06.07.2018
Buchdetails
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Autor*in
Cynthia Krell
ist freie Kunstvermittlerin und Kunstkritikerin. Sie studierte Bildende Kunst, Kunstpädagogik und Germanistik in Braunschweig und Madrid. Sie war für die Konzeption und Durchführung zahlreicher Kunstvermittlungsprojekte am Bielefelder Kunstverein tätig und schreibt auf Ihrem Blog regelmäßig über zeitgenössische Kunst.
Buchrezension
Social Media für Museen II. Der digital erweiterte Erzählraum
Es gibt fast kein Museum mehr ohne digitale Angebote. Damit sollen dauerhaft verschiedene BesucherInnengruppen gewonnen werden. Dieser Herausforderung widmet sich der überzeugende Leitfaden Social Media für Museen II vornehmlich aus der Kulturmanagement-Praxis.
Das Buch, 2016 von der Hochschule Luzern herausgegeben, ist das Ergebnis eines anwendungsorientierten Forschungsprojektes namens Audience+Story. Dieses untersuchte die Nutzung von sozialen Medien und mobilen Geräten im Kulturbereich. Obwohl die AutorInnen und HerausgeberInnen Axel Vogelsang, Bettina Minder und Barbara Kummler alle an der Hochschule Luzern tätig sind, überzeugt der Leitfaden durch seine journalistische Schreibweise.
Theoretischer Ansatz
Die Publikation bewegt sich thematisch zwischen den musealen Praxisfeldern Management, Kommunikation, PR/Marketing, Kuration und Vermittlung. Ausgehend von der Annahme, dass Museen narrative Orte sind, und aufgrund der Bezüge zum narrative turn knüpft das Buch an aktuelle Diskurse an, die bisher in der Museologie kaum eine Rolle spielen. Stattdessen gehen die AutorInnen eher praktischen Fragen nach, wie etwa nach zeitgemäßen Erzählformen oder der Rolle des Erzählers, der Kuration und des Publikums. Weitere Bezugspunkt sind die klassischen Aufgaben des Museums sowie das Feld des Audience Development. Eine weitergehende Einführung in diesen Fachdiskurs wird jedoch nicht geleistet.
Erster Teil: Überblick
Das Versprechen, ein Praxishandbuch zum Einstieg ins Erzählen und Entwickeln von Online-Offline-Projekten im Museum zu liefern, wird eingehalten. So ist der Einstieg ins Thema im ersten Kapitel zwar überschaubar, aber verschafft dennoch einen guten Überblick über den Status quo narrativer und digitaler Formate. Dabei geht es nicht darum, den realen Museumsraum und das Digitale gegeneinander auszuspielen, sondern darum, die Schnittstellen zu finden, in denen sich beides befruchtet. (S. 14). Das hat auch Konsequenzen für die Arbeitsorganisation: Die interdisziplinäre bzw. interprofessionelle Zusammenarbeit sollte in den Mittelpunkt rücken und durch eine gemeinsam entwickelte Museumsstrategie erfolgreich legitimiert werden. Denn, so betonen die AutorInnen mehrfach, aus einer strategischen Sicht sind soziale und digitale Medien nicht einfach nur ein weiteres Kommunikationsmittel, mit dem man Botschaften verstärkt oder multipliziert. Wir möchten Sie dazu auffordern, diese Medien als einen erweiterten Museumsraum zu betrachten. (S. 19).
Zum anderen wird skizziert, inwiefern das Museum als narrativer Ort verstanden und soziale Medien zur Erweiterung des musealen Erlebnis- und Erzählraumes in den öffentlichen Raum genutzt werden können. Verdeutlicht wird dies durch zahlreiche internationale Praxisbeispiele. Hierbei wird die Einbeziehung des Besuchers in den sozialen Medien praxisnah thematisiert, weil (...) soziale Medien kein Allheilmittel sind und (...) die Dialogbereitschaft vom Museum ausgehen sollte (S. 38). Vorgestellt werden einzelne Projekte, die sowohl auf den Einzelbesucher und dessen Engagement fokussieren als auch das Publikum als Partner begreifen. Dabei werden Dialog, Partizipation und persönliche Beziehung über Mitmach-Projekte zielgerichtet verstärkt. Es fehlen jedoch innovative Beispiele aus dem Bereich der Inklusion und Barrierefreiheit, um auch die Bedürfnisse von Menschen mit Handicaps zu berücksichtigen.
Zweiter Teil: Praktische Umsetzung
Wer in der Praxis konkret ein eigenes storytellingbasiertes Online-Offline-Projekt für ein Museum und/ oder eine Kultureinrichtung plant, sollte direkt mit dem zweiten Kapitel einsteigen. In diesem wird die schrittweise Entwicklung, Durchführung und Evaluation eines solchen Projektes ausgehend von strategischen Erwägungen und Zielen exemplarisch dargestellt. Als Online-Offline bezeichnen die AutorInnen Konzepte, die Museumsangebote im realen Raum mit jenen im virtuellen Raum anreichern und den Besucher dazu animieren, während, vor oder nach dem Besuch die Online-Angebote des Museums zu nutzen. (Dadurch) sind Teile der Museumswelt für alle Interessierten mit einem Internetzugang erreichbar, können rezipiert, verbreitet und partizipiert werden (S. 45). Das Resultat ist für die AutorInnen ein neuer, erweiterter Museumsraum, der neue Besucher anzieht.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein mehrstufiger Prozess der Projektentwicklung notwendig, der jedoch die Ressourcen und Rahmenbedingungen von mittleren bis kleineren Museen oder Kultureinrichtungen sprengen könnte. Dieser gliedert sich:
- in einen organisatorischen und empirisch-analytischen Teil, in dem die Voraussetzungen für eine erfolgsversprechende Projektentwicklung geschaffen werden,
- in einen strategisch-visionären Teil, in dem Projektziele entwickelt, die Besuchergruppen definiert und die Erzählweisen erschlossen werden,
- und in einen kreativ-opelrationalen Teil, in dem das Konzept entwickelt, Maßnahmen geplant und die Evaluation aufgesetzt werden.
Neben einem hohen personellen und zeitlichen Arbeitsaufwand für die Umsetzung dieser Projektentwicklung ist dafür auch die Bereitschaft zu einer interdisziplinären bzw. interprofesionellen Teamarbeit nötig sowie die Rückendeckung von Seiten der Direktion.
Dritter Teil: Erfahrungsberichte
Als LeserIn ist auch ein Einstieg aus der Perspektive von sieben ExpertInnen aus dem Museumsfeld im dritten Kapitel möglich. Diese berichten jeweils über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem erzählerischen Umgang mit musealen Inhalten in sozialen und mobilen Medien. Zu Wort kommen sowohl Angestellte von Museen als auch externe BeraterInnen. Dabei fällt das unausgewogene Geschlechterverhältnis ins Auge: Fünf von sechs Interviews wurden mit männlichen Experten geführt. Unabhängig davon wird vor allem deutlich, dass es nicht die eine richtige Strategie und/ oder Methode gibt, um mit Online-Offline-Projekten Erfolg zu haben. Vielmehr handelt es sich um ein sehr dynamisches Aufgaben- und Arbeitsfeld, das Museen mit der Herausforderung einer sich ständig wandelnden Gesellschaft und deren Kommunikationsformen konfrontiert aber auch zum gemeinsamen Experimentieren und voneinander Lernen anregen kann.
Bei der Lektüre fällt auf der gestalterischen Ebene auf, dass in einzelnen Sätzen Zitate nochmals herausgestellt und andere unterstrichen sind, die von den AutorInnen als Essenz betrachtet werden. Dieses Layout und Vorgehen kann für ein überfliegendes Lesen dienlich sein, aber den mündigen Leser auch bevormunden oder nerven. Insgesamt ist das Layout des Buches jedoch sehr ansprechend und lädt zum kontinuierlichem und konzentriertem Lesen ein.
Ein Praxishandbuch für Alle
Die Publikation versteht sich als praxisnaher Leitfaden für im Museum tätige Personen, die bereits über Vorkenntnisse in der Museumskommunikation und/ oder im Umgang mit sozialen Medien und mobilen Anwendungen verfügen. Nach der Lektüre versteht man, in welch großem Umfang ein digital erweiterter Museumsraum alle klassischen Aufgaben eines Museums tangiert. Das Buch eignet sich für EntscheidungsträgerInnen, die zum Beispiel für ein Museum eine digitale Strategie entwickeln möchten. Auf der Projektebene kann es als Praxis-Leitfaden für MitarbeiterInnen und/ oder FreiberuflerInnen dienen, die sich für aktuelle Entwicklungen und die konkrete Konzeption und Umsetzung von Online-Offline-Projekten interessieren.
Größere bis mittlere Museen und/oder Kultureinrichtungen benötigen dafür nicht nur die entsprechenden personellen und finanziellen Mittel, sondern auch eine umfassende Strategie, die eine erfolgreiche und abteilungsübergreifende Teamarbeit und die Einbindung aller MitarbeiterInnen ermöglicht. Hierfür müssen medienaffine Personen an den Schnittstellen tätig sein, die solche Teamprozesse anleiten und koordinieren können. Für kleinere Museen und/ oder Kultureinrichtungen kann die Erweiterung des Museumsraumes ebenfalls eine Chance bieten, im kleinen Format eigene Online-Offline-Projekte umzusetzen und ebenfalls auf Basis einer ganzheitlichen Strategie die eigene Kommunikation zielgerichteter zu gestalten und/oder die BesucherInnen im analog-digitalen Raum aktiver einzubeziehen.
Der Leitfaden ist bereits im Jahr 2016 erschienen und unterliegt damit bereits der rasanten Weiterentwicklung der sozialen Medien. Dieser Herausforderung sind sich auch die AutorInnen bewusst. Dennoch bietet das Handbuch eine gelungene Mischung aus Konzeption, Projektentwicklung und Auswahl an Praxisbeispielen, die noch einige Jahre aktuell bleiben wird.
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