Rückblick KulturInvest!-Kongress 2020 Teil II
Endlich: Nachhaltigkeit im Fokus
2020 war vieles anders, was uns dazu veranlasst hat, für unsere Medienpartnerschaften neue Formate auszuprobieren. Am digitalen KulturInvest!-Kongress der Causales Gesellschaft für Kulturmarketing und Kultursponsoring mbH konnten dabei - dank vieler Freitickets - einige unserer Nutzer*innen für uns als Korrespondent*innen für verschiedene Schwerpunkte teilnehmen. Ihre Eindrücke zur 11. Kongressauflage am 26. und 27. November 2020 haben wir dabei in diesem Nachbericht gesammelt und vereint.
Eindrücke von Zenaida des Aubris, Vera Hefele, Joric Pretzel, Teresa Trunk und Markus Wörl
Unter dem Motto "Der innovative Kulturbetrieb. Klimaneutral. Demokratisch. Partizipativ" fand der KulturInvest!-Kongress 2020 ausschließlich digital statt. Der große Vorteil: Allein unsere virtuelle Teilnahme vom Schreibtisch/Couchtisch aus sorgte für eine Einsparung von 240 kg CO2, wie uns ein Emissionsrechner beim digitalen Check-In bescheinigte. Eine gute Organisation und funktionierende Technik sorgten für ein reibungsloses digitales Erlebnis.
Green Cultural Management war dabei DAS Thema und eine der drei Säulen des Kongresses. So betonten Dr. Manja Schüle und Dr. Robert Habeck bereits in ihrer jeweiligen Begrüßungsrede die Rolle und Bedeutung, die der Kultur hinsichtlich der Bewältigung der Klimakrise zukommt: Wandel geschieht durch Visionen, zugrunde liegende Werte und Identitäten, welche durch Kultur geschaffen werden. Die zwei Redner*innen setzten damit schon einen ermutigenden Anfang.
Green Cultural Management
Einer der spannendsten Vorträge kam - dramaturgisch ungeschickt - gleich zu Beginn: "Inspiring cultural leadership for a sustainable future" von Alison Tickell, der Gründerin der britischen Umweltinitiative "Julie’s Bicycle". Wer Tickell einmal erlebt hat, dem muss nicht angst und bange um die Zukunft unseres Planeten werden, so sehr steckt sie mit ihrer unglaublichen Power und nie nachlassender Begeisterung an. So fächerte sie auch beim KulturInvest!-Kongress ihre Ideen und Anregungen mit 40 PowerPoint-Slides in 40 Minuten auf, sodass man mitunter kaum Luft holen konnte. Dabei präsentierte sie die zahlreichen Tools, die die Organisation beispielsweise für das Reporting des CO2-Fußabdrucks entwickelt hat. Eine Datengrundlage zu schaffen, ist ihrer Meinung nach einer der wichtigsten Schritte, um Nachhaltigkeitsstrategien und Ziele formulieren zu können. Außerdem stellte sie das Label "Creative Green Certificate" vor, mit dem sie bereits seit mehreren Jahren engagierte Kulturinstitutionen auszeichnen. Wie sie betonte, ist die stetige Reduktion des CO2-Fußabdrucks genauso wichtig, wie diese Erfolge auch zu feiern. Damit zeigte Tickell auf, wie man sich dem Thema von organisatorischer Seite aus nähern kann. Denn jede*r Kulturschaffende*r hat die Möglichkeit, durch Aktivismus, Design und Innovation, Kollaboration, organisatorischen Wandel oder die Kunst selbst aktiv Veränderung anzustreben.
Unter dem Motto "Der innovative Kulturbetrieb. Klimaneutral. Demokratisch. Partizipativ" fand der KulturInvest!-Kongress 2020 ausschließlich digital statt. Der große Vorteil: Allein unsere virtuelle Teilnahme vom Schreibtisch/Couchtisch aus sorgte für eine Einsparung von 240 kg CO2, wie uns ein Emissionsrechner beim digitalen Check-In bescheinigte. Eine gute Organisation und funktionierende Technik sorgten für ein reibungsloses digitales Erlebnis.
Green Cultural Management war dabei DAS Thema und eine der drei Säulen des Kongresses. So betonten Dr. Manja Schüle und Dr. Robert Habeck bereits in ihrer jeweiligen Begrüßungsrede die Rolle und Bedeutung, die der Kultur hinsichtlich der Bewältigung der Klimakrise zukommt: Wandel geschieht durch Visionen, zugrunde liegende Werte und Identitäten, welche durch Kultur geschaffen werden. Die zwei Redner*innen setzten damit schon einen ermutigenden Anfang.
Green Cultural Management
Einer der spannendsten Vorträge kam - dramaturgisch ungeschickt - gleich zu Beginn: "Inspiring cultural leadership for a sustainable future" von Alison Tickell, der Gründerin der britischen Umweltinitiative "Julie’s Bicycle". Wer Tickell einmal erlebt hat, dem muss nicht angst und bange um die Zukunft unseres Planeten werden, so sehr steckt sie mit ihrer unglaublichen Power und nie nachlassender Begeisterung an. So fächerte sie auch beim KulturInvest!-Kongress ihre Ideen und Anregungen mit 40 PowerPoint-Slides in 40 Minuten auf, sodass man mitunter kaum Luft holen konnte. Dabei präsentierte sie die zahlreichen Tools, die die Organisation beispielsweise für das Reporting des CO2-Fußabdrucks entwickelt hat. Eine Datengrundlage zu schaffen, ist ihrer Meinung nach einer der wichtigsten Schritte, um Nachhaltigkeitsstrategien und Ziele formulieren zu können. Außerdem stellte sie das Label "Creative Green Certificate" vor, mit dem sie bereits seit mehreren Jahren engagierte Kulturinstitutionen auszeichnen. Wie sie betonte, ist die stetige Reduktion des CO2-Fußabdrucks genauso wichtig, wie diese Erfolge auch zu feiern. Damit zeigte Tickell auf, wie man sich dem Thema von organisatorischer Seite aus nähern kann. Denn jede*r Kulturschaffende*r hat die Möglichkeit, durch Aktivismus, Design und Innovation, Kollaboration, organisatorischen Wandel oder die Kunst selbst aktiv Veränderung anzustreben.
An diesen Ansatz appellierte auch Jacob Bilabel, Leiter des Netzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, der diese Themen ebenso erfolgreich und aufrüttelnd wie Alison Tickell angeht. Er versteht es geschickt, spartenübergreifend Kulturinstitutionen zu verknüpfen und appellierte ebenfalls engagiert an die Aufgabe der Kultur, Vorreiter des Sinne- und Wertewandels zu sein bzw. zu werden. So wies er Kulturschaffende darauf hin, dass Emissionen in erster Linie in der Arbeit hinter der Bühne anfallen.
Interessant waren ergänzend dazu vor allem die Beispiele aus der Praxis: Thierry Leonardi, ehemals Opéra Lyon, berichtete von einer mittlerweile strukturellen Verankerung von Nachhaltigkeit im Opernbetrieb seit 2008 (Sustainability Manager & Committee, Maßnahmenplan und dafür bereitgestelltes Budget). Die Oper Lyon entwickelte u. a. eine Software, um bei der Planung von Bühnenbildern den CO2-Fußabdruck zu berücksichtigen. Das klingt zukunftsfähig! Fredrik Österling, Manager des Helsingborg Konserthus, erzählte darüber hinaus von seinen Erfahrungen seit das Orchester Anfang 2019 beschloss, auf Flugreisen zu verzichten. Die Entscheidung sorgte damals für ein großes Medienecho in der europäischen Presse. Er stellte fest, dass die Qualität des Programms in keiner Weise leidet. Vielmehr ermöglichen längere Kooperationszeiträume mit Künstler*innen andere, spannende und innovative Programme und es findet eine tiefere Auseinandersetzung mit der Musik statt.
Der Aufbau und die Umsetzung von Strukturen sollten demnach im Sinne der Nachhaltigkeit als Investment gesehen werden. Gerade in Anbetracht aufkommender Einflussnahme der Politik und einer anstehenden Emissions-Steuer sind proaktive Innovationmaßnahmen der wegweisende Schritt in die Zukunft. Die drei größten Emissionspunkte, denen man sich als Unternehmen stellen muss, liegen bei
Interessant waren ergänzend dazu vor allem die Beispiele aus der Praxis: Thierry Leonardi, ehemals Opéra Lyon, berichtete von einer mittlerweile strukturellen Verankerung von Nachhaltigkeit im Opernbetrieb seit 2008 (Sustainability Manager & Committee, Maßnahmenplan und dafür bereitgestelltes Budget). Die Oper Lyon entwickelte u. a. eine Software, um bei der Planung von Bühnenbildern den CO2-Fußabdruck zu berücksichtigen. Das klingt zukunftsfähig! Fredrik Österling, Manager des Helsingborg Konserthus, erzählte darüber hinaus von seinen Erfahrungen seit das Orchester Anfang 2019 beschloss, auf Flugreisen zu verzichten. Die Entscheidung sorgte damals für ein großes Medienecho in der europäischen Presse. Er stellte fest, dass die Qualität des Programms in keiner Weise leidet. Vielmehr ermöglichen längere Kooperationszeiträume mit Künstler*innen andere, spannende und innovative Programme und es findet eine tiefere Auseinandersetzung mit der Musik statt.
Der Aufbau und die Umsetzung von Strukturen sollten demnach im Sinne der Nachhaltigkeit als Investment gesehen werden. Gerade in Anbetracht aufkommender Einflussnahme der Politik und einer anstehenden Emissions-Steuer sind proaktive Innovationmaßnahmen der wegweisende Schritt in die Zukunft. Die drei größten Emissionspunkte, denen man sich als Unternehmen stellen muss, liegen bei
- der Mobilität und Versorgung des Publikums,
- den Künstler*innen und der Produktion sowie
- den unternehmensinternen Gegebenheiten wie z.B. der Energieversorgung des Gebäudes und/oder der Büroräume.
Die Gewichtung und Möglichkeit der Einflussnahme kann je nach Unternehmen und Unternehmensposition zwischen aktiver und passiver Teilhabe variieren.
Sustainable Cultural Tourism
Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit macht auch vor dem (Kultur-)Tourismus nicht Halt. Für die entsprechenden Anbieter*innen bedeutet das künftig, die individuellen Wünsche der Reisenden in Einklang mit entsprechenden umweltpolitischen Aspekten zu bringen. Zudem ist hier an den Identitätserhalt der Destinationen zu denken, der insbesondere vom Phänomen des Overtourism in den letzten Jahren immer mehr bedroht wurde. Dabei schilderte Ana Hrnic, Direktorin von Dubrovnik Tourism Board, die katastrophale Situation der letzten Jahre in Dubrovnik: 2017 brachten bis zu 13 Schiffe pro Tag zwischen 13.000 und 39.000 Tagesbesucher*innen in die Stadt. Hinzukamen aufs Jahr verteilt weitere 1,5 Millionen Übernachtungsgäste. Die lokale Bevölkerung wurde sogar gebeten, an diesen "roten Tagen" zuhause zu bleiben. 2018 schaffte es die jahrtausendalte Stadt sogar auf Platz 3 der weltweiten "Not-to-go"-Liste - eine Platzierung, auf die man gern verzichten kann. Durch koordinierte Maßnahmen zwischen der CLIA (Cruise Liner International Association) und der Stadt Dubrovnik wurde die Aktion "Respect the City" initiiert. Dubrovnik war dabei die erste Stadt, die sich an CLIA gewendet hat, um das Problem Overtourismus anzusprechen und entsprechende Lösungen zu finden. Den Maßnahmen entsprechend werden seit 2019 u.a. Elektrobusse zwischen Hafen und Altstadt eingesetzt, gestaffelte Anlegezeiten und diversifizierte Besuchsrouten festgelegt sowie Initiativen geschaffen, die lokale, nachhaltige Unternehmen einbeziehen. 2020 sollten diese Maßnahmen ausgebaut werden - coronabedingt hat die Tourismussaison allerdings nicht im ursprünglich erwarteten Maß stattgefunden. Für 2021 hofft man daher auf einen Aufschwung, der die neuerworbenen Erkenntnisse miteinbezieht. Denn der weltweite Tourismus wird innerhalb und außerhalb Europas weiter florieren und Konsument*innen und Kulturreisenanbieter*innen gleichermaßen vor Herausforderungen stellen.
Climate as Artistic Content
Im Panel "Climate as Artistic Content” nahm Ian Garrett, Direktor vom Centre for Sustainable Practice in the Arts, außerdem die Kunstschaffenden in die Verantwortung. Denn wollen diese die sich selbst zugeschriebene Avantgarde weiterhin bestätigen, müssen sie sich durch die inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten auch praktisch mit diesen Fragen auseinandersetzen. Das führe unweigerlich zu mehr Substanz, zu natürlicher Reduktion und ist eine Antwort auf die aktuell dringlichste Frage, welche Post-Corona-Norm wir als Kulturschaffende kreieren und definieren wollen. Manuel Rivera vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) wünschte sich aufbauend auf Garretts Forderung eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Kunst. Seine These: Die Wissenschaft kann die Komplexität des Klimawandels nicht in solchem Maß reduzieren, dass Handeln vorstellbar wird. Die Kunst kann sich diesem Problem jedoch annehmen und gemeinsam mit der Wissenschaft Darstellungsformen entwickeln, durch welche die globale Krise lokal erlebbar wird. Weiterhin hat die Kunst jedoch auch die Möglichkeit, das Thema positiv zu belegen und Chancen aufzuzeigen, wie Natalie Driemeyer, Dramaturgin des Hans Otto Theaters Potsdam, meinte. Sie sieht das Theater als Kommunikations- und Utopieort und möchte mit den unternehmensinternen und -externen Klima AGs Visionen einer positiven Gesellschaft ausarbeiten. Allerdings muss zu diesem Panel auch gesagt werden, dass die dabei besprochenen Themen Geschmackssache sind. Einzelne empfanden dabei die teils sehr theoretische und konzeptlastige Auseinandersetzung mit dem Thema zwischenzeitlich zu trocken. Erfrischend kommunal-praktisch wirkte da der Vortrag von Juliane Moschell über das Nachhaltigkeitsengagement von Dresden.
Wem bestimmte Themen des ursprünglich ausgewählten Panels nicht zusagten, konnte - dank Online-Format - zwischen parallelen Vorträgen und Diskussionen einfach wechseln. So geriet man mitunter auf interessante Divergenzen: Jakob Christof Kunzlmann von der Bertelsmann-Stiftung erläuterte etwa, dass sich manch große Konzerne wie Daimler nach wie vor schwertun, ihren Nachhaltigkeitsbericht überzeugend darzulegen und tief auf ihren Webseiten verstecken. Zwei Klicks später war man dann in den Vortrag des Stuttgarter Theaterhauses, das zusammen mit dem Hauptsponsor, der Mercedes-Benz-Bank, just dieses Nachhaltigkeitsengagement mit der Müllaufräumaktion auf dem Theatergelände unterstreichen wollte. "Engagement für saubere Umwelt", so bewirbt die MB-Bank ihre Müllaktion. Geschenkt - aber verkauft das nicht als Umweltengagement, liebe Autobauer. Darüber hinaus war dieses Meer an möglichen Impulsen allerdings auch Fluch und Segen zugleich: Zu viele Panels fanden parallel statt, sodass man mitunter das Gefühl hatte, genau jetzt etwas Wesentliches verpasst zu haben. Die nachträglich zur Verfügung gestellte Aufzeichnung aller Vorträge ist dabei jedoch sehr hilfreich und lobenswert.
Fazit
Alles in allem waren es insbesondere die Beispiele aus dem Ausland, die inspirieren, motivieren und Mut machen für die nächsten Jahre. Es zeigte sich aber auch, dass die deutsche Kulturbranche hier noch viel aufzuholen hat. In verschiedenen Panels war die Antwort auf die Frage, wie der Wandel hin zu einer nachhaltigen Kulturbranche gelingen kann, oft noch sehr vage. Es gibt bereits einige inspirierende Institutionen und Projekte, die sich auf den Weg gemacht haben. Aber hier braucht es unbedingt mehr. Ein Konsens dieser Vorreiter war: Better together! Es geht nur mit Kooperation, mit der Bildung von Netzwerken und der Bereitstellung von Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung. Dabei kann Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch politisch, sozial und ökonomisch gedacht werden. Ebenso bietet das die Möglichkeit, sich in den Ansätzen gegenseitig zu ergänzen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und allumfassend Fortschritte zu erzielen.
Ein Learning aus den letzten Jahren ist außerdem, dass es nicht bei der bisher freiwilligen Selbstverpflichtung bleiben kann. Es braucht gewisse Vorgaben durch die Politik und in den Förderstrukturen, da freiwilliges Engagement bisher oft Nachteile für die Institution nach sich zieht. Das wichtigste Resümee kann indes ganz kurz mit zwei Wörtern zusammengefasst werden: JETZT Handeln!
Sustainable Cultural Tourism
Die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit macht auch vor dem (Kultur-)Tourismus nicht Halt. Für die entsprechenden Anbieter*innen bedeutet das künftig, die individuellen Wünsche der Reisenden in Einklang mit entsprechenden umweltpolitischen Aspekten zu bringen. Zudem ist hier an den Identitätserhalt der Destinationen zu denken, der insbesondere vom Phänomen des Overtourism in den letzten Jahren immer mehr bedroht wurde. Dabei schilderte Ana Hrnic, Direktorin von Dubrovnik Tourism Board, die katastrophale Situation der letzten Jahre in Dubrovnik: 2017 brachten bis zu 13 Schiffe pro Tag zwischen 13.000 und 39.000 Tagesbesucher*innen in die Stadt. Hinzukamen aufs Jahr verteilt weitere 1,5 Millionen Übernachtungsgäste. Die lokale Bevölkerung wurde sogar gebeten, an diesen "roten Tagen" zuhause zu bleiben. 2018 schaffte es die jahrtausendalte Stadt sogar auf Platz 3 der weltweiten "Not-to-go"-Liste - eine Platzierung, auf die man gern verzichten kann. Durch koordinierte Maßnahmen zwischen der CLIA (Cruise Liner International Association) und der Stadt Dubrovnik wurde die Aktion "Respect the City" initiiert. Dubrovnik war dabei die erste Stadt, die sich an CLIA gewendet hat, um das Problem Overtourismus anzusprechen und entsprechende Lösungen zu finden. Den Maßnahmen entsprechend werden seit 2019 u.a. Elektrobusse zwischen Hafen und Altstadt eingesetzt, gestaffelte Anlegezeiten und diversifizierte Besuchsrouten festgelegt sowie Initiativen geschaffen, die lokale, nachhaltige Unternehmen einbeziehen. 2020 sollten diese Maßnahmen ausgebaut werden - coronabedingt hat die Tourismussaison allerdings nicht im ursprünglich erwarteten Maß stattgefunden. Für 2021 hofft man daher auf einen Aufschwung, der die neuerworbenen Erkenntnisse miteinbezieht. Denn der weltweite Tourismus wird innerhalb und außerhalb Europas weiter florieren und Konsument*innen und Kulturreisenanbieter*innen gleichermaßen vor Herausforderungen stellen.
Climate as Artistic Content
Im Panel "Climate as Artistic Content” nahm Ian Garrett, Direktor vom Centre for Sustainable Practice in the Arts, außerdem die Kunstschaffenden in die Verantwortung. Denn wollen diese die sich selbst zugeschriebene Avantgarde weiterhin bestätigen, müssen sie sich durch die inhaltliche Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit in all seinen Facetten auch praktisch mit diesen Fragen auseinandersetzen. Das führe unweigerlich zu mehr Substanz, zu natürlicher Reduktion und ist eine Antwort auf die aktuell dringlichste Frage, welche Post-Corona-Norm wir als Kulturschaffende kreieren und definieren wollen. Manuel Rivera vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) wünschte sich aufbauend auf Garretts Forderung eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Kunst. Seine These: Die Wissenschaft kann die Komplexität des Klimawandels nicht in solchem Maß reduzieren, dass Handeln vorstellbar wird. Die Kunst kann sich diesem Problem jedoch annehmen und gemeinsam mit der Wissenschaft Darstellungsformen entwickeln, durch welche die globale Krise lokal erlebbar wird. Weiterhin hat die Kunst jedoch auch die Möglichkeit, das Thema positiv zu belegen und Chancen aufzuzeigen, wie Natalie Driemeyer, Dramaturgin des Hans Otto Theaters Potsdam, meinte. Sie sieht das Theater als Kommunikations- und Utopieort und möchte mit den unternehmensinternen und -externen Klima AGs Visionen einer positiven Gesellschaft ausarbeiten. Allerdings muss zu diesem Panel auch gesagt werden, dass die dabei besprochenen Themen Geschmackssache sind. Einzelne empfanden dabei die teils sehr theoretische und konzeptlastige Auseinandersetzung mit dem Thema zwischenzeitlich zu trocken. Erfrischend kommunal-praktisch wirkte da der Vortrag von Juliane Moschell über das Nachhaltigkeitsengagement von Dresden.
Wem bestimmte Themen des ursprünglich ausgewählten Panels nicht zusagten, konnte - dank Online-Format - zwischen parallelen Vorträgen und Diskussionen einfach wechseln. So geriet man mitunter auf interessante Divergenzen: Jakob Christof Kunzlmann von der Bertelsmann-Stiftung erläuterte etwa, dass sich manch große Konzerne wie Daimler nach wie vor schwertun, ihren Nachhaltigkeitsbericht überzeugend darzulegen und tief auf ihren Webseiten verstecken. Zwei Klicks später war man dann in den Vortrag des Stuttgarter Theaterhauses, das zusammen mit dem Hauptsponsor, der Mercedes-Benz-Bank, just dieses Nachhaltigkeitsengagement mit der Müllaufräumaktion auf dem Theatergelände unterstreichen wollte. "Engagement für saubere Umwelt", so bewirbt die MB-Bank ihre Müllaktion. Geschenkt - aber verkauft das nicht als Umweltengagement, liebe Autobauer. Darüber hinaus war dieses Meer an möglichen Impulsen allerdings auch Fluch und Segen zugleich: Zu viele Panels fanden parallel statt, sodass man mitunter das Gefühl hatte, genau jetzt etwas Wesentliches verpasst zu haben. Die nachträglich zur Verfügung gestellte Aufzeichnung aller Vorträge ist dabei jedoch sehr hilfreich und lobenswert.
Fazit
Alles in allem waren es insbesondere die Beispiele aus dem Ausland, die inspirieren, motivieren und Mut machen für die nächsten Jahre. Es zeigte sich aber auch, dass die deutsche Kulturbranche hier noch viel aufzuholen hat. In verschiedenen Panels war die Antwort auf die Frage, wie der Wandel hin zu einer nachhaltigen Kulturbranche gelingen kann, oft noch sehr vage. Es gibt bereits einige inspirierende Institutionen und Projekte, die sich auf den Weg gemacht haben. Aber hier braucht es unbedingt mehr. Ein Konsens dieser Vorreiter war: Better together! Es geht nur mit Kooperation, mit der Bildung von Netzwerken und der Bereitstellung von Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung. Dabei kann Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch politisch, sozial und ökonomisch gedacht werden. Ebenso bietet das die Möglichkeit, sich in den Ansätzen gegenseitig zu ergänzen, Lösungsvorschläge zu erarbeiten und allumfassend Fortschritte zu erzielen.
Ein Learning aus den letzten Jahren ist außerdem, dass es nicht bei der bisher freiwilligen Selbstverpflichtung bleiben kann. Es braucht gewisse Vorgaben durch die Politik und in den Förderstrukturen, da freiwilliges Engagement bisher oft Nachteile für die Institution nach sich zieht. Das wichtigste Resümee kann indes ganz kurz mit zwei Wörtern zusammengefasst werden: JETZT Handeln!
Die Aufzeichnungen des kompletten Kongressprogramms finden Sie hier.
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