04.07.2016
Themenreihe Preise & Ticketing
Buchdetails
Preispolitik für Theater: Strategische Preisgestaltung zwischen Einnahmesteigerung und öffentlichem Auftrag
von Tom Schößler
Verlag: Springer VS
Seiten: 340
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Autor*in
Rainer Glaap
ist freier Autor und befindet sich seit dem 01.01.2020 im (Un)Ruhestand. Er war davor die letzten 15 Jahre bei CTS EVENTIM für das Produktmarketing der Ticketinglösung EVENTIM.Inhouse verantwortlich, die bei zahlreichen Kultureinrichtungen in Deutschland, Finnland, Italien, der Schweiz u.a. im Einsatz ist. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Kulturmarketing und Ticketing. Seit Mitte 2022 beschäftigt er sich in seinem Blog Publikumsschwund mit Besuchszahlen nach dem Ende der Pandemie, Anfang 2023 begann er, sich mit den historischen Dimensionen der Publikumsentwicklung der verschiedenen Sparten des deutschen Theaters zu beschäftigen.
Buchrezension
Preispolitik für Theater
Über die Preisgestaltung an öffentlichen Kultureinrichtungen wird nicht selten hoch emotional diskutiert und gestritten. Wie viel darf Kultur kosten? Was bringt freier Eintritt für alle? Welche alternativen Preismodelle können funktionieren? Gut also, wenn eine empirische Untersuchung zu diesem Thema erscheint, welche die Grundlage für eine sachliche und konstruktive Diskussion schaffen kann.
Themenreihe Preise & Ticketing
Nun liegt erstmals eine umfassende Studie zur Preispolitik in öffentlichen Theatern vor. Der Verfasser ist Tom Schößler, Verwaltungsleiter am Theaterhaus Stuttgart, der damit seine Dissertationsschrift am Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg vorlegt.
Der Forschungslücke den Kampf ansagen
Der Forschungslücke den Kampf ansagen
Am Anfang von Schößlers Untersuchung stand die Beobachtung, dass die deutsche Kulturmanagement-Forschung bei dem Thema Preispolitik eine große Forschungslücke aufweist. Das Thema bietet so vielfältige und weitreichende Fragestellungen an, dass eine einzige Untersuchung es nicht leisten kann, diese Lücke zu schließen. Viel wichtiger ist allerdings, dass es dem Autor gelungen ist, einen Überblick zu den Mechanismen des Marketinginstruments zu schaffen, für preispolitische Fragen zu sensibilisieren, wichtige Stimmen zusammen zu tragen und erste Schlüsse aus empirischen Analysen und qualitativen Befragungen zu ziehen.
Als Grundlage der Analyse dient dem Autor die Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Hier betrachtet er aus Gründen der Vergleichbarkeit ausschließlich Ensembletheater und kommt so auf ein Vergleichsfeld bestehend aus 102 Theaterhäusern. Es folgt eine Darstellung der Ausgangssituation an deutschen öffentlichen Theatern, der bestehenden Preispolitik, der strategischen Entscheidungsfelder, der Prinzipien der Preisdifferenzierung und unterschiedlichen Preismodelle. Im ersten, quantitativ angelegten Untersuchungsteil unterzieht Schößler gut zwei Dutzend Indikatoren der Preispolitik einer umfangreichen statistischen Analyse. Im zweiten, qualitativ angelegten Teil der Studie folgt die Auswertung von 18 Experteninterviews. Die Gespräche wurden mit den Mitarbeitern der Theater geführt, die für die Preisgestaltung des jeweiligen Hauses die Hauptverantwortung tragen. Je nach Rechts- und Organisationsform waren dies Geschäftsführer, kaufmännische Leiter oder Verwaltungsleiter.
Das schlafende Potenzial des Erlösmanagements
Die Studie verweist darauf, dass Preispolitik im Theater ein bisher wenig beachtetes Feld ist und neben dem Marketing im Wesentlichen die Eigenfinanzierung der Theater betrifft, deren Beitrag zu den Einnahmen über den Verkauf von Abonnements und Einzelkarten geleistet wird. Aus der Theaterstatistik ist ablesbar, dass die Eigeneinnahmen Anfang der 50er Jahre in der Bundesrepublik noch bei fast 40% lagen, 1991/92, dem wirtschaftlich schwierigsten ersten Jahr nach der Wiedervereinigung auf fast 13% absackten und sich heute bei ca. 18 Prozent eingependelt haben.
Ausgelastet aber nicht umsatzstark
In Deutschland hat Theater den kulturpolitischen Auftrag, den BürgerInnen die Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen Normalverdienern ebenso wie Rentnern, Schülern und Studenten. Theater kann und darf also nicht bloß rein betriebswirtschaftlich betrachtet werden. Gleichzeitig sollen die Theater jedoch immer mehr Eigeneinnahmen erwirtschaften, um steigende Personal- und Instandhaltungskosten deckeln zu können. Denn an vielen Häusern werden z.B. Tarifsteigerungen für die Beschäftigten am Theater, die erhebliche Auswirkungen auf die Budgets haben können, nicht mehr von den finanzierenden Kommunen oder Bundesländern übernommen. Was läge also näher, als die Tarifsteigerungen durch Preiserhöhungen aufzufangen? Diese kommen aus den o.a. Gründen allerdings häufig nicht in Frage. Zudem gilt die Auslastung immer noch als wichtigste Kenngröße für die Bewertung des Erfolgs von Theatern obwohl sie doch wenig über den Umsatz des Hauses aussagt. Hier ist laut Schößler auf Dauer ein Umdenken in der Steuerung erforderlich.
Preisgestaltung im Wandel
In den Theatern fand Schößler häufig eine hohe Preiskomplexität in der Kombination aus Platzkategorien und -gruppen, die zusammen mit Ermäßigungen, Rabatten und Sonderaktionen leicht dreistellige Kombinationen aufweisen kann. Es wird schon an vielen Stellen mit variablen Preisen gearbeitet: So sind Premierenkarten teurer, samstags gelten andere Preise als z.B. dienstags, am Wochenende gibt es keine Studentenermäßigung, etc. Eine dynamische Gestaltung von Eintrittspreisen wird bereits in anderen Ländern durchaus erlössteigernd eingesetzt (z.B. beim niederländischen Hollandfestival), im deutschen Theatersystem halten die befragten Experten dies aber nicht für möglich, wobei bei der Befragung klar wurde, dass das Wissen über die Funktionsweise dynamischer Preisgestaltung nur sehr rudimentär vorhanden ist. Schößler arbeitet klar heraus, dass die Preisgestaltung der Theater bisher kaum wissenschaftlichen Grundsätzen folgt und sich wenig bis gar nicht an den Kosten der Produktionen oder am Wettbewerb orientiert. Die Interviews ergaben auch, dass Preisfestsetzungen durch städtische Gremien nicht ungewöhnlich sind oder politisch bedingt sind, wenn der Bürgermeister seine Wiederwahl nicht durch Preiserhöhungen im Theater gefährdet sehen will.
Schößler betrachtet auch innovative Preissysteme, z.B. Pay-What-You-Want oder ein insbesondere in den USA genutztes Preissystem, bei dem man pro Altersjahr einen Dollar zahlt, um den Preisschock beim Übergang in den Beruf vom vergünstigten Studenten-Tarif zum Normalpreis zu mindern. Auch das Modell des kostenfreien Besuches wird diskutiert (wie z.B. in vielen englischen Museen üblich), zur Ermöglichung maximaler Teilhaberschaft der Bürger bisher aber ohne Auswirkungen in der deutschen Theaterwelt.
Eine interessante Erkenntnis aus den Expertengesprächen ist, dass zwar große Sorge vorherrscht, bei Preiserhöhungen Besucher zu verlieren, dass diese Sorge aber empirisch nicht zu belegen ist: Studien zufolge sind höhere Preise kein Hinderungsgrund für einen Theaterbesuch.
Praktische Tipps und klare Lektüre-Empfehlung
Hilfreich sind die Handlungsempfehlungen, die Schößler auf Basis seiner Erkenntnisse gibt: Unter anderem schlägt er Theatern eine Flexibilisierung der starren Festpreissysteme und flexiblere Saalpläne vor, damit sie auf Veränderungen in der Nachfrage besser reagieren können. Auch die Dynamisierung der Eintrittspreise, gegebenenfalls nur für die hochpreisigen Karten, sieht er als Chance zur Einnahmesteigerung. Er empfiehlt, die Kundenbindung über vielfältige Maßnahmen zu erhöhen, z.B. durch einen perfekten Vertriebsprozess, einen reibungslos funktionierenden Onlineshop, verschiedene Zahlungsmöglichkeiten und flexible Umtauschmöglichkeiten. Auch CRM-Funktionalitäten hält er für einen geeigneten Ansatz zur Kundenbindung und damit zur Erlössteigerung.
Abschließend empfiehlt er, den Theaterbesuch als Gesamterlebnis zu sehen, das einen ganzheitlichen Marketingansatz benötigt, damit die Besucher/Kunden sich in allen Berührungspunkten im Rahmen ihres Theaterbesuches von der ersten Information über die Vorstellung bis zum Heimweg maximal betreut fühlen.
Das Buch eignet sich für Intendanten, Verwaltungsdirektoren, Controller und Vertriebs- und Marketingleiter, die sich mit Preispolitik und Preisstrukturen in Kultureinrichtungen beschäftigen. Der geeignete Lesezeitpunkt wäre einige Monate vor Druckfreigabe des neuen Spielzeitheftes mit Saalplänen und Preistabellen dann bliebe ausreichend Zeit für entsprechende Anpassungen.
Die Dissertation ist bei Springer-VS, Wiesbaden, erschienen und als eBook und im Softcover verfügbar.
Als Grundlage der Analyse dient dem Autor die Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Hier betrachtet er aus Gründen der Vergleichbarkeit ausschließlich Ensembletheater und kommt so auf ein Vergleichsfeld bestehend aus 102 Theaterhäusern. Es folgt eine Darstellung der Ausgangssituation an deutschen öffentlichen Theatern, der bestehenden Preispolitik, der strategischen Entscheidungsfelder, der Prinzipien der Preisdifferenzierung und unterschiedlichen Preismodelle. Im ersten, quantitativ angelegten Untersuchungsteil unterzieht Schößler gut zwei Dutzend Indikatoren der Preispolitik einer umfangreichen statistischen Analyse. Im zweiten, qualitativ angelegten Teil der Studie folgt die Auswertung von 18 Experteninterviews. Die Gespräche wurden mit den Mitarbeitern der Theater geführt, die für die Preisgestaltung des jeweiligen Hauses die Hauptverantwortung tragen. Je nach Rechts- und Organisationsform waren dies Geschäftsführer, kaufmännische Leiter oder Verwaltungsleiter.
Das schlafende Potenzial des Erlösmanagements
Die Studie verweist darauf, dass Preispolitik im Theater ein bisher wenig beachtetes Feld ist und neben dem Marketing im Wesentlichen die Eigenfinanzierung der Theater betrifft, deren Beitrag zu den Einnahmen über den Verkauf von Abonnements und Einzelkarten geleistet wird. Aus der Theaterstatistik ist ablesbar, dass die Eigeneinnahmen Anfang der 50er Jahre in der Bundesrepublik noch bei fast 40% lagen, 1991/92, dem wirtschaftlich schwierigsten ersten Jahr nach der Wiedervereinigung auf fast 13% absackten und sich heute bei ca. 18 Prozent eingependelt haben.
Ausgelastet aber nicht umsatzstark
In Deutschland hat Theater den kulturpolitischen Auftrag, den BürgerInnen die Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen Normalverdienern ebenso wie Rentnern, Schülern und Studenten. Theater kann und darf also nicht bloß rein betriebswirtschaftlich betrachtet werden. Gleichzeitig sollen die Theater jedoch immer mehr Eigeneinnahmen erwirtschaften, um steigende Personal- und Instandhaltungskosten deckeln zu können. Denn an vielen Häusern werden z.B. Tarifsteigerungen für die Beschäftigten am Theater, die erhebliche Auswirkungen auf die Budgets haben können, nicht mehr von den finanzierenden Kommunen oder Bundesländern übernommen. Was läge also näher, als die Tarifsteigerungen durch Preiserhöhungen aufzufangen? Diese kommen aus den o.a. Gründen allerdings häufig nicht in Frage. Zudem gilt die Auslastung immer noch als wichtigste Kenngröße für die Bewertung des Erfolgs von Theatern obwohl sie doch wenig über den Umsatz des Hauses aussagt. Hier ist laut Schößler auf Dauer ein Umdenken in der Steuerung erforderlich.
Preisgestaltung im Wandel
In den Theatern fand Schößler häufig eine hohe Preiskomplexität in der Kombination aus Platzkategorien und -gruppen, die zusammen mit Ermäßigungen, Rabatten und Sonderaktionen leicht dreistellige Kombinationen aufweisen kann. Es wird schon an vielen Stellen mit variablen Preisen gearbeitet: So sind Premierenkarten teurer, samstags gelten andere Preise als z.B. dienstags, am Wochenende gibt es keine Studentenermäßigung, etc. Eine dynamische Gestaltung von Eintrittspreisen wird bereits in anderen Ländern durchaus erlössteigernd eingesetzt (z.B. beim niederländischen Hollandfestival), im deutschen Theatersystem halten die befragten Experten dies aber nicht für möglich, wobei bei der Befragung klar wurde, dass das Wissen über die Funktionsweise dynamischer Preisgestaltung nur sehr rudimentär vorhanden ist. Schößler arbeitet klar heraus, dass die Preisgestaltung der Theater bisher kaum wissenschaftlichen Grundsätzen folgt und sich wenig bis gar nicht an den Kosten der Produktionen oder am Wettbewerb orientiert. Die Interviews ergaben auch, dass Preisfestsetzungen durch städtische Gremien nicht ungewöhnlich sind oder politisch bedingt sind, wenn der Bürgermeister seine Wiederwahl nicht durch Preiserhöhungen im Theater gefährdet sehen will.
Schößler betrachtet auch innovative Preissysteme, z.B. Pay-What-You-Want oder ein insbesondere in den USA genutztes Preissystem, bei dem man pro Altersjahr einen Dollar zahlt, um den Preisschock beim Übergang in den Beruf vom vergünstigten Studenten-Tarif zum Normalpreis zu mindern. Auch das Modell des kostenfreien Besuches wird diskutiert (wie z.B. in vielen englischen Museen üblich), zur Ermöglichung maximaler Teilhaberschaft der Bürger bisher aber ohne Auswirkungen in der deutschen Theaterwelt.
Eine interessante Erkenntnis aus den Expertengesprächen ist, dass zwar große Sorge vorherrscht, bei Preiserhöhungen Besucher zu verlieren, dass diese Sorge aber empirisch nicht zu belegen ist: Studien zufolge sind höhere Preise kein Hinderungsgrund für einen Theaterbesuch.
Praktische Tipps und klare Lektüre-Empfehlung
Hilfreich sind die Handlungsempfehlungen, die Schößler auf Basis seiner Erkenntnisse gibt: Unter anderem schlägt er Theatern eine Flexibilisierung der starren Festpreissysteme und flexiblere Saalpläne vor, damit sie auf Veränderungen in der Nachfrage besser reagieren können. Auch die Dynamisierung der Eintrittspreise, gegebenenfalls nur für die hochpreisigen Karten, sieht er als Chance zur Einnahmesteigerung. Er empfiehlt, die Kundenbindung über vielfältige Maßnahmen zu erhöhen, z.B. durch einen perfekten Vertriebsprozess, einen reibungslos funktionierenden Onlineshop, verschiedene Zahlungsmöglichkeiten und flexible Umtauschmöglichkeiten. Auch CRM-Funktionalitäten hält er für einen geeigneten Ansatz zur Kundenbindung und damit zur Erlössteigerung.
Abschließend empfiehlt er, den Theaterbesuch als Gesamterlebnis zu sehen, das einen ganzheitlichen Marketingansatz benötigt, damit die Besucher/Kunden sich in allen Berührungspunkten im Rahmen ihres Theaterbesuches von der ersten Information über die Vorstellung bis zum Heimweg maximal betreut fühlen.
Das Buch eignet sich für Intendanten, Verwaltungsdirektoren, Controller und Vertriebs- und Marketingleiter, die sich mit Preispolitik und Preisstrukturen in Kultureinrichtungen beschäftigen. Der geeignete Lesezeitpunkt wäre einige Monate vor Druckfreigabe des neuen Spielzeitheftes mit Saalplänen und Preistabellen dann bliebe ausreichend Zeit für entsprechende Anpassungen.
Die Dissertation ist bei Springer-VS, Wiesbaden, erschienen und als eBook und im Softcover verfügbar.
studierte Theaterwissenschaften und Germanistik, bevor er bei der Software AG in Darmstadt tätig war und sich mit theaterportal.de selbstständig machte. Er lehrt rund um das Thema Vertrieb und Marketing für Kultureinrichtungen mit besonderem Blick auf Theater, Opern- und Konzerthäuser. Seit 2005 ist er Leiter Produkt Marketing bei Eventim.
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