Outsourcing im Kulturbetrieb

Interview zur Petition Bundestheater und Vordernberg: Stopp G4S!

Fragen zu Outsourcing-Praktiken im Kulturbetrieb bekamen eine neue Dimension nach dem Skandalfall des Burgtheaters im Oktober 2013. Wir sprachen mit Frau Dr. Kollmann, Vorsitzende des Kulturrats Österreich, und Frau Mag. Koweindl, Geschäftsführerin IG Bildende Kunst über die Petition, die noch bis zum 16. März unterzeichnet werden kann.
KMN: Wie stellt sich für Sie der Fall des Burgtheaters dar? Was macht diesen Fall so drastisch und brisant?

Dr. Maria Anna Kollmann und Mag. Daniela Koweindl:
In einer Protestrede hat ein Burgtheaterbilleteur im Oktober 2013 öffentlich gemacht, dass gar nicht das Burgtheater, sondern einer der größten internationalen Sicherheitsdienstleistungs-konzerne sein Arbeitgeber ist, und hat Skandale dieses Arbeitgebers G4S aufgezeigt.

Die formulierte Kritik ist brisant, weil sie gesellschaftspolitische Fragestellungen aufwirft: Dieselbe Sicherheitsfirma, die die BilleteurInnen der Bundestheater beschäftigt, betreibt in Vordernberg ein Schubhaftzentrum; dieselbe Firma wird international mit Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen sowie Korruptionsvorwürfen in Verbindung gebracht. Das Burgtheater, das sich seit vielen langen Jahren gesellschaftskritisch positioniert, hat von der Öffentlichkeit unbemerkt über die Bundestheaterholding mit der Auslagerung der BilleteurInnen an eine Sicherheitsfirma tatenlos zugesehen, wie sozial- und arbeitsrechtliche Standards herabgesetzt wurden.Es geht nicht um das Burgtheater allein, es geht um die Verantwortung für die MitarbeiterInnen in einem öffentlich geförderten Bereich.

KMN:
War die Petition dringend nötig? Ist die Petition nur eine Reaktion auf die Ereignisse?
Warum hat es dennoch so lange gedauert, wenn die Arbeitsethik der Sicherheitsfirma G4S eigentlich nicht unbekannt war?

MK/DK: Bis zur Protestrede des Billeteurs war der Öffentlichkeit nicht bewusst, dass die Bundestheater längst ihre BilleteurInnen nicht mehr selbst anstellen. Der Billeteur hat tatsächlich eine größere Diskussion angestoßen, die bis dahin kaum geführt worden ist: Was sind in einem der reichsten Länder der Erde Arbeits-, Sozial- und Menschenrechte wert? Soll aus dem Kulturbudget tatsächlich eine Firma wie G4S beschäftigt werden? Ist es verantwortbar, dem Outsourcing im Bereich öffentlicher Sicherheit oder auch wie zuletzt bekannt geworden im Spitalsbereich länger tatenlos und ohne Widerstand zuzusehen?

KMN: Können Sie für uns die Forderungen Ihrer Petition nochmals kurz zusammenfassen?

MK/DK: Zum einen fordern wir die Bundestheater-Holding dazu auf, ihre MitarbeiterInnen wieder selbst anzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass alle BilleteurInnen, die derzeit in den Bundestheatern im Auftrag von G4S arbeiten, ihren Arbeitsplatz behalten.

Die Bundestheater erhalten Subventionen aus den Mitteln der Kunstförderung. Wir fordern die Bundesregierung auf, SubventionsnehmerInnen durch entsprechende Vorgaben daran zu binden, faire und rechtskonforme Dienstverhältnisse mit adäquater Bezahlung abzuschließen und zu verhindern, dass Firmen wie G4S aus Mitteln der Kunstförderung bezahlt werden können.

Schließlich fordern wir die Bundesregierung, Länder und Gemeinden auf, keine Verträge mit Unternehmen abzuschließen, die bekanntermaßen Arbeits-, Sozial- oder Menschenrechte verletzen. Daher muss der Vertrag mit G4S über das Abschiebegefängnis Vordernberg sofort gekündigt werden.
Zum einen fordern wir die Bundestheater-Holding dazu auf, ihre MitarbeiterInnen wieder selbst anzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass alle BilleteurInnen, die derzeit in den Bundestheatern im Auftrag von G4S arbeiten, ihren Arbeitsplatz behalten.

Die Bundestheater erhalten Subventionen aus den Mitteln der Kunstförderung. Wir fordern die Bundesregierung auf, SubventionsnehmerInnen durch entsprechende Vorgaben daran zu binden, faire und rechtskonforme Dienstverhältnisse mit adäquater Bezahlung abzuschließen und zu verhindern, dass Firmen wie G4S aus Mitteln der Kunstförderung bezahlt werden können.
Schließlich fordern wir die Bundesregierung, Länder und Gemeinden auf, keine Verträge mit Unternehmen abzuschließen, die bekanntermaßen Arbeits-, Sozial- oder Menschenrechte verletzen. Daher muss der Vertrag mit G4S über das Abschiebegefängnis Vordernberg sofort gekündigt werden.

KMN: Halten Sie die Vorschläge Ihrer Petition für realisierbar bzw. wird die Politik "mitspielen"?

MK/DK: Die Forderungen der Petition sind problemlos umzusetzen, wenn es den politischen Willen dazu gibt. Die Politik muss sich ihrer hoheitlichen Aufgaben besinnen und sie im Sinn der Gewaltenteilung wahrnehmen.
Bundestheater-Geschäftsführer Georg Springer wiederum hat bereits Veränderungen in Aussicht gestellt, derzeit werden Optionen für eine Wiedereingliederung des Publikumsdienstes geprüft. Nun müssen Taten folgen.

KMN: Warum wird Outsourcing als kritisch bewertet? Es ist ja durchaus eine bisher sehr übliche Praxis im gesamten deutschsprachigen Raum und hängt oftmals damit zusammen, dass eigenes Personal von den Kultureinrichtungen selbst nicht getragen werden kann. Die Forderung die Billeteure selbst einzustellen scheint daher kaum finanzierbar?

MK/DK: Im Fall der BilleteurInnen, die bis 1996 in den Bundestheatern angestellt waren, wurde seitens der Bundestheaterholding zugegeben, dass es einzig um Einsparungen ging. Und diese Einsparungen gehen zulasten der MitarbeiterInnen. Arbeitsrechtliche Standards, die bis dahin galten, wurden so umgangen: Die Mehrheit aller Beschäftigten sind Teilzeitkräfte bzw. geringfügig Beschäftigte ohne Arbeitslosenversicherung oder Pensionsansprüche.

Zu Saisonende werden sie gekündigt, um dann nach der Sommerpause erneut aufgenommen zu werden und zwar Jahr für Jahr mit einer neuen Probezeit, in der sie jederzeit kündbar sind.

Zur Frage der Finanzierbarkeit muss einmal mehr erwähnt werden, dass es um Kostenwahrheit im Förderbereich geht. Die Kosten müssen seriös kalkuliert und auf Basis dessen eine Entscheidung getroffen werden, welchen Wert es für die Gesellschaft hat, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die im Rahmen der Gesetze sind.

KMN: Sind die Praktiken der Burgtheaterholding beziehungsweise Ihrer Dienstleister ein Einzelfall, oder kann man die schlechten Arbeitsbedingungen von outgesourcten Mitarbeitern generell im Kulturbetrieb beobachten?

MK/DK:
Betroffen sind in erster Linie gut ausgestattete Kulturbetriebe wie Theater und Museen. Seit dem Protest des Burgtheater-Billeteurs und der Selbstorganisierung der Anonymen BilleteurInnen wird genauer hingesehen und mehr Bewusstsein für Beschäftigungsverhältnisse geschaffen.

KMN: Können Sie sich Modelle vorstellen, die ein stärkeres Controlling ermöglichen?

MK/DK: Ein solches Controlling, wie es etwa im Österreichischen Filminstitut Praxis ist, ist einfach im Zuge der Abrechnungen durchzuführen, dafür bedarf es keines Modells, sondern einer bewussten Entscheidung der FördergeberInnen.

KMN: Nicht nur der Kulturrat Österreich, auch andere AkteurInnen des Kunst- und Kulturbetriebs haben sich in der aktuellen Debatte positioniert und unterstützen die Forderungen der Anonymen BilleteurInnen nach Insourcing sämtlicher MitarbeiterInnen des Publikumsdienstes.
Der Kulturbetrieb ist sich der zunehmenden Prekarisierung nicht nur im Kunst- und Kulturbereich seit langem bewusst. Interessenvertretungen und Initiativen weisen in diversen Kampagnen auf damit einhergehende Probleme hin, suchen Gegenstrategien, machen sich kulturpolitisch für Verbesserungen der sozialen Absicherung stark und bieten beispielsweise Lösungsansätze für die Bemessung von fairer Bezahlung. Beispiele hierfür finden sich u.a. bei der IG Freie Theaterarbeit ,
IG Kultur Österreich , bei ORF_FM - ORF Freie MitarbeiterInnen oder bei der Initiative Artbutfair
 
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Links zum Interview:
 
Die Petition kann noch bis zum 16.03.2014 unterzeichnet werden:
Bundestheater und Vordernberg: Stopp G4S!
https://www.openpetition.de/petition/online/bundestheater-und-vordernberg-stopp-g4s

Blog zur Petition
http://petitiong4s.tumblr.com

Blog der Anonymen Billeteurinnen und Billeteure
http://anonymebilleteure.tumblr.com

Blog zur Billeteursaktion und Protestrede des Billeteurs
http://burg4s.tumblr.com
 

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