14.11.2016
Autor*in
Eva Göbel
verantwortet die Drittmittelakquise für den städtischen Eigenbetrieb „JenaKultur“. Zuvor arbeitete sie als Kulturmanagerin u.a. für die IBA Thüringen, als Redakteurin und Journalistin, unter anderem bei Kultur Management Network. Sie studierte Literatur, Kunst und Kultur in Göttingen, Paris und Jena.
Rückblick KulturInvest-Kongress 2016
Ein Markt der Möglichkeiten
Vom 2.-3. November 2016 fand in Berlin der achte KulturInvest-Kongress statt. Auf solch einer großen Konferenz erwartet der Besucher große Namen und globale Themen. Doch manchmal sind es die Neulinge auf dem Kongress-Parkett, die mit ihrer Begeisterung anstecken und für frischen Wind sorgen.
Über 450 VertreterInnen aus allen Bereichen des Kulturbetriebs kamen auf dem Kongress zusammen, um sich unter dem Motto Quo vadis Kulturmarkt? über die Zukunft von Kultursponsoring, Kulturmarketing, internationaler Kulturpolitik, Kulturtourismus, digitale Strategien und noch vieles mehr auszutauschen.
Kulturarbeit - Die dritte Säule der Außenpolitik
Wo es um Kultur geht, darf die interkulturelle und internationale Perspektive nicht fehlen. Die Aufgabe, diese Perspektive in den Kongress-Diskurs zu integrieren, wurde dem Goethe-Institut übertragen. In dessen Panel zu internationaler Kulturpolitik zeigt Johannes Ebert, der Generalsekretär des Instituts, anhand der Entwicklung seiner Institution auf, wie sich eine der nationalen Kulturvermittlung im Ausland verschriebene Einrichtung zu einer interkulturell vernetzenden werden kann.
In den vorangegangenen Jahrzehnten war die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur die Hauptaufgabe der Goethe-Institute. Heute ist eine wichtige Komponente hinzugekommen: Laut Ebert versteht sich das Institut nun als eine Kulturplattformen, die sich in internationale Debatten und Kontexte einbringt, Akteure über nationale Grenzen hinweg miteinander vernetzt und globale Narrative weiterentwickeln möchte.
Derzeit stehen viele Gesellschaften vor ähnlichen Herausforderungen, da Weltwirtschaftskrise, Klimawandel oder Freihandelsabkommen in unserer globalisierten Welt von keinen nationalen Grenzen Halt machen. Die meisten Menschen sind irgendwie davon betroffen, reagieren oder bewerten diese Phänomene und Entwicklungen aufgrund eigener kultureller, wirtschaftlicher und demographischer Besonderheiten aber zum Teil sehr unterschiedlich. Hiervon ausgehend sollen die Goethe-Institute international vernetzende Debatten über globale Themen anstoßen, wichtige internationale Entwicklungen aufspüren und besonders wichtig diese Erkenntnisse in die Bundesrepublik Deutschland zurücktragen. Zudem sollen Goethe-Institute ihre Rolle als Mittler zwischen opponierenden gesellschaftlichen Kräften und als Ermöglicher von Demokratie an den jeweiligen Standorten weiter ausbauen.
Ebert zufolge hätten insbesondere die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt die Bedeutung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik noch einmal deutlich werden lassen. Hier ergäben sich wertvolle Chancen für kulturspezifische Wege der Förderung von Demokratie und zivilgesellschaftlicher Strukturen. Der Generalsekretär der Goethe-Institute betonte, es sei noch nie so wichtig gewesen wie heute, über Bildung und Kultur zu einem Austausch und einem besseren Weltverständnis zu kommen.
Mehr Fragen als Antworten
Aufgrund der vielen Panels (insgesamt zehn verschiedene Themenblöcke mit über 60 Vorträgen) blieb nicht viel Zeit, die aufgeworfenen Fragen in anschließenden Diskussionen zu vertiefen. Dies musste in den Mittags- und Kaffeepausen nachgeholt werden. Dabei wäre es wünschenswert gewesen, gerade die Expertise von über 450 Teilnehmern aus unterschiedlichen Bereichen des Kulturbetriebs und angrenzenden Branchen zu nutzen, um Lösungsansätze für drängende Fragen anzustoßen.
So stellte Konrad Pochhammer, Geschäftsführer des Panel-Partners RSM Verhülsdonk, in seinem Vortrag über die Kulturförderung Deutschlands die Frage, warum sich Kulturbetriebe nicht konsequent an wichtigen finanzpolitischen Debatten beteiligen ansonsten werde über die Interessen und Bedarfe der Kultur hinweg Politik betrieben. Als Beispiele nannte er die anstehende Aufkündigung des Solidaritätspaktes, die Schuldenbremse und die Zwänge des Steuerwettbewerbs. Inwiefern betreffen diese Entwicklungen den Kulturbetrieb strukturell und wie kann er darauf strategisch reagieren? Antworten können womöglich nicht kulturpolitisch übergreifend formuliert werden, sondern müssen jeweils von den Akteuren selbst auf ihre spezifischen Herausforderungen bezogen gegeben werden.
Konkrete Beispiele inspirieren
Wie das aussehen kann, vermittelte Eric Lindner, künstlerische Leiter des Genfer Kunstfestivals Antigel, in seinem mitreißenden Vortrag. Die Veranstalter des Festivals haben eine klare Vision: so viele Genfer wie möglich aus allen Stadtteilen, seien es gut betuchte oder sozial vernachlässigte, im Winter zu unterschiedlichsten künstlerischen Performances, Orten und Aktionen zusammenzubringen. Das funktioniert ausgesprochen gut. Bei Minusgraden pilgern die Genfer etwa in Scharen auf ein Schiff der städtischen Müllentsorgung, um sich vom Wasser aus eine Tanzperformance am anderen Ufer anzusehen. Das besondere an der Nutzung des öffentlichen Raums ist dabei, dass er niemandem im Speziellen gehört und er nicht zur Reklamation einer persönlichen comfort zone dient: Auf dem Müllschiff fühlen sich alle ähnlich ungewohnt. Mit einer Bar und Party-Location in der Innenstadt hingegen zieht das Festival junge Menschen an, die eigentlich keinen Kulturbesuch planen, aber oftmals als BesucherInnen des Festivals landen. 60 Prozent der erforderlichen Finanzierung erwirtschaftet das Festival-Team selbst, zur einen Hälfte mit Sponsoring und privaten Fördermitteln, zur anderen Hälfte durch den Verkauf von Tickets und aus dem Gewinn der Bar Location. Zusätzlich generiert die Reputation des Festivals Aufträge für Team-Mitglieder, die dadurch auch außerhalb der Festival-Zeit, etwa für Sponsoren wie die staatliche Eisenbahn, Events organisieren.
Dieses Beispiel soll nicht als Best Practice dienen, dem Kultureinrichtungen jeglicher Art etwas nach tun sollten. Doch stellt sich immer wieder die Frage, wie sie dazu gebracht werden können, sich über ihre spezifische Situation, ihre Ziele und Methoden Gedanken zu machen und das abseits der Diskussion um finanzielle und zeitlich Ressourcen. Die Teams sowohl des Festival Antigel als auch des Projekts bzw. geplanten Museums Urban Nation sind divers, international, jung. Vielleicht liegt der Erfolg also auch darin, dass Zielgruppe und ProduzentInnen hier ein und dasselbe sind - ein Ansatz, der bei den Diskussionen um Publikumsdiversifizierung und Audience Development stärker im Mittelpunkt stehen sollte.
Im Kleinen wachsen große Ideen
Die wirklich inspirierenden Momente des Kongresses kamen nicht von sogenannten Leuchtturmprojekten, sondern von den Machern lokaler Kulturprojekte oder soziokultureller Strategien. Ob es das Stadtmarketing Krefeld ist, das in einer kontinuierlichen Kampagne die BürgerInnen mit dem angeschlagenen Image seiner Stadt versöhnen möchte, das Museumsprojekt Urban Nation, das Street Art ausstellen möchte, indem es den Zugang zur Straße, den dort anzutreffenden Menschen und äußeren Einflüssen sucht, oder eben das Festival Antigel in Genf, das eine ganze Stadt zu Kulturfans werden lässt - diese Momente führten dazu, dass man den zehnten KulturInvest Kongress inspiriert verließ.
Kulturarbeit - Die dritte Säule der Außenpolitik
Wo es um Kultur geht, darf die interkulturelle und internationale Perspektive nicht fehlen. Die Aufgabe, diese Perspektive in den Kongress-Diskurs zu integrieren, wurde dem Goethe-Institut übertragen. In dessen Panel zu internationaler Kulturpolitik zeigt Johannes Ebert, der Generalsekretär des Instituts, anhand der Entwicklung seiner Institution auf, wie sich eine der nationalen Kulturvermittlung im Ausland verschriebene Einrichtung zu einer interkulturell vernetzenden werden kann.
In den vorangegangenen Jahrzehnten war die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur die Hauptaufgabe der Goethe-Institute. Heute ist eine wichtige Komponente hinzugekommen: Laut Ebert versteht sich das Institut nun als eine Kulturplattformen, die sich in internationale Debatten und Kontexte einbringt, Akteure über nationale Grenzen hinweg miteinander vernetzt und globale Narrative weiterentwickeln möchte.
Derzeit stehen viele Gesellschaften vor ähnlichen Herausforderungen, da Weltwirtschaftskrise, Klimawandel oder Freihandelsabkommen in unserer globalisierten Welt von keinen nationalen Grenzen Halt machen. Die meisten Menschen sind irgendwie davon betroffen, reagieren oder bewerten diese Phänomene und Entwicklungen aufgrund eigener kultureller, wirtschaftlicher und demographischer Besonderheiten aber zum Teil sehr unterschiedlich. Hiervon ausgehend sollen die Goethe-Institute international vernetzende Debatten über globale Themen anstoßen, wichtige internationale Entwicklungen aufspüren und besonders wichtig diese Erkenntnisse in die Bundesrepublik Deutschland zurücktragen. Zudem sollen Goethe-Institute ihre Rolle als Mittler zwischen opponierenden gesellschaftlichen Kräften und als Ermöglicher von Demokratie an den jeweiligen Standorten weiter ausbauen.
Ebert zufolge hätten insbesondere die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt die Bedeutung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik noch einmal deutlich werden lassen. Hier ergäben sich wertvolle Chancen für kulturspezifische Wege der Förderung von Demokratie und zivilgesellschaftlicher Strukturen. Der Generalsekretär der Goethe-Institute betonte, es sei noch nie so wichtig gewesen wie heute, über Bildung und Kultur zu einem Austausch und einem besseren Weltverständnis zu kommen.
Mehr Fragen als Antworten
Aufgrund der vielen Panels (insgesamt zehn verschiedene Themenblöcke mit über 60 Vorträgen) blieb nicht viel Zeit, die aufgeworfenen Fragen in anschließenden Diskussionen zu vertiefen. Dies musste in den Mittags- und Kaffeepausen nachgeholt werden. Dabei wäre es wünschenswert gewesen, gerade die Expertise von über 450 Teilnehmern aus unterschiedlichen Bereichen des Kulturbetriebs und angrenzenden Branchen zu nutzen, um Lösungsansätze für drängende Fragen anzustoßen.
So stellte Konrad Pochhammer, Geschäftsführer des Panel-Partners RSM Verhülsdonk, in seinem Vortrag über die Kulturförderung Deutschlands die Frage, warum sich Kulturbetriebe nicht konsequent an wichtigen finanzpolitischen Debatten beteiligen ansonsten werde über die Interessen und Bedarfe der Kultur hinweg Politik betrieben. Als Beispiele nannte er die anstehende Aufkündigung des Solidaritätspaktes, die Schuldenbremse und die Zwänge des Steuerwettbewerbs. Inwiefern betreffen diese Entwicklungen den Kulturbetrieb strukturell und wie kann er darauf strategisch reagieren? Antworten können womöglich nicht kulturpolitisch übergreifend formuliert werden, sondern müssen jeweils von den Akteuren selbst auf ihre spezifischen Herausforderungen bezogen gegeben werden.
Konkrete Beispiele inspirieren
Wie das aussehen kann, vermittelte Eric Lindner, künstlerische Leiter des Genfer Kunstfestivals Antigel, in seinem mitreißenden Vortrag. Die Veranstalter des Festivals haben eine klare Vision: so viele Genfer wie möglich aus allen Stadtteilen, seien es gut betuchte oder sozial vernachlässigte, im Winter zu unterschiedlichsten künstlerischen Performances, Orten und Aktionen zusammenzubringen. Das funktioniert ausgesprochen gut. Bei Minusgraden pilgern die Genfer etwa in Scharen auf ein Schiff der städtischen Müllentsorgung, um sich vom Wasser aus eine Tanzperformance am anderen Ufer anzusehen. Das besondere an der Nutzung des öffentlichen Raums ist dabei, dass er niemandem im Speziellen gehört und er nicht zur Reklamation einer persönlichen comfort zone dient: Auf dem Müllschiff fühlen sich alle ähnlich ungewohnt. Mit einer Bar und Party-Location in der Innenstadt hingegen zieht das Festival junge Menschen an, die eigentlich keinen Kulturbesuch planen, aber oftmals als BesucherInnen des Festivals landen. 60 Prozent der erforderlichen Finanzierung erwirtschaftet das Festival-Team selbst, zur einen Hälfte mit Sponsoring und privaten Fördermitteln, zur anderen Hälfte durch den Verkauf von Tickets und aus dem Gewinn der Bar Location. Zusätzlich generiert die Reputation des Festivals Aufträge für Team-Mitglieder, die dadurch auch außerhalb der Festival-Zeit, etwa für Sponsoren wie die staatliche Eisenbahn, Events organisieren.
Dieses Beispiel soll nicht als Best Practice dienen, dem Kultureinrichtungen jeglicher Art etwas nach tun sollten. Doch stellt sich immer wieder die Frage, wie sie dazu gebracht werden können, sich über ihre spezifische Situation, ihre Ziele und Methoden Gedanken zu machen und das abseits der Diskussion um finanzielle und zeitlich Ressourcen. Die Teams sowohl des Festival Antigel als auch des Projekts bzw. geplanten Museums Urban Nation sind divers, international, jung. Vielleicht liegt der Erfolg also auch darin, dass Zielgruppe und ProduzentInnen hier ein und dasselbe sind - ein Ansatz, der bei den Diskussionen um Publikumsdiversifizierung und Audience Development stärker im Mittelpunkt stehen sollte.
Im Kleinen wachsen große Ideen
Die wirklich inspirierenden Momente des Kongresses kamen nicht von sogenannten Leuchtturmprojekten, sondern von den Machern lokaler Kulturprojekte oder soziokultureller Strategien. Ob es das Stadtmarketing Krefeld ist, das in einer kontinuierlichen Kampagne die BürgerInnen mit dem angeschlagenen Image seiner Stadt versöhnen möchte, das Museumsprojekt Urban Nation, das Street Art ausstellen möchte, indem es den Zugang zur Straße, den dort anzutreffenden Menschen und äußeren Einflüssen sucht, oder eben das Festival Antigel in Genf, das eine ganze Stadt zu Kulturfans werden lässt - diese Momente führten dazu, dass man den zehnten KulturInvest Kongress inspiriert verließ.
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