Kommentar
Zwischen Politikkalkül und Bürgerengagement
Einmal mehr steht das Deutsche Nationaltheater Weimar im Interesse einer überregionalen Öffentlichkeit. Dabei geht es diesmal offenkundig weniger um Kultur als vielmehr um Manöver einer alleinregierenden Partei, die vor dem Scherbenhaufen ihrer 15jährigen Alleinherrschaft steht.
Der Versuch einer Demontage des erfolgreichen Theaterintendanten Stephan Märki am Deutschen Nationaltheater (DNT) Weimar darf schon jetzt, vor notwendigen Entscheidungen des Aufsichtsrats um eine weitere Vertragsverlängerung, als gründlich gescheitert bewertet werden. Was zunächst als Provinzposse begann, ist ein symptomatisches Signal für den politischen Niedergang einer alleinregierenden CDU in Thüringen. Noch lässt Landesvater Dieter Althaus nur aus dem Urlaub über Boten seinen Unmut über den Alleingang seines Staatssekretärs erklären. Doch wird bald sein ganzes Gewicht gefragt sein, um zu retten, was zu retten ist.
Beginnen wir von vorn: im November 2007 ging in Weimar ein jahrelanger Kampf zu Ende, dessen Sieger der Generalintendant des Theaters, seine Mitarbeiter und nicht zuletzt die Weimarer Bürger waren. Der Schweizer Stephan Märki konnte sein Haus künftig als Thüringer Staatstheater führen, nachdem zwischenzeitlich mehrfach versucht worden war, eine Fusion mit dem benachbarten Haus in der Landeshauptstadt Erfurt zu erreichen. Das Weimarer Modell mit eigenständigem Haustarifvertrag war bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Die gerade in Thüringen ausgeprägte Neigung zu Lokalpatriotismus ließ allerdings jeden Versuch scheitern, eine wie auch immer geartete Kooperation zwischen beiden Theatern zu erreichen. Nicht einmal die Berücksichtigung der Bühnengrößen beim Neubau in Erfurt zur Beförderung möglicher Doppelbespielungen konnten gegen die Animositäten der beiden nur 20 km entfernten Städte ansatzweise ankommen. Auf der einen Seite die wesentlich größere Landeshauptstadt, historisch im Grunde die am wenigsten thüringische Stadt in Thüringen (lange vom katholischen Kurmainz bestimmt, später unter preussischer Verwaltung), die spätestens mit dem prestigeträchtigen Opernneubau und einem breitenwirksamen Programm kaum über mangelnde Besucherströme klagen muss. Auf der anderen Seite die kleine, aber kulturträchtige Residenzstadt Weimar mit ihren gerade einmal 65.000 Einwohnern, die sich mit dem im Schatten Goethes und Schillers gewachsenen Theater ein Haus leistet, das künstlerisch eigenständig, aber auch immer wieder sperrig auftritt. Marketing und Theaterpädagogik spielen seit Jahren leider eine untergeordnete Rolle, Märki und seinen Mitarbeiter setzen nahezu ausschließlich auf künstlerische Überzeugungskraft. Die Entscheidung, Weimars Theater den Titel eines Staatstheaters zuzugestehen und damit auch finanziell stärker in die Verantwortung zu gehen, war aber letztlich ein überraschender Sieg der Klassikerstadt und zugleich das Ende des zuständigen Kultusministers Jens Goebel (CDU) , der wenig später seinen Stuhl im Zuge einer Kabinettsumbildung räumen musste.
Goebel dürfte wohl niemand eine Träne nachweinen, war er doch der schwächste Anwalt der Kulturschaffenden des Bundeslandes, eher Parteisoldat und im Zweifel den Vorgaben des Finanzministerium verpflichtet. Sein Nachfolger Bernward Müller (CDU) allerdings hat noch nicht seine Kompetenz unter Beweis stellen können. Sein Auftritt in Gotha am 6.7. beim 1. Kulturtag Thüringen, einer Bürgerinitiative mit beachtlichem Erfolg, war erschreckend schwach und bestärkte die Befürchtung, dass Althaus hier wohl bei seiner jüngsten Kabinettsumbildung eher das letzte Aufgebot zum Zuge kommen ließ. Vorangegangen war die ursprüngliche Nominierung von Peter Krause zum Kultusminister, der sich nach Bekanntwerden seiner Veröffentlichungen für die rechtslastige "Junge Freiheit" genötigt sah, diesen Posten nicht anzutreten.
Am vergangenen Sonnabend nun teilte Kulturstaatssekretär Walter Bauer-Wabnegg, einst Rektor der Weimarer Bauhaus-Universität, dem amtierenden Intendanten des DNT mit, es zeichne sich keine Mehrheit im Aufsichtsrat des Theaters für seine Vertragsverlängerung ab. Pikant daran: noch am 21. Juni hatte der Aufsichtsrat das Thema Vertragsverlängerung des künstlerischen Leiters nicht einmal behandelt. Kein Wunder, dass sich viele Beteiligte, vor allem die Vertreter im Stadtrat, dann zu Wort meldeten und Märki volle Unterstützung zusicherten. Der Rückhalt bei der Weimarer Bevölkerung für Märki ist kaum schwächer - im Gegenteil. Seit Tagen spannt sich die Thüringische Landeszeitung (TLZ) mit ihrem umtriebigen Chefredakteur Hans Hoffmeister vor diesen populistischen Karren und saugt genüßlich die Stimmung auf, um gegen diese offenkundige politische Intrige vorzugehen. Jüngster Höhepunkt war die Podiumsdiskussion im geschichtsträchtigen Hotel Elephant am Marktplatz Weimar am heutigen Mittwoch. Es durfte niemand überraschen, dass kein CDU-Vertreter bereit war, der Einladung zu folgen. Lediglich ein christdemokratischer Stadtrat hielt tapfer in den hinteren Reihen Stellung. Auf dem Podium hatten die Vertreter von Bürgerbündnis, Grüne, Linke und SPD leichtes Spiel, dass zahlreich erschienene Weimarer Publikum für einen Verbleib Stephan Märkis zu mobilisieren. Kein geringerer als der Kandidat für den Ministerpräsidentenposten, Bodo Ramelow von der Partei DIE LINKE, ließ es sich nicht nehmen, auf dem Podium den Vorgang scharf zu kritisieren. Insbesondere der Versuch eines Staatssekretärs, die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zu umgehen, stieß sauer auf. Hinter den Kulissen wird eine Intrige zwischen jenen CDU-Vertretern vermutet, die einst ein Zusammengehen von Erfurt und Weimar einst befürworteten.
Die vermeintliche Ruhe nach dem Zwischensieg vom November 2007, wo sich selbst die Stadt zu einem Eigenanteil von 21% und über 4 Millionen Euro jährlich verpflichtet hat, war trügerisch. Geschickt nutzten die Gegner dieser Lösung die begonnene Sommerpause, um einen Wechsel an der Spitze des DNT zu erreichen. Nun stehen sie offenkundig vor dem politischen Ende. Es deutet sich an, dass der Fall DNT Weimar zu einem Fall CDU Thüringen wird. Die Weimarer CDU steht vor einem Desaster. Man darf gespannt sein, ob es dem auch bundespolitisch einflussreichen Dieter Althaus gelingt, als Ministerpräsident das Ruder herumzureißen. In wohl keinem anderen Bundesland - vielleicht noch Berlin - ist die Kulturpolitik in der Lage - so entscheidend über Wohl oder Wehe einer Landesregierung zu entscheiden. In Thüringen herrscht Götterdämmerung. Wagners Oper, die jüngst erfolgreich in Weimar Premiere feierte und für bundesweite Beachtung sorgte, scheint Drehbuch des politischen Lebens im Freistaat zu werden. Märki darf sich berechtigte Hoffnung machen, weitere 5 Jahre für die Leitung des Theaters verantwortlich zu sein. Das Engagement der Weimarer Bürgerschaft jedenfalls wird ein nicht zu unterschätzender Faktor sein. Und die CDU, die seit 15 Jahren Schritt für Schritt nahezu alle wichtigen politischen Ämter im Lande besetzt hat, erlebt allmählich die Kehrseite dieser Taktik, weil politische Leichtgewichte mit ihren Fehleinschätzungen und -entscheidungen für negative Schlagzeilen sorgen. Es dürfte im Wahljahr 2009 gehörige Verschiebungen in der politischen Landschaft geben. Was für ein Theater!
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