08.06.2011

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Autor*in

Birgitta Borghoff
ist forschend, lehrend, beratend und selbst unternehmerisch unterwegs. Sie liebt es, Brücken zu bauen zwischen Menschen, Unternehmen und Kulturen. Als Forscherin und Bildnerin an der ZHAW engagiert sie sich v.a. in den Bereichen Kommunikation, Kreative Agilität, Innovation Design und Entrepreneurial Storytelling. Als Creagile Entrepreneur von brückenwege und INNOVANTIQUA begleitet sie Menschen und Organisationen bei der Kultivierung von resilienzstärkenden Werten wie Spiritualität, Organisationsweisheit und Kreativität. Birgitta engagiert sich zudem ehrenamtlich als Stiftungsrätin der Sulzberg Stiftung.
Buchrezension

Beratung und Coaching in der Kreativwirtschaft

Eine Rezension dieser Neuerscheinung
 
Die noch junge von Prof. Dr. Elmar D. Konrad, Geschäftsführender Leiter des Instituts für Unternehmerisches Handeln (IUH) der FH Mainz und Prof. Dr. Herbert Grüner, u.a. Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Kunsthochschule Berlin Weißensee herausgegebene Edition Kreativwirtschaft befasst sich mit den Kernbereichen des Kulturunternehmertums und der Kreativwirtschaft. Die Reihe hat sich zum Ziel gesetzt, den Akteuren dieser Szene einerseits fundiertes praxisorientiertes Wissen an die Hand zu geben sowie andererseits theoretische, ökonomische und rechtliche Denkanstöße zu vermitteln. Der didaktische Ansatz impliziert somit Theorie, Empirie, Handlungsempfehlungen, Fallstudien und Übungsbeispiele.
 
Die erste von Elmar D. Konrad selbst verfasste Publikation der Edition Kreativwirtschaft widmet sich der Erforschung der Zusammenhänge zwischen "Kulturmanagement und Unternehmertum". Mit dem zweiten hier vorliegenden Buch schließen die Autoren eine zentrale Lücke, was das Aufgreifen wichtiger gründungsrelevanter Beratungsaspekte in der Kreativwirtschaft anbetrifft. Entstanden ist dabei ein reichhaltiger Erfahrungsbericht und Leitfaden für Coachs und Berater in der Kreativwirtschaft, der mit einer bunten Vielfalt an methodischen Reflexionen und didaktischen Konzepten aufwartet.
 
Die Publikation wendet sich nicht nur an Rat suchende Kultur- und Kreativgründer, mit dem Ziel, den richtigen Coach bzw. Berater für ihr berufliches Tätigkeitsfeld zu finden, sondern auch an Culturepreneurs, die sich bereits am Markt etabliert haben, den bisherigen Erfolg evaluieren und neue Impulse für das eigene Innovations- und Ideenmanagement gewinnen möchten. Daneben sollen auch Finanzdienstleister, Fördereinrichtungen, potenzielle private Investoren als auch politische Akteure und Entscheidungsträger angesprochen werden, mit dem implizit formulierten Wunsch, diese mögen die Bandbreite kreativer Geschäftsmodelle und deren Erfolgsparameter besser verstehen lernen und möglicherweise angeregt werden, neue Rahmenbedingungen zugunsten veralteten Strukturen zu schaffen. In jedem Fall soll der Lesende der Faszination von Kunst und Kommerz teilhaftig werden und das Potenzial von Kreativität als bedeutendem Wirtschaftsfaktor erkennen können.
 
Das Handbuch gliedert sich in drei Teile und sechs Kapitel.
 
Teil A befasst sich mit der Bedeutung der Kreativwirtschaft im Besonderen und evaluiert mögliche Chancen für Gründungsvorhaben und Unternehmertum in den verschiedenen Teilmärkten der Kreativwirtschaft. Ebenso wird das Spektrum der kreativen GründerInnen in Form von Kompetenzen und Berufsbildern offen gelegt. Darüberhinaus wird versucht, die in der Gründungsforschung zu den maßgeblichen Erfolgsfaktoren zählenden Kriterien der Unternehmerpersönlichkeit und des Geschäftsmodells dem individuellen kreativwirtschaftlichen Erfahrungshorizont der Autoren gegenüber zu stellen und einen Vergleich zu ziehen.
 
Teil B beleuchtet grundlegende Leitgedanken für das methodische Vorgehen in Coaching- und Beratungsprozessen in der Kreativwirtschaft auf der Grundlage des Geschäftsmodells einerseits sowie der Unternehmerpersönlichkeit andererseits. Zunächst erfolgt eine Klärung und Abgrenzung der Begriffe Coaching und Beratung sowie eine didaktische Grundorientierung nach Erfolgsfaktoren. Anschließend werden zum einen die Grundlagen des Geschäftsmodellcoachings diskutiert, zum anderen die Voraussetzungen für das Persönlichkeitscoaching. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich im wesentlichen mit den zentralen Herausforderungen beim Coaching von kreativwirtschaftlichen Gründungsvorhaben und konzentriert sich auf die folgenden Themen: Direkte versus nicht-direktive Beratung; Geschäftsmodellcoaching anhand der Opportunity-Forschung (Causality und Effectuation); Stärkung der Führungsfähigkeit von Kreativgründern (durch Instrumente wie Management Trainings, Reifegradmodell der Führung, Führungsplanspiele und Aktionslernen, Selbstbild und Biografie, Konfliktmanagement, Kommunikation, Werte und Führungsfähigkeit, Führen im Projektmanagement); Aufbau erfolgreicher Teams als Coach (Gründer-Casting, Teambuilding, Konfliktcoaching und mediation), Trainingsmethoden zur Stärkung mangelnder Empathie- und sozialer Anpassungsfähigkeit; Marketing als kreativer Prozess; Stimulation von Netzwerkdenken (Überwindung von Ängsten und Hemmungen, Zieldefinition und Eigeninitiative, Netzwerkpyramide der Kreativwirtschaft); Erfolgreiche Vermittlung und Integration kreativer Vorhaben in Förderprogramme.
 
Teil C thematisiert die aktuellen Qualitätsanforderungen an Coaching und Beratung am Beispiel des Projekts Media Exist sowie des BIEM Brandenburgischen Instituts für Existenzgründung und Mittelstandsförderung. Im letzten Kapitel kommt man zum Fazit, dass der Beratungs- und Coachingbedarf junger Kreativgründer eine hohe Komplexität aufweist. Zum einen existiere eine "Beraterschwemme", zum anderen fehle es an ausreichend personenzentrierten Methodenkenntnissen seitens der am Markt agierenden Berater und Coachs. Neben einer fehlenden Unterscheidung zwischen Beratungs- Know-how einerseits und Coachingkompetenz andererseits klaffe zudem eine große Lücke zwischen der aktuellen Beratungs- und Coachingpraxis ("eindimensionale Sichtweisen nach der Businessplan-Logik", Fokus auf Sachfragen und Stereotypisierungen) sowie dem Status Quo der Gründungswissenschaft (Fokus auf "personenzentrierte Ressourcen" wie biografischer Background, Mission, Vision, Werte, Ziele und Verknüpfung derselben mit dem individuellem "authentischen" künstlerischen Schaffen). Die zunehmende Auflösung des "normierten Verständnis von Arbeit" zugunsten einer mehr und mehr aufkeimenden "Individualisierung und Entstandardisierung in Form einer neuen Selbständigkeit" fördere nach Ansicht der Autoren nicht nur die horizontale Kommunikation in losen Netzwerkstrukturen (anstatt vertikale Kommunikation in traditionellen Organisationsstrukturen), sondern verstärke überdies auch die bewusste Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln und individuelle Leben. Der Unternehmer im 21. Jahrhundert sei ganz klar ein Kreativer! Insofern bestätigt sich die eingangs formulierte These der Autoren, dass der "Begriff des Kreativen" in allen Wirtschaftszweigen mehr und mehr ins Zentrum des Geschehens rücke.
 
Der Versuch der Autoren, die zentralen Aspekte für die Beratung und das Coaching in der Kreativwirtschaft - trotz der hohen Komplexität der Materie - herauszuarbeiten und ins rechte Licht zu setzen, ist aus Sicht der Rezensentin mehr als gelungen. Der Fragebogen im Anhang des Buches dient als Checkliste für potenzielle Existenzgründer und rundet das Thema im Sinne einer individuell durchzuführenden Selbsteinschätzung ab. Die Intention der Herausgeber der Edition in Bezug auf den vorliegenden Titel ist speziell zu würdigen, zumal Fachliteratur zum Thema Coaching in der Kreativwirtschaft sei es in Form von Handbüchern, essayistischen Abhandlungen oder Leitfäden äußerst rar ist, das Thema bisher kaum aufgearbeitet wurde und noch immer in den Kinderschuhen steckt. Dies ist zu einem gewissen Teil sicherlich auf die vielerorts zu beobachtende Ignoranz der entsprechenden Verantwortlichen an den Kunsthochschulen zurückzuführen, die immer noch nicht erkannt bzw. verstanden haben, dass ihre Aufgabe und Herausforderung vornehmlich darin besteht, eigenständige, am Markt agierende, reflexionsfähige Künstlerpersönlichkeiten auszubilden und zu entwickeln. Die ungenügende öffentliche Wahrnehmung der für selbständige Akteure in der Kulturwirtschaft enorm wichtigen Fragestellungen in Sachen Gründungsvorhaben evoziert ein mangelndes Angebot an qualifizierten und in vielerlei Hinsicht spezialisierten Beratern und Coachs im Kreativmarkt. Potenzial also für ein neues Berufsbild als komplexitätsaffiner, teilmarktfokussierter Kreativcoach mit multimethodischem, flexiblem biografischen Background, hohem Sinn für Diversität und psychologischem Geschick? Fragwürdig bleibt allerdings, wer diesen multifunktionalen, fast jenseits von gut und böse talentierten "Übermenschen" ausbilden soll?!
 
Fazit: Die vorliegende Publikation hält, was der Name verspricht: Ein gut strukturierter Leitfaden, praxisnah und theoretisch fundiert, reich an konkretem Methodenwissen und allerlei Erfahrungen aus der persönlichen Schatzkiste der Autoren, die sich im übrigen auch auf andere Branchen respektive Wirtschaftszweige gut übertragen ließen. Alles in allem sehr empfehlenswert. Tipp: Kaufen! Empfehlung: Weitere Publikationen der Edition Kreativwirtschaft unbedingt im Auge behalten!

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