30.09.2024

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Lea Eisenberg
studierte im Bachelor Englisch, Spanisch und BWL, bevor Sie sich für den Masterstudiengang Kulturmanagement in Saarbrücken entschied. Dort erhielt sie eine Stelle beim Saarbrücker Start-Up NIFTEE, das sich mit NFTs beschäftigt. Aktuell ist sie als Eventmanagerin tätig.
NFTs für Museen

Vom Hype zur langfristigen Strategie

Es ist still geworden um den NFT-Hype im Kunstbereich. Doch das liegt nicht am Ende der Technologie. Vielmehr haben sich der Kauf und Verkauf digitaler oder digitalisierter Kunst etabliert, wie der Art Tech Report 2023 zeigte. Potenziale und Schwierigkeiten für Museen beleuchtet eine Untersuchung.

Themenreihe Digitale Formate

Im Jahr 2021 gab es zahlreiche Nachrichtenmeldungen und einen angeregten Diskurs über das Thema NFTs. Ein beachtenswerter neuer Akteur in diesem Bereich war damals der museale Bereich. Mehrere Häuser verkündeten 2021, Werke aus ihrer eigenen Sammlung als NFTs anbieten zu wollen. Zu diesen acht Institutionen europaweit, davon nur eine in Deutschland, sind inzwischen "NFT Museen" in Hamburg und in Berlin sowie verschiedene Kollektionen hinzugekommen, die neben Kunst auch kulturhistorische sowie kreativwirtschaftliche Objekte abbilden. Zudem haben viele Museen NFTs gekauft, die sie nun als Teil ihrer Ausstellungen präsentieren.
 
Die Aufmerksamkeit rund um dieses Thema legte nahe, sich auch wissenschaftlich diesem Phänomen zu widmen. Im Zuge meiner Abschlussarbeit für den Master Kulturmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken Ende 2022 / Anfang 2023 stellte ich mir die Frage, warum museale Einrichtungen NFT-Technologie für sich nutzen sollten und wie sie dies effektiv tun können. Das Ziel dahinter war es, über den Umgang mit NFTs aufzuklären und zu informieren. Es hatte sich gezeigt, dass vor allem klassische Museen dem Thema zögerlich gegenüberstehen, Galerien hingegen gegenüber NFTs als Variante zum klassischen Kunsthandel offener sind. So sollte eine Handreichung angefertigt werden, die musealen Institutionen die Erstellung einer eigenen NFT-Kollektion und die Orientierung in diesem Gebiet erleichtern sollte und sie auf mögliche Schwierigkeiten hinweist. 
 
Für die Erstellung dieser Handreichung wurden neun Expert*inneninterviews geführt. Interviewpartner*innen waren Museen aus dem europäischen Raum, die bereits selbst eine NFT-Kollektion durchgeführt haben, oder Expert*innen aus dem NFT-Bereich, die auch Erfahrungen in musealen Arbeitsfeldern vorweisen konnten. 
 
 
Ausgewertet wurden die leitfadengestützten Interviews mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz basierend auf Philipp Mayring (2015). Bei dieser Methode werden Kategorien gebildet, die die Aussagen der jeweiligen Interviewpartner*innen bezüglich gleicher Fragen und ähnlicher Themenbereiche in sich vereinen und nach denen, die Auswertung vollzogen werden kann.
 
Aufgrund der geografischen Nähe bot sich zudem eine genauere Betrachtung des konkreten Projektes des Historischen Museums Saar in Saarbrücken an. Dieses wird in Kooperation mit der Partnerorganisation NIFTEE (Europe's platform for exclusive NFT collections) durchgeführt, die ebenfalls in Saarbrücken situiert ist. Im Vergleich zu den anderen Projekten wurde bei diesem sowohl die Seite des Museums als auch die der Partnerorganisation mittels eines Interviews beleuchtet, um einen umfassenderen Einblick in die Kollektionsentwicklung zu erlangen. Bemerkenswert an diesem Projekt war, dass das Historische Museum Saar zu dem Zeitpunkt im Jahr 2022 das erste deutsche Museum war, das eine NFT-Kollektion durchgeführt hat. Dabei ging es um eine limitierte Edition (100 Stück) des Werkes "Die Ankunft des Königs" von Anton von Werner aus dem Jahr 1880. Das Vorhaben, dieses als NFT anzubieten, ging mit einer aufwändigen Restaurierung einher, die während der Öffnungszeiten des Museums durch Besucher*innen beobachtet werden konnte. Die Fertigstellung erfolgte Ende September 2022. Es wurde nur das digitalisiert, was von dem Maler tatsächlich gemalt wurde, die zu erwerbenden NFTs zeigen den historischen Ursprungszustand. Am 7. Juli 2022 fand die sogenannte Live-Tokenisierung im Historischen Museum Saar statt. Mit diesem Ereignis, zu dem größtenteils Medienvertreter*innen eingeladen waren, begann der Verkauf der NFTs. Seitdem arbeitet die Restauratorin Katharina Deimel nun an der interpretatorischen Ausfüllung der zerstörten Teile des Gemäldes.
 
Ergebnisse
 
Die Ergebnisse der Arbeit können hier leider nur in verkürzter Version dargestellt werden. Die folgende Tabelle zeigt die gefundenen Kategorien, also die von den Interviewpartner*innen benannten Kernaspekte für die Entwicklung von deren NFT-Kollektion.
 
 
Auch wenn die Erstellung eines NFTs an sich nicht aufwändig oder teuer ist, so sind doch die Konzeption, Vermarktung und Einbettung in das Konzept des Museums recht intensiv und kostspielig. Möglich Vorteile für ein Museum können aber sein:
 
  • Fundraising und zusätzliche Einnahmen
  • Diversifizierung der Einnahmeströme
  • Kunstvermittlung sowie Teilhabe und Einbeziehung von Interessierten (durch Aufarbeitung und Inszenierung von Werken) 
  • Bildung einer Interessengemeinschaft / Community 
  • Kund*innengewinnung weltweit
  • Kund*innenbindung
  • Das Erzielen höherer Besuchszahlen 
  • Vor allem für jüngere Generationen: Ansprache, Gewinnung und Kunstvermittlung
  • Marketing / Werbung
  • Verfolgung eines wohltätigen Zweckes außerhalb des Museums
  • Wertanlage / Investmentmöglichkeit bieten 
  • Initialisierung von digitaler Mitwirkung an musealer Arbeit
  • Innovativität zeigen
  • Merchandise-Artikel / Lithographien
  • NFT als Ticketmöglichkeit (Proof-of-Attendance-Tokens) 
  • Klare Provenienz durch die Eigentumsdokumentation auf der Blockchain
  • Genaue Metadaten zu einem Werk durch dessen Digitalisierung und Aufbereitung
  • Darstellung der eigenen Sammlung im digitalen Raum
 
Der Punkt Fundraising und zusätzliche Einnahmen ist kontrovers zu betrachten, da solche Projekte schnell negativ von der Krypto-Community als einfache Bereicherungs-NFTs wahrgenommen werden können und der schlussendliche Gewinn für ein Museum nicht garantiert ist. Daher ist es besonders wichtig, das NFT-Projekt transparent und deutlich nach außen zu kommunizieren. Dabei kann es helfen, die Verwendungen der Einnahmen anzugeben, also klare Ziele oder bspw. wohltätige Zwecke zu benennen. Auch die Darstellung der Entstehung des Preises kann bei der Kommunikation helfen. Um nicht zu viele NFTs zu produzieren, die sich dann nicht verkaufen, kann das Konzept des Minting durch die Community angewendet werden. Dabei wird der NFT erst beim Kauf tatsächlich auf die Blockchain geschrieben und die entstehenden Minting-Kosten (u.a. Energiekosten) werden von den Käufer*innen getragen. Dadurch ist die Hürde, einen NFT zu erwerben, evtl. etwas höher, weshalb es umso entscheidender ist, im Vorfeld gutes Marketing zu betreiben, das das Interesse an dem NFT initialisiert und bereits vor Verkaufsstart eine Community entstehen lässt.
 
Institutionen, denen ein Werk gehört, haben zudem den Vorteil, alleiniges Verfügungsrecht über das entsprechende Werk zu haben, es im Internet darstellen und Zusatzleistungen dazu anbieten zu dürfen und es so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Theoretisch kann aber jede Person einen NFT zu einem Kunstwerk erstellen, ganz gleich ihrer Rechte an diesem, da ein NFT nur ein Zertifikat ist, aber selbst kein Bild verwendet, und somit urheberrechtlich gesehen keine Rechte benötigt werden. Daher gilt, dass Museen im besten Fall die Ersten sind, die NFTs von den Werken ihrer eigenen Sammlungen erstellen.
 
Vorbereitung
 
Die Ergebnisse der Arbeit haben gezeigt, dass ein Museum sich intensiv mit der Materie von NFTs auseinandersetzen und das Thema durchdringen muss, bevor es den Prozess einer eigenen NFT-Kollektion startet. Die Phase, in der NFTs aufgrund ihrer Neuheit Erfolg hatten, ist vorbei. Daher ist es nun wichtig, NFT-Kollektionen zu kuratieren, die raffiniert konzipiert sind und Zusatzleistungen bieten. 
 
Möchte ein Museum eine NFT-Kollektion umsetzten, sollte es eine anfängliche Brainstorming-Phase durchlaufen, in der bspw. andere NFT-Kollektionen als Inspiration analysiert werden. Das Museum sollte erste eigene Ziele und Wünsche definieren und danach eine Partnerorganisation für den Verkauf auswählen (meist IT-Dienstleister). Die Partnerorganisation sollte der musealen Institution ein vertrauensvolles Gegenüber sein mit ähnlichen Wertvorstellungen und Zielen. Dabei sollte sie innovativ, motiviert, organisiert, professionell sowie verlässlich sein und den Markt gut kennen. Um den passenden Partner zu finden, sollte das Museum sich einen Überblick über den Markt der Partnerorganisationen verschaffen, deren bisherige Arbeit analysieren und erste Gespräche mit diesen führen, bevor eine finale Entscheidung getroffen wird.
 
Die Aufgaben der Partnerorganisation sollten die folgenden umfassen: 
 
  • die technologische Umsetzung übernehmen, 
  • einen grundlegenden Marketingplan vorschreiben, 
  • sich mit den notwendigen rechtlichen Maßnahmen auskennen, 
  • Empfehlungen für die Motivauswahl geben, 
  • Auflage (limitierte Edition oder Auktion) vorschlagen
  • die Bepreisung und Zusatzleistungen empfehlen. 
Im Laufe der Interviews stellte sich heraus, dass die befragten musealen Institutionen allein nicht die Ressourcen gehabt hätten, um solch ein Projekt umzusetzen. Ihnen fehlte das notwendige Fachwissen sowie das Personal und damit einhergehend die Arbeitszeit. 
 
Zusatzleistungen
 
Um eine Anwendbarkeit zu garantieren, sollten Museen sich Gedanken um sogenannte Zusatzleistungen machen. Dabei handelt es sich um eine Art Prämie, die mit dem Kauf eines NFTs einhergeht. Das kann etwas Physisches sein oder der Zugang zu exklusiven Events, bspw. Führungen durch das Depot oder Dinner-Einladungen, die den Eintritt in eine exklusive Museumsgruppe ermöglichen - ähnlich wie bei Spender*innen oder Sponsor*innen. Mit Hilfe solcher Zusatzleistungen können Museen ihren Mäzen*innen etwas zurück geben, weitere Kaufanreize schaffen und vor allem eine Community aufbauen und somit eine Kund*innenbindung herstellen. Dafür kann sich das Museum auch überlegen, ob es seine NFTs staffeln will. So könnte es bspw. NFTs mit Gold-, Silber- oder Bronze-Status anbieten. Je nach Status erhalten die Käufer*innen dann unterschiedliche Zusatzleistungen und Zugänge.
 
Marketing
 
Der sogenannten Community, die eine Interessengruppe darstellt, kommt bei der Arbeit im Krypto-Bereich eine besondere Beachtung zu, da das Marketing an dieser Stelle oftmals aus der Kommunikation mit dieser besteht. Sie entscheidet über Erfolg und Misserfolg der Kollektion und es ist essenziell, vor der Verkaufsphase bereits eine Community aufgebaut zu haben. Die Krypto-Community kann vor allem über die sozialen Medien Discord, Twitter und Reddit erreicht werden. Ein Discord-Kanal ist für den Aufbau einer Community unerlässlich. Jedoch ist die notwendige aktive Bespielung dieses Mediums recht aufwändig. Da Partnerorganisationen oftmals bereits einen eigenen Kanal haben, könnte zunächst dieser für die erste Kollektion und deren Vermarktung genutzt werden. Die weitere Bewerbung der NFT-Kollektion erfolgt, wie auch in anderen Branchen, kreativ und angepasst an das Produkt. Dabei kann es sich um Social-Media-Arbeit, Pressearbeit, Veranstaltungen und Weiteres handeln. 
 
NFTs sind ein komplexes Thema, das nicht leicht zu vermitteln und zu verstehen ist. Momentan fehlt es an Wissen dazu in der breiten Bevölkerung. Daher ist es wichtig zu Beginn einer NFT-Kollektion auf Aufklärung zu diesem Thema zu setzen. 
 
Kosten
 
Im Verlauf der Erstellung einer NFT-Kollektion fallen Kosten an. Einen großen Anteil dieser Kosten machen in jedem Fall die Ausgaben für Personal aus, das die Vorrecherche, Vorbereitung und Umsetzung übernimmt. Hinzu kommen die Aufwendungen für Marketingmaßnahmen und die Zusatzleistungen. Außerdem entstehen Produktionskosten für den NFT, wie z. B.  die Digitalisierung des Werkes, und es fallen Kosten für die technologische Umsetzung an. Weitere Kostenpunkte werden Beratungen eingeräumt, wie z. B. Rechtsberatungen. Eine NFT-Kollektion kann demnach ungefähr 30.000-500.000 € kosten, bevor überhaupt erste Einnahmen erwirtschaftet werden. Die Entlohnung der Partnerorganisation sollte im besten Fall nach der Menge der übernommenen Aufgaben berechnet werden. Im Falle der Interviewpartner*innen wurde entweder ein fester Betrag mit den Partnerorganisationen vereinbart oder die Produktionskosten gezahlt und zusätzlich ein prozentualer Anteil des Gewinnes zugesprochen.
 
Fazit
 
NFTs bieten verschiedene Vorteile für Museen. Diese erstrecken sich von Vermittlung der Kunst bis hin zu Marketing für das Museums. Es bedarf allerdings auch einen signifikanten Arbeitsaufwand und Investitionen sowie intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema, um diese Vorteile für sich nutzen zu können. Ob das Konzept des NFTs auf ein Museum passt, muss jede Einrichtung individuell für den eigenen Fall, die eigene Situation entscheiden, vor allem unter Betrachtung der Vereinbarkeit des Hauses mit der Technologie und der Zielsetzung. 
 
 
Literatur
 
Mayring, Philipp (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 12. Aufl. Weinheim u.a., Beltz.
 
Kuckartz, Udo (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunter-stützung. 4. Aufl. Weinheim/Basel, Beltz Juventa.

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