21.12.2006
Agentur Causales / kulturmarken.de
Autor*in
Hans-Conrad Walter
Umsetzung neuer kulturpolitischer Ideen
Berlin: Zuletzt oder zuerst Kultur?
Die Landeskasse von Berlin ist leer. Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit mit seinem Urteil in die Schranken gewiesen. Der Bund lehnt die Übernahme des Betriebes einiger Kultureinrichtungen ab. Doch Berlins Regierender Bürgermeister gibt nicht auf, erklärt die Kulturpolitik zur Chefsache und verzichtet auf einen Kultursenator. Wowereits Mann zur Umsetzung neuer kulturpolitischer und kulturwirtschaftlicher Ideen in der Senatskanzlei heißt André Schmitz. Hans-Conrad Walter, Geschäftsführer der Agentur Causales hat Schmitz in Berlin getroffen.
Walter: Herr Schmitz als ehemaliger Verwaltungsdirektor der Berliner Volksbühne und Geschäftsführender Direktor der Deutschen Oper sowie als Staatssekretär und Leiter der Senatskanzlei ist Ihnen die Situation der Berliner Kulturlandschaft sehr vertraut. Welche langfristigen Vorteile für Berlin rechtfertigen die Integration des Kulturressorts in die Senatskanzlei?
Schmitz: Die Entscheidung folgte nicht allein kulturpolitischen Überlegungen und ist in der Öffentlichkeit - wie Sie wissen durchaus kritisiert worden. Das ist legitim. Den Kritikern sage ich: Lassen Sie uns zur Halbzeit eine Bilanz ziehen. Die Kultur wird im Senat durch mich eigenständig vertreten sein. Ich denke aber, dass es ihr sehr nutzen kann, wenn der Regierende Bürgermeister dieses Ressort zur Chefsache macht. Es erhöht die politische Durchsetzungskraft für kulturpolitische Entscheidungen.
Walter: Der Haushalt des Berliner Kultursenators wurde in den letzten fünf Jahren auf Grund von Sparmaßnahmen von 511 Millionen Euro auf 356 Millionen Euro eingedampft. Das entspricht einer Kürzung von 25 %. Sägt Berlin damit nicht an seiner wichtigsten Einnahmequelle? Sollte die Stadt Berlin nicht gerade in ihren Markenkern - das vielfältigste Kulturangebot der Bundesrepublik- investieren, um den Wirtschaftskreislauf des Landes zu stärken?
Schmitz: Berlin ist eine Stadt mit Haushaltsnotlage. Im internationalen Vergleich stehen wir mit Kulturausgaben von 356 Millionen Euro aber immer noch an der Spitze. In der Koalition haben wir uns darauf verständigt, dass der Kulturhaushalt in dieser Legislaturperiode stabil bleibt, also nicht weiter gekürzt wird. Wenn Sie darüber hinaus Kulturförderung auch als Investition in die unbestrittenen Stärken Berlins betrachten, bekommen Sie ein ganz anderes Bild. Dann sehen Sie, dass die öffentliche Kulturförderung nur einen, wenngleich wichtigen Teil der gesamten Investitionen in die Berliner Kulturlandschaft darstellt. Ich denke, dass es künftig nicht reicht, sich allein auf die Verteidigung des Status quo der öffentlichen Kulturförderung zu konzentrieren, wiewohl dies allein schwierig genug sein wird. Wir brauchen parallel dazu ein größeres Maß an bürgerschaftlichem Engagement im Kulturbereich, und wir werden uns stärker der Berliner Kulturwirtschaft zuwenden müssen. In dieser Trias aus öffentlicher Förderung, bürgerschaftlichem Engagement und kommerzieller Kulturwirtschaft sehe ich auch die wirtschaftlichen Potenziale der Berliner Kultur verortet. Das gilt direkt Stichwort: Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Investitionen. Noch mehr jedoch, wiewohl kaum messbar und leider nicht in Euro und Cent vorzurechnen, indirekt: Warum zieht Berlin so viele Kreative aus aller Welt an? Doch nicht nur wegen der relativ günstigen Mieten, sondern ganz wesentlich wegen seiner inspirierenden und facettenreichen Kulturlandschaft.
Walter: Setzt die Politik mit den Sparmaßnahmen nicht ein falsches Zeichen, um Investoren und Sponsoren aus der Wirtschaft für die Kultur zu gewinnen? Mit den Sparmaßnahmen kann auch der Eindruck entstehen, Kultur sei nichts wert. Wirtschaftsunternehmen investieren ja bekanntlich in Wachstumsmärkte um Renditen zu erzielen.
Schmitz: Diesen Eindruck vermitteln wir genau nicht, wenn wie im Koalitionsvertrag festgelegt, bei der Kultur nicht weiter gekürzt wird. Die Kultur hat im Berliner Wirtschaftskreislauf einen sehr hohen Stellenwert. Zu oft wird uns sogar vorgeworfen, dass wir es uns aus diesem Grund leisten, drei Opernhäuser in Berlin zu betreiben. Die reiche Kulturlandschaft Berlins sucht in Deutschland und darüber hinaus ihresgleichen. Sie ist gerade für junge, kreative Menschen aus der ganzen Welt hoch attraktiv. Berlin hat in den vergangenen Jahren großartige Zuwachsraten bei den Tourismuszahlen und liegt im Ranking der meistbesuchten europäischen Städte gerade wegen seines kulturellen Reichtums an dritter Stelle hinter London und Paris und noch vor Rom.
Walter: Ist jetzt nicht die richtige Zeit gekommen, um das wichtigste Kapital der Stadt Berlin die Kultur mit unternehmerischem Denken und Handeln zu organisieren und damit auch für Sponsoren interessant zu machen? Das würde ja auch bedeuten, dass der Kulturverantwortliche von Berlin nicht mehr als Kulturverwalter, sondern als Kulturmanager wahrgenommen wird.
Schmitz: Natürlich gewinnt ein Bewusstsein für effizientes Management und Marketing in der Kulturverwaltung und den einzelnen Kultureinrichtungen immer mehr an Bedeutung. Wir brauchen in den nächsten Jahren ein klares Marketingkonzept mit einem Leitbild, welches Berlin selbstbewusst als die führende Kulturmetropole Europas positioniert. Dazu müssen wir Kontakt zu Sponsoren, Investoren und Mäzene suchen und diese dann auch entsprechend pflegen.
Walter: Damit wäre vielleicht die Talfahrt der Kultur in Berlin beendet. Aber wie können die in den letzten Jahren gestrichenen Millionen Euro wieder der Kultur zugeführt werden, um aus dem Berliner Kulturbetrieb einen attraktiven Investitions- und Wachstumsmarkt zu machen?
Schmitz: Von einer Talfahrt der Kultur in Berlin kann überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Ich will die Probleme nicht klein reden. Auf wachsende Kulturhaushalte werden wir uns auch in den nächsten Jahren nicht einstellen können. Aber ich bestehe aber auf dem gesamten Spektrum des kulturellen Angebots dieser Stadt. Und da ist Talfahrt nun wirklich das falsche Wort. Berlin ist attraktiver geworden. Wie sonst erklären Sie stetig steigende Touristenzahlen und die wachsende Anziehungskraft der Stadt für junge, kreative Menschen aus aller Welt?
Walter: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wird immer gern mit Berlin ist arm, aber sexy zitiert. Können wir demnächst erwarten, dass der neue Claim von Berlin lautet: Berlin wird reich und berühmt mit Kultur?
Schmitz: In Berlin spielt die Musik, was Kunst, Kultur und Kreativität betrifft. Berlins größter Reichtum sind in der Tat seine kulturellen Dienstleistungen. Diese müssen wir neben vielen weiteren kulturpolitischen Maßnahmen in der Tat künftig noch stärker als Markt für Investoren, Sponsoren, Mäzene und Touristen kommunizieren.
Schmitz: Die Entscheidung folgte nicht allein kulturpolitischen Überlegungen und ist in der Öffentlichkeit - wie Sie wissen durchaus kritisiert worden. Das ist legitim. Den Kritikern sage ich: Lassen Sie uns zur Halbzeit eine Bilanz ziehen. Die Kultur wird im Senat durch mich eigenständig vertreten sein. Ich denke aber, dass es ihr sehr nutzen kann, wenn der Regierende Bürgermeister dieses Ressort zur Chefsache macht. Es erhöht die politische Durchsetzungskraft für kulturpolitische Entscheidungen.
Walter: Der Haushalt des Berliner Kultursenators wurde in den letzten fünf Jahren auf Grund von Sparmaßnahmen von 511 Millionen Euro auf 356 Millionen Euro eingedampft. Das entspricht einer Kürzung von 25 %. Sägt Berlin damit nicht an seiner wichtigsten Einnahmequelle? Sollte die Stadt Berlin nicht gerade in ihren Markenkern - das vielfältigste Kulturangebot der Bundesrepublik- investieren, um den Wirtschaftskreislauf des Landes zu stärken?
Schmitz: Berlin ist eine Stadt mit Haushaltsnotlage. Im internationalen Vergleich stehen wir mit Kulturausgaben von 356 Millionen Euro aber immer noch an der Spitze. In der Koalition haben wir uns darauf verständigt, dass der Kulturhaushalt in dieser Legislaturperiode stabil bleibt, also nicht weiter gekürzt wird. Wenn Sie darüber hinaus Kulturförderung auch als Investition in die unbestrittenen Stärken Berlins betrachten, bekommen Sie ein ganz anderes Bild. Dann sehen Sie, dass die öffentliche Kulturförderung nur einen, wenngleich wichtigen Teil der gesamten Investitionen in die Berliner Kulturlandschaft darstellt. Ich denke, dass es künftig nicht reicht, sich allein auf die Verteidigung des Status quo der öffentlichen Kulturförderung zu konzentrieren, wiewohl dies allein schwierig genug sein wird. Wir brauchen parallel dazu ein größeres Maß an bürgerschaftlichem Engagement im Kulturbereich, und wir werden uns stärker der Berliner Kulturwirtschaft zuwenden müssen. In dieser Trias aus öffentlicher Förderung, bürgerschaftlichem Engagement und kommerzieller Kulturwirtschaft sehe ich auch die wirtschaftlichen Potenziale der Berliner Kultur verortet. Das gilt direkt Stichwort: Arbeitsplätze, Steuereinnahmen, Investitionen. Noch mehr jedoch, wiewohl kaum messbar und leider nicht in Euro und Cent vorzurechnen, indirekt: Warum zieht Berlin so viele Kreative aus aller Welt an? Doch nicht nur wegen der relativ günstigen Mieten, sondern ganz wesentlich wegen seiner inspirierenden und facettenreichen Kulturlandschaft.
Walter: Setzt die Politik mit den Sparmaßnahmen nicht ein falsches Zeichen, um Investoren und Sponsoren aus der Wirtschaft für die Kultur zu gewinnen? Mit den Sparmaßnahmen kann auch der Eindruck entstehen, Kultur sei nichts wert. Wirtschaftsunternehmen investieren ja bekanntlich in Wachstumsmärkte um Renditen zu erzielen.
Schmitz: Diesen Eindruck vermitteln wir genau nicht, wenn wie im Koalitionsvertrag festgelegt, bei der Kultur nicht weiter gekürzt wird. Die Kultur hat im Berliner Wirtschaftskreislauf einen sehr hohen Stellenwert. Zu oft wird uns sogar vorgeworfen, dass wir es uns aus diesem Grund leisten, drei Opernhäuser in Berlin zu betreiben. Die reiche Kulturlandschaft Berlins sucht in Deutschland und darüber hinaus ihresgleichen. Sie ist gerade für junge, kreative Menschen aus der ganzen Welt hoch attraktiv. Berlin hat in den vergangenen Jahren großartige Zuwachsraten bei den Tourismuszahlen und liegt im Ranking der meistbesuchten europäischen Städte gerade wegen seines kulturellen Reichtums an dritter Stelle hinter London und Paris und noch vor Rom.
Walter: Ist jetzt nicht die richtige Zeit gekommen, um das wichtigste Kapital der Stadt Berlin die Kultur mit unternehmerischem Denken und Handeln zu organisieren und damit auch für Sponsoren interessant zu machen? Das würde ja auch bedeuten, dass der Kulturverantwortliche von Berlin nicht mehr als Kulturverwalter, sondern als Kulturmanager wahrgenommen wird.
Schmitz: Natürlich gewinnt ein Bewusstsein für effizientes Management und Marketing in der Kulturverwaltung und den einzelnen Kultureinrichtungen immer mehr an Bedeutung. Wir brauchen in den nächsten Jahren ein klares Marketingkonzept mit einem Leitbild, welches Berlin selbstbewusst als die führende Kulturmetropole Europas positioniert. Dazu müssen wir Kontakt zu Sponsoren, Investoren und Mäzene suchen und diese dann auch entsprechend pflegen.
Walter: Damit wäre vielleicht die Talfahrt der Kultur in Berlin beendet. Aber wie können die in den letzten Jahren gestrichenen Millionen Euro wieder der Kultur zugeführt werden, um aus dem Berliner Kulturbetrieb einen attraktiven Investitions- und Wachstumsmarkt zu machen?
Schmitz: Von einer Talfahrt der Kultur in Berlin kann überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Ich will die Probleme nicht klein reden. Auf wachsende Kulturhaushalte werden wir uns auch in den nächsten Jahren nicht einstellen können. Aber ich bestehe aber auf dem gesamten Spektrum des kulturellen Angebots dieser Stadt. Und da ist Talfahrt nun wirklich das falsche Wort. Berlin ist attraktiver geworden. Wie sonst erklären Sie stetig steigende Touristenzahlen und die wachsende Anziehungskraft der Stadt für junge, kreative Menschen aus aller Welt?
Walter: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wird immer gern mit Berlin ist arm, aber sexy zitiert. Können wir demnächst erwarten, dass der neue Claim von Berlin lautet: Berlin wird reich und berühmt mit Kultur?
Schmitz: In Berlin spielt die Musik, was Kunst, Kultur und Kreativität betrifft. Berlins größter Reichtum sind in der Tat seine kulturellen Dienstleistungen. Diese müssen wir neben vielen weiteren kulturpolitischen Maßnahmen in der Tat künftig noch stärker als Markt für Investoren, Sponsoren, Mäzene und Touristen kommunizieren.
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