13.08.2021
Buchdetails
Einführung in die Kulturbetriebslehre
von Peter Tschmuck
Verlag: Springer VS
Seiten: 195
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Autor*in
Jessica D.S. Knall Seemeyer
ist geschäftsführende Inhaberin der Kommunikationsagentur für Werte & Gesellschaft in Freiburg im Breisgau, deren Auftraggeber vorwiegend aus dem wertebasierten Non-Profit-Bereich kommen. Themen, die sie dort bearbeitet, beinhalten neben Ökologie & Nachhaltigkeit auch den interkulturellen und interreligiösen Dialog, Zukunft der Demokratie, Flüchtlingsthematik & Migration sowie Vermittlungsmöglichkeiten der Kreativbranche. In vierter Generation aus einer Kunsthändlerfamilie stammend, war sie selber viele Jahre im Vorstand eines klassischen Freiburger Musikensembles und im Vorstand der Stiftung Haus der Musik am Schloss Ebnet tätig.
Buchrezension
Einführung in die Kulturbetriebslehre
Peter Tschmuck legt ein Einführungswerk in die wissenschaftlich noch recht junge, aber zunehmend relevante Disziplin der Kulturbetriebslehre vor. Das Werk gibt einen Überblick sowohl zum Fachbereich selbst als auch zum Verständnis von dessen Grundbegriffen.
Ob BWL, Kulturmanagement oder Kulturpolitik: Keine dieser Wissenschaftsdisziplinen liefert jene allumfassenden Grundkenntnisse, die für den Betrieb und die Leitung einer Kulturinstitution gebraucht werden. Dies gilt vor allem für die Wechselwirkungen zwischen den Organisationsformen des Kulturbetriebs und dem Kulturmanagement sowie den Konfliktlösungen zwischen beiden. Peter Tschmuck, Professor für Kulturbetriebslehre in Wien, plädiert daher in seinem 2020 im Springer Verlag veröffentlichtem Band eindringlich für einen eigenständigen transdisziplinären Wissenschaftszweig der Kulturbetriebslehre an den Universitäten, der sämtliche notwendigen Lehrinhalte für das Leiten eines Kulturbetriebes umfassen könnte. Die Kulturbetriebslehre besteht dabei auf eine gleichberechtigte Differenz von Kultur und Organisation und beleuchtet fokussiert die Rolle institutioneller Settings für den Entstehungsprozess von Kulturgütern in Abgrenzung vom Kulturmanagement als der Administration dieser Institutionen.
Grundlagenbegriffe im historischen Diskurs
Wer vom Titel des Buches her eine Anleitung und einen Überblick für das Management einer Kulturinstitution erwartet, wird enttäuscht werden. Denn Peter Tschmuck konzentriert sich in seinem Einführungswerk ganz auf den Wissenschaftsdiskurs zur Einordnung des noch jungen Forschungszweiges der Kulturbetriebslehre. Dafür liefert er ausführliche Diskussionen zu den Grundbegriffen und ihren Definitionen (z.B. Institution versus Betrieb; öffentliches, rechtliches, ökonomisches Gut versus Informationsgut oder Kulturgut usw.), deren Verständnis seiner Meinung nach eine grundsätzliche Basis im Kulturmanagement darstellen. Verschiedene betriebswirtschaftliche und kulturökonomische Modelle und Ansätze werden differenziert vorgestellt, ökonomische und kulturelle Auffassungen eines Sachverhalts gegenübergestellt und in Bezug zueinander gesetzt. Für Wissenschaftstheoretiker*innen und Studienanfänger*innen sind das wertvolle, umfassende und detaillierte Informationen, für Praktiker*innen in Kulturbetrieben liefern die Begriffsdefinitionen nochmal eine Erinnerung bezüglich dessen, was Kunst und Kultur ausmacht und wie sie gegeneinander abzugrenzen sind.
Tschmuck arbeitet sich von der Steinzeit bis in die Gegenwart vor und liefert einen historischen Überblick zum Kunst- und Kulturbegriff, mittels dem die gegenwärtigen Begriffsdefinitionen anschaulich nachvollzogen werden können. Ausführliche Fallbeispiele, die während des Lesens - wenn bereits bekannt - auch übersprungen werden können, untermalen seine Theorien und dienen der Verdeutlichung und Konkretisierung.
So legt der Autor die Weiterentwicklung des Kunstbegriffs vom 19. zum 20. Jahrhundert dar und verdeutlicht, warum heutzutage Kunst nicht nur als autonomes und eigenständiges Werk eines Genies angesehen wird, sondern als Ergebnis des sozialen Praxisfeldes, aus dem heraus ein Gegenstand oder eine Handlung als Kunst verstanden und bezeichnet wird, solange Kulturvermittlung mittels symbolhafter Interpretation gegeben ist. Analoge Diskussionen führt der Autor zu den Begriffen "Kultur", "Betrieb" und "Güter" durch.
Spannungsfeld Ökonomie und Kunst
Das Spannungsfeld zwischen ökonomischen Zielsetzungen und Wertsetzungen des Kunstbetriebes wird vor allem in den Kapiteln zur Abwägung zwischen den Fachinhalten der Betriebswirtschaftslehre und des Kunstmanagements deutlich. In der Abwägung zwischen ökonomischem und kulturellem Wert der Kunst kommt Tschmuck zu der Erkenntnis, dass Wirtschaft und Kunstwelt auch als Spielwiesen verstanden werden können. Es seien Kommunikationssysteme, die selbstreferenziell ganz spezifische Spielregeln ausbilden. Führende Theorieansätze der Ökonomie bezieht der Autor in seiner Abwägung mit ein, dort scheint er über sehr umfassendes und profundes Wissen zu verfügen. In der Wirtschaft werde mit Zahlungen gespielt, in der Kunstwelt mit dem Symbolhaften. Kunst gelange vor allem aufgrund einer emotional-ästhetisch/qualitativen Beurteilung zu ihrem ökonomischen Wert. Der Autor bleibt dabei sehr wissenschaftstheoretisch. Die Betriebswirtschaftslehre steht häufig im Fokus - hier gewichtet der Autor nicht ausgewogen.
Leider fehlt die Betrachtung des Studienfachbereiches des Non-Profit-Managements gänzlich: eine Disziplin, die sich allein mit dem Führen und Managen wertebasierter Institutionen beschäftigt. Vielen von Tschmucks Kritikpunkten zu anderen Disziplinen würde dieser Fachbereich gerecht werden. Eine Abwägung, wie die Kulturbetriebslehre und die Lehre des Non-Profit-Managements sich ergänzen und gegenseitig bereichern, wäre deshalb wünschenswert gewesen.
Notwendige Fachkenntnisse in der Ausbildung von Kulturmanager*innen
Mit der Rollenbeschreibung von Kulturmanager*innen im Spannungsgefüge zwischen Wirtschaft und Kultur spiegelt der Autor auch die vielfältigen Fachkenntnisse wider, die im Kulturmanagement von Institutionen gebraucht, aber in keiner eigenständigen Wissenschaftsdisziplin zusammenhängend und transdisziplinär betrachtet werden: Interaktionen zwischen der Art der Betriebsform auf der einen Seite und dem Kulturmanagementprozess auf der anderen Seite werden thematisiert. Tschmuck deutet dabei auf die aktuellen Veränderungen im Berufsstand des Kulturmanagements hin und bemängelt die Vernachlässigung des Betriebsmanagements in dessen Lehre. Gerade die letzten Kapitel seines Einführungswerkes können daher als Plädoyer für den Ausbau und die weitere Etablierung einer eigenständigen Fachdisziplin zur Kulturbetriebslehre empfunden werden.
Leider bricht der Autor nicht seine Erkenntnisse ins Konkrete herunter. Praktische Handlungsansätze und Lösungsvorschläge bleiben aus, der Autor sieht seine Aufgabe eher darin, mit differenzierten Problemdarstellungen bei der Ausbildung von Kulturbetriebsmanager*innen in der derzeitigen Wissenschaftslandschaft zu überzeugen.
Fazit
Das Fachbuch bietet einen guten Überblick über den wissenschaftstheoretischen Ansatz der Kulturbetriebslehre. Fallbeispiele lockern die Lektüre auf, veranschaulichen gut, fallen mitunter allerdings sehr lang aus. Zudem kann man dem Buch vereinzelte Redundanzen vorhalten. Auch der Wissenschaftsdiskurs hätte streckenweise knapper und pointierter formuliert werden können.
Für Wissenschaftstheoretiker*innen oder Grundlagenforscher*innen sind die vielen differenzierten und detailgenauen Betrachtungen dennoch interessant. Für Praktiker*innen im Kulturbetrieb wären kürzere Theoriekapitel und dafür mehr Praxishinweise, Organigramme oder strukturelle Auswirkungen gewisser Spannungsfelder hilfreich gewesen. Trotzdem ist Peter Tschmuck ein gutes Einstiegswerk gelungen, welches einen Überblick über das weite Feld des Fachbereichs gibt und dabei nicht nur vergangene Entwicklungen, sondern auch zukünftige Herausforderungen in den Blick nimmt.
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