Liebe Frau Geissler, warum muss sich der Kulturbetrieb Gedanken über ein Thema wie Content-Management und -Marketing machen?
Laura Geissler: Das Angebot im Kultur- und Freizeitbereich ist riesig und wächst weiter. Marketingmaßnahmen, die sich auf Veranstaltungen oder Kostenvergünstigungen konzentrieren, reichen nicht mehr aus. Der Kulturbetrieb muss sich mehr denn je für das Publikum interessant und relevant machen, um die Nachfrage anzukurbeln. Das bedeutet, dass der frühere, eher eingleisige Push-Mechanismus von Marketingmaßnahmen, bei denen die Menschen mit Material überhäuft wurden, von einem inhaltlich starken Angebot abgelöst wird. Der Grund liegt darin, dass Menschen durch das Internet aktiv und autonom nach Informationen, Wissen und Unterhaltung suchen. Deshalb muss man mit starken Inhalten Aufmerksamkeit generieren.
Ein weiterer Aspekt ist, dass sich der Kulturbetrieb bei vielen Online-User*innen erst einmal bekannt machen muss. Hier setzt das Content-Management an, für das Storytelling ein wesentlicher Ansatzpunkt ist. Nur mit guten "Geschichten" hat man die Möglichkeit, Zielgruppen in ihrem Alltag, bei ihren Bedürfnissen abzuholen, und kann sie an die Kultureinrichtung binden. Wenn man das gut macht, kann man sehr viel erreichen.
KMN: Das Ziel von Content-Marketing ist es also nicht, die Botschaften in einer Einbahnstraße nach außen zu senden, sondern die Besucher*innen aktiv auf die eigenen Kanäle zu ziehen und einzubinden. Welche Inhalte kann der Kulturbetrieb nutzen/anbieten, die ihn für "die Welt da draußen" einmalig und wertvoll machen?
LG: Der Kulturbetrieb ist in einer wirklich luxuriösen Lage. Kein anderer Bereich kann seine Geschichten selbst generieren. Im Kulturbetrieb ist der "Content" das Produkt. Zum einen natürlich inhaltlich, seien es die Kunstausstellungen oder die Theateraufführungen, über die man erzählen kann, über die Kunstwerke, deren Anknüpfungspunkte im Hier und Jetzt usw. Aber zum anderen sind auch die Geschichten aus dem Off, also das Hinter-den-Kulissen, voll mit spannenden Erzählungen für das Publikum: Wie entsteht Kunst? Wie entwickeln sich Ausstellungen oder Konzerte? Wenn die Nutzer*innen dann noch teilhaben und sich austauschen können, findet man einen emotionalen oder sogar wissenschaftlichen Zugang zu verschiedenen Publikumsgruppen. Solche Anknüpfungspunkte zwischen Angebot und Zielgruppe zu finden, ist Aufgabe von Content-Manager*innen.
KMN: Wie aber findet man diese Anknüpfungspunkte?
LG: Ich selbst spreche zu Beginn einer Maßnahme mit unbeteiligten Dritten über das Thema, das ich plane. Man kann sich das vorstellen wie eine kleine Marktforschung. Für mich ist dabei wichtig, zu erfahren, wie die Inhalte aufbereitet sein müssen, damit sie Interesse wecken. Das ist darum wichtig, da man als "Interne*r" schnell betriebsblind wird und zu sehr an den eigenen Inhalten festhält. Diese erreichen aber nicht unbedingt das Zielpublikum.
KMN: Wie müssen dabei die verschiedenen digitalen Kanäle bespielt werden? Was bedeutet das für die "Qualität" und den "Charakter" der Inhalte und deren Aufbereitung für die Kanäle?
LG: Man muss wissen, was man mit welchem Kanal erreichen möchte. Jede Einrichtung muss für sich festlegen, welchen Rang welches Medium einnehmen soll. Das heißt, ohne gewisse strategische Überlegungen geht es nicht. Dabei kann beispielsweise die Website ein Serviceangebot sein, bei dem alle wichtigen Informationen zur Nutzung des Angebots aufbereitet werden. Man reagiert dabei auf die bewusste Suche von Nutzer*innen nach Informationen für die Vorbereitung eines Besuchs. Ein Blog wiederum kann ein Sprachrohr für eine ausführliche und vertiefende Auseinandersetzung mit Themen sein, die in einem engen Bezug zur Einrichtung und dessen Angeboten stehen. Social Media dagegen bewegen sich auf einer Unterhaltungsebene. Komplexe Themen spielen weniger eine Rolle. Es geht hier darum, Neugierde zu wecken, sich interessant zu machen und die User auf den Blog oder auf die Webseite zu locken. Was man immer im Blick haben muss, sind die Nutzungskontexte. Sie bestimmen die Aufbereitungsweise des Contents. Denn ein*e Facebook-User*in nutzt die 4-Minuten-Wartezeit an der Bushaltestelle und will kurzweilige Inhalte. Und daran muss sich der Text in Länge und der Tonalität anpassen. Bei einem Blog hat der/die User*in eher die Bereitschaft, sich mit einem längeren Text zu beschäftigen.
KMN: Haben hier die Zielgruppen von Kultureinrichtungen spezielle Bedürfnisse?
LG: Die Bedürfnisse der Nutzer*innen generieren sich aus den Erfahrungen, die sie in anderen Kontexten machen. Und dabei heißt es: Umso schneller Laien den Einstieg in ein Thema finden können, umso besser. Das bedeutet auch, dass der Erfolg mit der Aufbereitung der Inhalte steht und fällt. Was ebenso eine erhebliche Rolle spielt, ist das Nutzungserlebnis. Da spielt so etwas Schlichtes wie die Ladezeit einer Website ebenso hinein wie ein selbsterklärender und übersichtlicher Aufbau. Andere Bereiche, insbesondere der Onlinehandel, geben hier die User*innenfreundlichkeit vor. Da haben die Zielgruppen von Kultur keine spezielleren Ansprüche als andere.
KMN: Welche Content-Formate sind für den Kulturbetrieb besonders geeignet? Text, Bild, Videos, Interaktive Grafiken usw.?
LG: Das kommt auf die Geschichte an, die erzählt werden soll, und ob sie durch bestimmte Formate in ihrem Erzählziel und -form unterstützt werden. Aber auch hier darf der Nutzungskontext nicht außer Acht gelassen werden. Videos für Facebook sind ein gutes Beispiel. 95 Prozent der Nutzer*innen schauen Videos auf Facebook ohne Ton. Die meisten nutzen Facebook unterwegs und möchten so andere nicht stören. Das heißt, hier müssen Videos ohne Sound funktionieren. Man muss sich also mit vielen, auch kleineren Aspekten auseinandersetzen, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
KMN: Neue digitale Kanäle schießen in einem beinahe irrwitzigen Tempo aus dem Boden. Muss der Kulturbetrieb dabei immer auf den nächsten Zug aufsteigen?
LG: Nein, das muss er natürlich nicht. Er sollte sogar kritisch bleiben und hinterfragen, was seinen Zwecken dienlich ist. Die knappen menschlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen schließen das Trendhopping meist ohnehin aus. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, welche Ziele ich verfolge und wie ich diese bestmöglich erreichen kann. Aber man sollte auch nicht grundsätzlich abblocken. Denn die eine oder andere Möglichkeit kann man gerade bei knappen Mitteln gut für sich nutzen. Wenn ein neues Medium bei meiner Zielgruppe begeistert genutzt wird, wäre es eine vertane Chance, es nicht zu versuchen. Oft ist es gerade für kleinere Einrichtung auch eine Frage der Kooperation und Vernetzung, die Ressourcen schonen können. Das ist mitunter Aufgabe eines versierten Community-Managements.
KMN: Im Moment nutzt der Kulturbetrieb unverändert zahlreiche analoge Werbeaktionen. Könnte das Geld nicht anders investiert werden?
LG: Eine Verallgemeinerung ist hier nicht ratsam. Denn es gibt Angebote, deren Zielgruppe die klassischen Werbemedien als Informationsquelle nutzen, und diese würde man dann nicht mehr erreichen. Gerade im klassischen Musikbereich ist etwa das Plakat noch immer eine wichtige Größe, auf die man nicht verzichten kann. Auf der anderen Seite gibt es auch in der Kultur Veranstaltungsformate, die bereits ausschließlich über Onlinemedien beworben werden, da die Besucher*innen ihre Informationen dort einholen. Es ist eine Frage der Mediennutzung der verschiedenen Zielgruppen und die verlangen durchaus einen gesunden Medien-Mix.
KMN: Wie müssen Kultureinrichtungen intern arbeiten, damit geeignete Inhalte entstehen und für die verschiedenen Ansprüche genutzt werden können?
LG: Meine Aufgabe als Content-Managerin ist es, alle Abteilungen und Kolleg*innen zusammenzubringen. Nur wenn die Informationen aus allen betreffenden Gewerken wie Vermittlung, Kommunikation, Presse, Künstlerische Abteilungen zusammenfließen, können sie nutzbar gemacht werden. Des Weiteren ist es eine Aufgabe, die Ängste, die mit den neuen Medien und Strukturen zusammenhängen, abzubauen und den Mut zu wecken, es auszuprobieren. Eingefahren Strukturen aufzubrechen, ist dabei eine große Herausforderung. Man muss deutlich machen, das Content-Management keinen Mehraufwand bedeutet, sondern im Gegenteil Arbeit und Zeit einspart. Denn wenn die Inhalte zentral zur Verfügung stehen, weiß jeder, wo sie sind und wie sie genutzt werden können. Daher ist es wirklich immer noch sehr erstaunlich, dass der Kulturbereich hier sehr dünn aufgestellt ist. Aber wenn sich der Erfolg einer gut geplanten Maßnahme einstellt, kann man viel Begeisterung weitertragen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Ein bisschen Marketing"
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