06.04.2009

Autor*in

Hubert Wandjo
Musikbusiness der Popmusik

Mit der Huckepack- Strategie zum Comeback

Ein Interview mit Prof. Hubert Wandjo, dem Business Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg und dortigen Leiter des Studiengangs Musikbusiness.
Das Gespräch führte Veronika Schuster.
 
KM Magazin: Was sind Gründe für die Wiedervereinigungswelle von ehemals erfolgreichen Pop-Gruppen wie den Backstreet Boys, Take That oder den Spice Girls, die in den letzten Jahren deutlich zugenommen zu haben scheint?
 
Prof. Hubert Wandjo: Das sind zuallererst wirtschaftliche Erwägungen. Denn die Gruppen, die Sie genannt haben, haben sich in ihren Glanzzeiten eine loyale Fancommunity, eine Anhängerschaft erarbeitet, die eine hohe emotionale Bindung an diese hatte und potentiell immer noch hat. Diese versucht man wieder zu beleben und in vielen Fällen gelingt das auch. Hinter dieser Überlegung stehen natürlich auch die Labels, die diese Künstler betreuen, die diese ältere Zielgruppe kennt und weiß, dass sie oft nicht mehr am aktuellen Musikgeschehen teilnimmt, sondern gerne und immer wieder ihre alten Lieblinge hört und/oder sieht. Warum dann nicht ihnen ihre Favoriten mit neuen Produkten, neuen Lifeshows zurückgeben? Und gerade diese ältere Zielgruppe stellt sich als erheblich finanzkräftiger dar, die mehr Geld für Entertainment ausgeben kann als die Teenies.
 
KM: Werden diese Reunions maßgeblich von den Plattenfirmen initiiert? Oder ist es eine zeitlich passende Vereinbarung zwischen Künstlern und Labels?
 
HW: Das müsste man im Einzelfall eruieren. Es kann sowohl als auch sein. Gehen Sie davon aus, dass es häufig von den Künstlern und deren Management forciert wird. Viele dieser Künstler und Bands, von denen wir sprechen, sind wirtschaftlich nicht mehr ganz so gut gestellt, wie zum Zeitpunkt ihrer höchsten Popularität ,und ihre Einnahmen versiegen nach und nach. Dann ist man natürlich allzu gerne bereit, den Versuch zu wagen, an die besseren Zeiten anzuknüpfen. Wobei das Risiko dabei nicht allzu groß ist. Wenn dann entsprechend finanzstarke Partner am Start sind, besteht kaum ein Risiko. Es kann durchaus auch eine neue Plattenfirma sein, die mit einem neu durchdachten Konzept auf die Künstler zukommt.
 
KM: Sie haben gerade die ältere Zielgruppe und das Konzept angesprochen. Worauf muss man im Management vor allem bei der Vermarktung der Reunions im Vorfeld achten? Wie geht man auf die sich geänderten Zielgruppen ein (Eltern und Kinder sind meist gleichzeitig Zielgruppe)?
 
HW: Das kommt darauf an: Es gibt Rockbands wie ACDC oder die Stones, oder bei deutschen Künstlern finden Sie das Beispiel Nena - bei der es wirklich sehr gut gelungen ist - dann ist das Konzept generationsübergreifend, was sie besonders gut bei den Konzerten beobachten können. Diese Bands sind musikalisch einfach attraktiv, behalten musikalische und Image-Charakteristiken bei. In vielen Fällen sind das eben zeitlose Genres wie Rockn Roll. Es gibt etliche Retrobands, bei denen sich junge Künstler am Look und Sound von Bands der 60er und 70 er Jahren orientieren. Das trägt dazu bei, dass junge Menschen auch Interesse an den Originalen zeigen. Aber bei Bands wie ACDC, den Stones, Johnny Cash oder hier zu Lande bei Udo Lindenberg, die bereits Kultstatus erreicht haben, schaltet sich zudem eine junge Generation Produzenten ein, die begeistert sind, mit einer solchen Legende arbeiten zu können und die ihre moderneren Soundvorstellungen in die Produktion einbringen, ohne natürlich der Band oder dem Künstler das Wesentliche zu nehmen. Es gibt aber auch Bands, die in ihrer Generation verhaftet bleiben, wie z.B. Smokie, und auf ihre angestammte Kundschaft zielen.
 
KM: Bands wie ACDC oder die Stones haben ja bereits sehr lange einen Kultstatus und waren vom Musikmarkt nie wirklich weg. Aber was ist mit Gruppen wie den New Kids On The Block, die als Gruppe komplett aus dem Geschäft waren. Wie kann hier der Relaunch funktionieren, so dass man die alten Fancommunities reaktiviert und neue Zielgruppen dazu gewinnt?
 
HW: Was den Zugewinn neuer Zielgruppen betrifft, das hat mit neuen Sounds und Produktionen zu tun. Bei New Kids On The Block ist nicht soviel Zeit vergangen, deren Zielgruppe ist nicht so alt und der musikalische Schritt hin zum jüngeren Publikum nicht zu groß. Zudem sind die wichtigen Medien wie MTV und VIVA bereit dazu, diese zu fördern, da sie seinerzeit ebenso zu deren Lieblingen zählten.
 
KM: Es ist also nicht unbedingt nötig, ein neues Image zu generieren?
 
HW: Natürlich machen sich die Künstler, deren Management und die Labels Gedanken, wie sich die Band vom Image und Sound darstellen muss. Das künstlerische Gesamtkonzept muss zeitgemäß angepasst und konsequent erarbeitet werden, um die Medien und Konsumenten, auf die man abzielt, auch zu erreichen. Aber es ist bei einer Band wie New Kids on the Block noch nicht so schwierig. Bands, deren Musiker 50, 60 Jahre alt sind, schaffen es meist nicht ohne zusätzliche Elemente, die Brücke zur jüngeren Zielgruppe zu bauen. Aber denken Sie an Madonna. Sie erfindet sich alle paar Jahre völlig neu, entwickelt neue Images und neue Sounds, bleibt sich dabei als chameleonhafte Künstlerin treu. Sie generiert bei ihren Fans bereits die Erwartungshaltung, dass etwas Neues kommen muss.
 
KM: Sie haben gerade das positive Beispiel Nena genannt, das war nun wirklich ein sehr erfolgreiches Comeback. Aber es scheint doch so, dass viele Reunions nicht an frühere Erfolge anknüpfen können? Woran kann dies liegen?
 
HW: Nenas überraschendes Erfolgsalbum, mit weit über 1 Million Verkäufen, funktionierte, da das Konzept vorsah, ihren besten Songs ein neues Gewand zu geben, mit Gästen aus der aktuellen Szene aufzunehmen und damit den Zugang zu einer neuen Zielgruppe zu haben die sogenannte Huckepack- Strategie. Das ist ein probates Mittel: Man arbeitet mit jungen Künstlern zusammen, die derzeit aktuell und populär, eventuell einen emotionalen oder künstlerischen Bezug zu dem Künstler haben, um eben diese Brücke zum jungen Publikum zu schlagen. Nena hatte ihre alten Hits mit neuen Partnern und die New Kids On The Block müssen mit neuen Hits punkten. Man kann Images kreieren, den Top-Hit, den sie brauchen, um den überragenden Erfolg zu haben, können sie nur bedingt designen. Dafür braucht es auch den glücklichen Moment, bei dem alles passend zusammen trifft.
 
KM: Also ein Glücksspiel, ein Plus-Minus-Rechnen?
 
HW: Die Kalkulationen von z.B. den New Kids On The Block werden auf weltweit basierendem Einkommensszenarien erstellt. Wenn sie einen weltweiten Markt bedienen können, werden sie auch bei einem jeweils mittelmäßigen Erfolg einen Gesamtgewinn machen. Zudem erhält man nicht nur Erträge über die Tonträger, sondern das Geschäft mit Tourneen, Werbeeinnahmen und Merchandise kommt hinzu. Das Einnahmen-Portfolio ist heute wesentlich breiter.
 
KM: Wenn Sie beschreiben, welche Maschinerien bei einer Reunion anlaufen, die ja sehr viel Energien der Label an sich binden, sind dann Reunions sinnvoll, oder sollte man dieses Geld nicht eher in die Förderung junger Gruppen lenken?
 
HW: Im Sinne von neuem Talent wäre es natürlich sinnvoll, wenn diese Energien und finanziellen Ressourcen für neue Künstler eingesetzt würden. Allerdings geht es hier um ein Geschäft. Popmusik ist unabdingbar mit Verwertung verbunden und die Künstler müssen sich dem Markt stellen. Wenn es einen solchen Bedarf gibt, dann ist es wirtschaftlich sinnvoll, diesen zu bedienen. Jedes Label, jede Merchandise-Firma, jede Agentur hat in erster Linie das Ziel, Einkommen und Gewinn zu maximieren. Das machen sie auf unterschiedlichste Weisen. Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen.
 
KM: Herr Prof. Wandjo, vielen Dank für dieses Gespräch!
 

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