19.07.2011

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Oliver Daniel Sopalla
ist Betriebswirt, Geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsagentur Go Between Net GmbH & Co. KG und mit dieser tätig in der Kultur-, Freizeit- und Tourismuswirtschaft. Des Weiteren Mitbetreiber der Real Time Bidding-Plattform RTBmarkt.
Real Time Bidding

Werben in Echtzeit

Über eine Revolution auf dem Online-Werbemarkt berichtet Oliver Sopalla.

Themenreihe Digitale Formate

Der Europäische Online-Werbemarkt steht vor einem radikalen Umbruch: Wo früher noch Werbeanzeigen direkt auf Webseiten gebucht wurden (wie man es vom Printanzeigengeschäft her kennt) oder mittlerweile Werbenetzwerke zig Webseiten zum Festpreis mit Werbebanner beliefern, kommt jetzt richtig Bewegung in den Markt. Real Time Bidding (RTB) heißt das Zauberwort und wie so oft kommt die Entwicklung aus den USA. Dahinter versteckt sich vereinfacht gesagt, das Versteigern von Werbung in Echtzeit. Vor zwei Jahren war der Umsatz auf dem Real Time Bidding-Markt gleich null, denn es gab ihn schlichtweg einfach nicht. In 2010 generierte Real Time Bidding dann rund 1/3 des gesamten Umsatzes mit Online-Werbeflächen in den USA, Tendenz steigend.

Die Funktion von Real Time Bidding

Das Grundprinzip ist zunächst denkbar einfach: Webseiten bieten ihre freien Werbeflächen zu einem vorher festgelegten Mindestpreis an. Auf der anderen Seite der Auktion steigern Werbende um diese freien Flächen. Sobald der Besucher die Webseite betritt, geht die Auktion los und binnen Millisekunden steht der Höchstbietende fest und seine Werbung erscheint auf der Webseite. Denn die durchschnittliche Ladezeit einer Webseite beträgt 2,6 Sekunden, der Auktionspreis dagegen wird in ca. 30 Millisekunden ermittelt. Durch diese Mechanik werden die Preise für Online-Werbung in Deutschland in Bewegung kommen, denn bedeutet doch ein Auktionsprinzip oder Marktplatz für den Teilnehmer immer auch Markttransparenz: Webseitenbetreiber können ihre Umsätze optimieren, Werbende dagegen zahlen einen realistischen Preis.

Zielgruppe, ich finde dich

Die Verfeinerung von Real Time Bidding lässt nicht lange auf sich warten, denn welcher Werber würde nicht vor Begeisterung jubeln, wenn er seine Werbung dem passendem Gegenstück, eben dem Konsumenten, nahe bringen könnte. Ist doch das genaue Definieren und Lokalisieren von Zielgruppen bzw. das Vermeiden von Streuverlusten eine permanente Triebfeder eines jeden Mitspielers in Sachen Marketing. Und auch hier hat man schon mit dem sogenannten Targeting den Schlüssel in der Hand. Über die IP-Adresse eines Rechners lässt sich die Position des Nutzers städtegenau bestimmen (Geotargeting). Beim sogenannte Re-targeting wird der Rechner bei Besuch einer Webseite mit einem Cookie, einem kleine Programm, markiert. Mit solch einer Markierung werden Profile des Rechner und somit des Nutzers angelegt: Welche Vorlieben hat er? Mit welchen Themen beschäftigt er sich? Bei erneutem Besuch der Webseite erkennt nun der Marktplatz, welcher Rechner aus welcher Stadt welche Webseite besucht, und liefert ihm die passende Werbung, wobei diese im Vorfeld noch versteigert wird. Und das Ganze in 30 Millisekunden!

Audience Development meets Targeting

Auch das Kulturmanagement wird von dieser Entwicklung berührt werden, wurde doch Mitte der 90er Jahre der Begriff Audience Development geprägt als Bezeichnung für die strategische Entwicklung neuen Publikums für Kultureinrichtungen. Hier fließen Ansätze aus der Besucherforschung, Zielgruppensegmentierung und dem Liefern kultureller Angebote für bestimmte Zielgruppen ein. Und eben auch die der Kommunikationswege, denn diese sollten kongruent zur Zielgruppe sein. Hier erreicht man mit dem Internet eine sehr gute Effizienz. So nutzen im I. Quartal 2011 75% der Bevölkerung in Deutschland das Internet zu Hause, am Arbeitsplatz oder anderswo (Quelle: Forschungsgruppe Wahlen e. V.). Die Nutzung des Internets mit durchschnittlich über zwei Stunden täglich (Quelle: Bitcom e.V.) lässt ein großes Zeitfenster für die Kommunikation zu. Verknüpft man nun die beiden Ansätze (Audience Development und Targeting), kommt man schnell zu den verführerischen Möglichkeiten. Kann man doch so ganz unproblematisch auf die für sich passende Zielgruppe zugehen, eben z.B. kulturell interessierte Menschen, die in meinem Einzugsgebiet wohnen. Wie feingliedrig das Sammeln von Daten wird, wird die Zukunft zeigen. Aber perspektivisch ließen sich hier auch Kommunikationskanäle für ein Interkulturelles Audience Development denken oder Ethno-Marketing-Aspekte einbinden.

Datenschutz

Aber bei aller Liebe zum Detail bzw. zur exakt segmentierten Zielgruppe muss auch auf diese Entwicklung ein kritischer Blick geworfen werden, bevor es wie bei Adam und Eva im Paradies zum Sündenfall kommt. Was passiert mit den gespeicherten Daten? Sind sie sicher? Werden diese weitergegeben? Wie so oft hängt die aktuelle Rechtsprechung der Realität und der technologischen Entwicklung hinterher. In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist hierbei zu differenzieren, ob es sich bei den mithilfe der Cookies übermittelten Daten um solche mit Personenbezug handelt oder nicht. Hier ist je nach Einzelfall, also konkreter Übermittlung, zu unterscheiden: Wird zum Beispiel nur der Besuch einer Webseite gespeichert, ist das kein Personenbezug, denn dies hat keine individuelle Komponente, die eine eindeutige Zuordnung erlaubt. Werden jedoch wirklich persönliche Daten wie Emailadresse, Anschrift oder Name gesendet, ist der Personenbezug zu bejahen. In rechtlicher Hinsicht hat das die Konsequenz, dass die personenbezogenen Daten einem wesentlich höheren Schutz unterworfen sind: So dürfen diese beispielsweise nur unter bestimmten Voraussetzungen von Behörden erhoben und verwendet werden. Global gesehen verhält es sich dann nochmals ganz anders, denn wo Server stehen und wo Daten gelagert werden, ist im digitalen Zeitalter letztendlich fast egal. Somit ist ein hohes Maß an Sensibilität beim Thema Targeting angebracht.

Ausblick

Das Thema Real Time Bidding wird uns in den nächsten Jahren im Bereich Online-Marketing begleiten, erste Weiterentwicklungen wie z. B. der Vertrieb von Videowerbung sind schon online gegangen, das Thema Mobiles Internet wird nicht lange auf sich warten lassen. Einen wirklichen Vorteil bringt RTB für Kulturschaffende, die im Gegensatz zu anderen Werbeformen (wie Anzeigen in Printmagazinen oder Flyern) verhältnismäßig günstig werben können. Für Webseiten die sich durch Werbung finanzieren, ergibt sich hier eine alternative Quelle zur Refinanzierung. Alle anderen Webseitenbesitzer können sich nun die Frage stellen: Möchte ich auf meiner Seite Werbung haben oder nicht? Passt das zu meinem Konzept oder nicht? Ein spannende Frage für Kulturschaffende, ähnlich wie die Frage zur Finanzierung von Kultur durch Sponsoring.
 
Dieser Beitrag erschien im KM Magazin Nr. 57 (Juli 2011). Dort finden Sie auch weitere Beiträge zum Themenschwerpunkt Digitalisierung.
 

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