15.05.2018

Themenreihe Führung

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Christina Ludwig
studierte Volkskunde, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte und Archäologie in Jena. Anschließend war sie als Projektassistentin und stellvertretende Museumsleiterin im Rahmen eines Forschungsprojekts der Volkswagenstiftung tätig. Seit 2015 ist sie die Leiterin des Naturalienkabinetts Waldenburg.
Kleine Museen leiten

Eine junge Museumsleiterin stellt sich großen Herausforderungen

Christina Ludwig wurde mit nicht einmal 30 Jahren zu einer der jüngsten Museumsleiterinnen Deutschlands. Wir sprachen mit ihr darüber, wie sie ihre Rolle als Führungskraft des kleinen Naturalienkabinetts Waldenburg angeht und wie sie es geschafft hat, dieses in nur drei Jahren von Grund auf zum Positiven zu verändern.

Themenreihe Führung

Liebe Christina, was ist das Besondere am Naturalienkabinett Waldenburg?
 
Christina Ludwig: Es ist eines der ältesten naturkundlichen Museen in Deutschland. Das Museum ist in einem sehr kleinen Ort beheimatet - Waldenburg hat nur 4100 Einwohner und ist zu 100 Prozent eine kommunale Einrichtung. Zugleich umfasst es eine sehr spezielle, ja verrückte barocke Gelehrtensammlung in Kombination mit einer fürstlichen Sammlung aus dem 19. Jahrhundert. Es ist eine bunte Mischung - Mineralien, Tierpräparate, Kunstwerke, mehrere Herbarien usw. - in der sich auch wirkliche Schätze verstecken, einmalige Objekte, die schon Wissenschaftler zum Weinen gebracht haben. Das alles bewahren wir als einmaliges Raumensemble im Ursprungszustand der Gründung 1845.
 
Wir beide haben beide vor ungefähr sieben Jahren zusammen unseren Uniabschluss gemacht. In dieser recht kurzen Zeit bist Du zur Museumsdirektorin aufgestiegen. Worauf kommt es deiner Meinung nach dabei an?
 
CL: Ich hatte immer das Glück - und deshalb weiß ich, wie wichtig das ist - gute Chefs zu haben, die mir beibringen konnten, zu managen und mit Krisen umzugehen. Und ich habe die wunderbare Möglichkeit gehabt, bei der Museumsakademie Museion21 etwas über Führungskompetenzen zu lernen. Es gibt keine perfekten Führungspersonen. Deshalb habe ich immer ein offenes Ohr und fordere auch aktiv Kritik von meinen Mitarbeitern ein, denn nur so kann ich mich für meine Eigenheiten oder Fehler sensibilisieren. Viele Führungspersonen wollen das nicht, aber meine Mitarbeiter dürfen ruhig merken, dass ich auch nur ein Mensch bin. Sie werden damit genauso sensibilisiert wie ich, reflektieren, was sie tun, und sehen den Sinn in ihrer Arbeit.
 
Meine Führungsrolle besteht also vor allem darin, dass ich die Verantwortung nach außen trage und die unangenehmen Sachen mache. Das wissen meine Mitarbeiter und fühlen sich geschützt. Und das ist meiner Meinung nach viel wichtiger als zum Beispiel eine Promotion. Es kommt auf die Persönlichkeit an und auf das Gefühl, das es gegenseitig passt. Ich habe mich zum Beispiel bewusst dafür entschieden, nach Waldenburg in die sächsische Provinz zu kommen - nicht nur, weil es meine Heimat ist, sondern vor allem, weil mich die Stelle und die große Freiheit, die sie bietet, sehr angesprochen haben. Und ich reflektiere regelmäßig, ob ich mich noch wohl mit meiner Position fühle. Sollte das nicht mehr der Fall sein, habe ich auch keine Angst vor Schritten zurück aus der Führungsebene. Führen hat viel mit Scheitern zu tun. Gerade in Phasen großer Veränderungen, wie wir sie gerade erleben, muss man unglaublich viel Zeit und Nerven investieren. Um das durchzustehen, muss man sich motivieren, sich gezielt kleine Erfolgserlebnisse suchen und sich klar machen, dass auch wieder Entspannungsphasen kommen. In Jobs wie meinem muss man unbedingt glücklich sein, um das nach außen tragen und ein Haus weiterentwickeln zu können. Bei Museen, die stagnieren, haben die Führungskräfte aufgegeben, denke ich.
 
Das Naturalienkabinett Waldenburg gehört zu den kleinen Museen. Oft fühlen sich diese verloren, wenn es um neue Entwicklungen geht. Wie gehst Du solche Veränderungen an?
 
CL: Für mein Haus und aus meinen Kenntnissen der sächsischen Museumslandschaft heraus ist die größte Herausforderung, seinen Träger auf seine Seite zu bekommen. Wir sind hier auf dem Land und haben einen sehr heterogenen Stadtrat, da ist nicht jeder kulturaffin. Aber wenn man pragmatisch argumentiert, sich Zeit nimmt - ich gehe regelmäßig in die Sitzungen - und ihnen die richtigen Informationen an die Hand gibt, verstehen sie auch, welchen Mehrwert unsere Arbeit für die Stadt hat. Auf diese Weise und mit vielen Argumenten habe ich uns zum Beispiel eine wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Vermittlung erkämpft mit einer unbefristeten halben Stelle. Diese Überzeugungsarbeit ist manchmal schwierig, aber der erste Schritt. Wenn man das geschafft hat, kann man die nachfolgenden Schritte angehen und auch als kleines Museum Erfolg haben.
 
Wir haben zum Beispiel in den letzten drei Jahren eine Generalsanierung durchgeführt und gestalten bis Ende 2018 die Hälfte unserer Dauerausstellung neu - und die ist ziemlich teuer für unsere Größe. Aber wir ruhen uns nicht darauf aus, dass wir ein kleines Museum sind, sondern orientieren uns an den großen, an der Besonderheit der Objekte und den Besuchern. Wir haben einen umfangreichen Konzept- und Gestaltungsprozess gemacht mit einem wissenschaftlichen Beirat mit Koryphäen aus großen deutschen Museen und einem Gestalterwettbewerb mit einer heterogenen Jury aus Museumsmenschen, Stadträten und Verwaltungsleitung. So etwas hat auch einen Überraschungseffekt bei den Fördergebern, denn es gibt nicht viele kleine Häuser, die sich für solche Gelder bewerben. Mit dieser Herangehensweise haben wir zum Beispiel das BMBF überzeugt, uns im Rahmen des eHeritage-Programms zu fördern.
 
Mit all dem möchten wir zeigen, was kleine Museen im "strukturschwachen ländlichen Raum" erreichen können. Außerdem ist ein Credo von mir, immer im Kollektiv aufzutreten, zum Beispiel mit Empfehlungsschreiben von großen Museen. Das ist unheimlich hilfreich, denn das Naturalienkabinett Waldenburg kennt man auf Bundes- oder Landesebene nunmal kaum. Außerdem sind wir im Verhältnis zur Größe des Museums relativ viel in den sozialen Medien unterwegs, weil es für uns ein gute Vernetzungsmöglichkeit ist und um sichtbar zu werden. Vernetzen und Teilen sind das A und O. Sharing is Caring, wie das Motto des Kulturerbe-Jahres.
 
Ihr habt eine sehr besondere Sammlung. Glaubst du, dass es leichter ist, deren Relevanz zu argumentieren, als bei regionalen oder Stadtmuseen?
 
CL: Ich glaube bei Museen, bei denen der Bezug zur Region im Mittelpunkt steht, funktioniert das sogar viel besser als mit unserer eigenwilligen Sammlung. Sie sind viel nahbarer und unabhängiger von den Voraussetzungen der Besucher, ob das ein Akademiker ist oder der Bäcker von nebenan. Für uns ist es die größte Herausforderung, die Menschen vor Ort anzusprechen, denn die kommen einmal zu uns und dann 20 Jahre nicht. Aber sie sind sehr wichtig für uns und deswegen öffnen wir uns für neue Formate, zum Beispiel Kino im Museum mit anschließender Taschenlampenführung. Museotainment nennt man das so schön. Innerhalb weniger Wochen waren die Tickets ausverkauft, alle an Leute aus der Umgebung. Wir warten nicht darauf, dass die von alleine kommen, sondern versuchen, sichtbar zu sein. Wir kündigen Führungen zum Beispiel an mit dem Motto "Auch wenn sie schon zehn Mal hier waren, werden wir Ihnen trotzdem etwas Neues erzählen." Es zahlt sich aus, dass wir die Vermittlungsarbeit so stärken konnten. Die Besucherzahlen sind explosionsartig gestiegen. Und das wollen die Politik und die Träger sehen. Natürlich sollte man auch vermitteln, dass es nicht immer nur um Zahlen geht, aber sie zeigen eben auch, dass bei uns etwas passiert. Dazu zähle ich auch den digitalen Besucher - aus Vermittlungssicht, aber auch, weil wir keinen Etat für Werbung haben. Da sind die Nutzer im Internet wichtige Multiplikatoren. Natürlich ist es auch in Ordnung, wenn uns jemand nur digital besucht. Dafür haben wir Google einen 360-Grad-Rundgang erstellt, der direkt auf der Startseite unserer Website zu finden ist. Er ersetzt den analogen Besuch aber nicht. Im Gegenteil, die Menschen wollen dann erst recht kommen. Der digitale Besucher von heute ist der analoge von morgen.
 
Würdest du sagen, dass eine solche offene Einstellung eine Generationenfrage ist?
 
CL: Leider ja, zumindest sagt das meine subjektive Erfahrung. Das heißt nicht, dass es nicht auch Beispiele für ältere Generationen gibt, die sich komplett geöffnet haben für Social Media, Internet usw. Im Moment befinden wir uns in einer Umbruchphase, eine junge steht einer alten Generation gegenüber. Das hat auch etwas mit der Sozialisierung zu tun. Selbst wir haben ja noch im Studium gelernt, wie ein Museum zu sein hat - wissenschaftlich, ernst und so. In zehn Jahren sieht das wieder ganz anders aus. Dann werden wir uns fragen, was eigentlich die Jungen da machen.
 
Das heißt aber nicht, dass ich die ältere Perspektive nicht schätze oder dass meine Mitarbeiter alle jung sein müssen. Museum hat ja auch etwas zu tun mit Diversität und Vielfalt. Unsere jüngsten Mitarbeiter kommen in der Regel über den Bundesfreiwilligendienst frisch aus der Schule. Dann haben wir eine konstante Zwischenebene mit einigen Dreißigern, eine Handvoll Fünfziger und auch Leute in den Sechzigern bei uns. Genau diese Vielfalt und Ausgeglichenheit macht das Team aus. Ich achte auch sehr darauf, wenn ich Leute einstelle, dass die Mentalität passt und dass ein neuer Mitarbeiter uns ergänzt. Ein gutes Team muss heterogen und ausgewogen sein. Das gilt auch für die Führungsperson. Für mich steht immer das Haus an erster Stelle und danach komme ich. Wenn wir zusammen glücklich sind, hat das eine Zukunft.
 
Das Interview führte Kristin Oswald.
 
 
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