15.07.2014
Autor*in
Christian Holst
ist Programmkoordinator des Studiengangs Master Arts and Cultural Management der Leuphana Universität in Kooperation mit dem Goethe-Institut. Daneben ist er als Dozent an verschiedenen Hochschulen tätig. Führere berufliche Stationen machte er am Oldenburgischen Staatstheater, dem Opernhaus Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste. Er studierte Angewandte Kulturwissenschaften und General Management.
Kommentar
Mindestkultur Teil I Theater
Ab dem 1. Januar 2015 wird in Deutschland ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 /Stunde gelten. Im Bundestag und auch außerhalb der Grenzen der Regierungsparteien, in der deutschen Bevölkerung, erhielt die Gesetzesvorlage breite Zustimmung. In unserer Reihe Mindestkultur möchten wir Vertreter der Kultursparten und verschiedener Bereiche des Kulturmanagements zu Wort kommen lassen. Sie werden aufzuzeigen, was sich durch den Mindestlohn hier verändern wird. Im ersten Teil berichtet Christian Holst über die Theaterlandschaft und die Forderung des Deutschen Bühnenvereins, den Mindestlohn für Praktikanten dort auszusetzen.
Das beschlossene Gesetz sieht eine Reihe von Ausnahmen vor, so z.B. für Menschen, die nach Langzeitarbeitslosigkeit wieder einen Job aufnehmen, für Zeitungszusteller und für Praktikanten, deren Tätigkeit nicht länger als drei Monate andauert und ausbildungsvorbereitend ist. An diesem letzten Punkt stört sich der Deutsche Bühnenverein. In einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung heisst es, dass es im Theaterbereich zahlreiche zeitlich längere Praktika gäbe, die oft erst nach Abschluss der Ausbildung stattfinden. Durch den Mindestlohn werde Berufs- und insbesondere Quereinsteigern der Weg verbaut, über ein Praktikum im Theater Fuß zu fassen.
Man könnte den Eindruck gewinnen, der Bühnenverein sei die Interessenvertretung derjenigen, die den Einstieg in die Theaterszene suchen. Tatsächlich geht es hier um die Interessen der Arbeitgeber, deren Verband und Lobbyorganisation der Bühnenverein ist. Grundsätzlich tut der Mindestlohn den Theatern nicht weh. Die tariflich festgelegte Mindestgage, die der NV Bühne vorsieht, liegt bei derzeit 1.650 Euro im Monat und damit knapp über dem beschlossenen Mindestlohn. Allerdings nur, wenn man eine Normalarbeitszeit zugrunde legt, die am Theater kaum eingehalten wird und die der NV Bühne auch nicht festlegt.
Dass der Bühnenverein dem Bundesrat empfiehlt, Langzeit-Praktikanten mit Hochschulabschluss ebenfalls vom Mindestlohn auszunehmen, deutet darauf hin, dass diese vielerorts unverzichtbare, aber günstige Arbeitskräfte sind, denen ganze Verantwortungsbereiche überlassen werden im Bereich PR z.B. gern das Arbeitsfeld Social Media. Dabei entfaltet der Mindestlohn seinen wirtschafts- und sozialpolitischen Effekt gerade in solchen Fällen. Je mehr Bereiche, in denen bislang weniger als der Mindestlohn gezahlt wurde, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgeklammert werden, umso mehr verliert dieses seinen Sinn.
Auch in der Perspektive der Theater gibt es durchaus Argumente für ein uneingeschränktes Ja zum Mindestlohn. In dem Aufsatz «Its not the economy, stupid!» - erschienen in dem im Frühjahr 2014 von der Heinrich Böll Stiftung herausgegebenen Band Brennen ohne Kohle, Theater zwischen Niedergang und Aufbruch wirft Ulf Schmidt einen gründlichen Blick in die Statistiken des Deutschen Bühnenvereins. Anhand dieser Zahlen zeigt er auf, dass die deutschen Theater ihre angestellten Künstler in einer Art und Weise prekarisieren, die gesellschaftlich und in der Privatwirtschaft inakzeptabel wäre. (S. 12) Während die Zahl der fest angestellten Schauspieler seit 1990 um 30 % zurückgegangen sei, seien deren Gagen real halbiert, das Veranstaltungsangebot dagegen eher ausgebaut worden (vgl. S. 11 bzw. 16). Immer weniger Schauspieler bestreiten also für immer weniger Geld eine eher wachsende Zahl von Aufführungen. Schmidt warnt vor einer Erosion von innen (S. 17).
Diese von Schmidt aufgezeigte Entwicklung reibt aber nicht nur die künstlerischen Mitarbeiter auf, sie tangiert auch die Funktion des Theaters als gesellschaftliche und öffentlich finanzierte Institution. Gesellschaftliche Entwicklungen und Missstände auf der Bühne zu reflektieren und zu kritisieren, während sie hinter den Kulissen um sich greifen, unterminiert die Glaubwürdigkeit der Theater. Der Rückgang der Schauspielbesuche um 20 % seit 1990/91 (-8% in der Oper, -9% beim Tanz - vgl. Schmidt, S. 15) könnte ein alarmierendes Indiz dafür sein, dass dieser Prozess bereits voll im Gange ist. Mittel- und langfristig dürfte die Glaubwürdigkeit den Theatern aber weit eher das Überleben sichern, als ein kurzfristig wirksames Geldgeschenk durch eine Ausnahmeregelung beim Mindestlohn.
Man könnte den Eindruck gewinnen, der Bühnenverein sei die Interessenvertretung derjenigen, die den Einstieg in die Theaterszene suchen. Tatsächlich geht es hier um die Interessen der Arbeitgeber, deren Verband und Lobbyorganisation der Bühnenverein ist. Grundsätzlich tut der Mindestlohn den Theatern nicht weh. Die tariflich festgelegte Mindestgage, die der NV Bühne vorsieht, liegt bei derzeit 1.650 Euro im Monat und damit knapp über dem beschlossenen Mindestlohn. Allerdings nur, wenn man eine Normalarbeitszeit zugrunde legt, die am Theater kaum eingehalten wird und die der NV Bühne auch nicht festlegt.
Dass der Bühnenverein dem Bundesrat empfiehlt, Langzeit-Praktikanten mit Hochschulabschluss ebenfalls vom Mindestlohn auszunehmen, deutet darauf hin, dass diese vielerorts unverzichtbare, aber günstige Arbeitskräfte sind, denen ganze Verantwortungsbereiche überlassen werden im Bereich PR z.B. gern das Arbeitsfeld Social Media. Dabei entfaltet der Mindestlohn seinen wirtschafts- und sozialpolitischen Effekt gerade in solchen Fällen. Je mehr Bereiche, in denen bislang weniger als der Mindestlohn gezahlt wurde, aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgeklammert werden, umso mehr verliert dieses seinen Sinn.
Auch in der Perspektive der Theater gibt es durchaus Argumente für ein uneingeschränktes Ja zum Mindestlohn. In dem Aufsatz «Its not the economy, stupid!» - erschienen in dem im Frühjahr 2014 von der Heinrich Böll Stiftung herausgegebenen Band Brennen ohne Kohle, Theater zwischen Niedergang und Aufbruch wirft Ulf Schmidt einen gründlichen Blick in die Statistiken des Deutschen Bühnenvereins. Anhand dieser Zahlen zeigt er auf, dass die deutschen Theater ihre angestellten Künstler in einer Art und Weise prekarisieren, die gesellschaftlich und in der Privatwirtschaft inakzeptabel wäre. (S. 12) Während die Zahl der fest angestellten Schauspieler seit 1990 um 30 % zurückgegangen sei, seien deren Gagen real halbiert, das Veranstaltungsangebot dagegen eher ausgebaut worden (vgl. S. 11 bzw. 16). Immer weniger Schauspieler bestreiten also für immer weniger Geld eine eher wachsende Zahl von Aufführungen. Schmidt warnt vor einer Erosion von innen (S. 17).
Diese von Schmidt aufgezeigte Entwicklung reibt aber nicht nur die künstlerischen Mitarbeiter auf, sie tangiert auch die Funktion des Theaters als gesellschaftliche und öffentlich finanzierte Institution. Gesellschaftliche Entwicklungen und Missstände auf der Bühne zu reflektieren und zu kritisieren, während sie hinter den Kulissen um sich greifen, unterminiert die Glaubwürdigkeit der Theater. Der Rückgang der Schauspielbesuche um 20 % seit 1990/91 (-8% in der Oper, -9% beim Tanz - vgl. Schmidt, S. 15) könnte ein alarmierendes Indiz dafür sein, dass dieser Prozess bereits voll im Gange ist. Mittel- und langfristig dürfte die Glaubwürdigkeit den Theatern aber weit eher das Überleben sichern, als ein kurzfristig wirksames Geldgeschenk durch eine Ausnahmeregelung beim Mindestlohn.
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