25.09.2017
Themenreihe Festivalmanagement
Autor*in
Nicola Scherer
Nicola Scherer ist Künstlerin, Kuratorin und Kulturmanagerin. Sie promoviert am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim.
Partizipationsansätze im Kulturbereich
Das Beispiel internationaler Theaterfestivals
Die Anzahl und die Formate von Theaterfestivals in Deutschland erweitern sich stetig. Das betrifft neben dem Programm auch diskursive und sozial-räumliche Formate. So bieten auch Theaterfestivals inzwischen nicht selten ein kuratiertes Musikprogramm an oder zeigen Arbeiten aus dem Bereich der bildenden Künste.
Themenreihe Festivalmanagement
Status quo der Theaterfestival-Landschaft
Für die Festivallandschaft der performativen Künste im deutschsprachigen Raum gibt es bislang keine vollständige Kartografie. Gerade in den letzten zehn Jahren sind viele neue Festivals entstanden, wobei die genaue Anzahl schwer auszumachen ist. Dabei erfahren Theaterfestivals eine zunehmende (Rück-)Besinnung auf politische Themen und auf den Zusammenhang zwischen künstlerischem und gesellschaftspolitischem Handeln (Artivism). Es gibt zudem mehr partizipative Formate und die künstlerischen Beiträge sind häufig inter- oder transdisziplinär. Schließlich findet eine Ausweitung der Räume zum Beispiel ins Urbane und das stadtgesellschaftliche Leben statt und auch der ländliche und digitale Raum werden bespielt.
Trotzdem scheint im Theaterbereich oftmals das Verständnis für nachhaltige, authentische und diversitätsorientierte Konzepte noch zu fehlen. Ein erster Schritt könnte die Reflektion darüber sein, wie divers ein Festivalteam bereits selbst aufgestellt ist und welchen Aspekten von Diversity man sich widmen will. Wesentlich hierbei ist, zu verstehen, dass Diversität und kulturelle Vielfalt nicht nur entlang von Nationalitäten und Ländergrenzen verläuft, sondern auch in unterschiedlichen Alltags-, Arbeits- und (Sub-)Kulturpraxen, Weltsichten, ökonomischen Verhältnissen, Glaubenskonzepten, Teilhabechancen, sexuellen Orientierungen, Alter, Bildung und vielem mehr zu finden ist.
Die Besonderheiten partizipativer und internationaler Festivalkonzepte
Betrachten wir die gegenwärtige Festivallandschaft, stellt sich daher die Fragen: Welche Themen werden wo mit welchen Mitteln verhandelt? Wie reagieren Theaterfestivals auf sich verändernde Gesellschaftsstrukturen? Welche Diskurse beschäftigt die Theaterlandschaft? Was wird lokal und was global verhandelt? Welche künstlerischen und kulturpolitischen Strategien verfolgen die Macher*innen? In welcher Form wird Partizipation ermöglicht?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich meine Forschungstätigkeit. Dabei zeigt sich, dass ein Theaterfestival mit einem transkulturellen Konzept, das diverse Publikums- und Künstler*innengruppen zur Partizipation einlädt, nur erfolgreich sein kann, wenn sich die Maßnahmen nicht nur auf das künstlerische Programm beziehen. Vielmehr rücken auch diskursive Formate und die kulturelle Bildung in den Vordergrund. Es gibt Stipendienprogramme, Debatten, Workshops oder Festival-Konferenzen. Der digitale Raum wird in Blogs, Instagram- und Twitteraccounts genutzt, um das Festivalfeeling zu transportieren und dem Publikum Kommentar- und Feedbackmöglichkeiten zu geben.
Für den Partizipationsgedanken eignen sich jedoch eher nachhaltigere Konzepte, die auch Anwesenheit vor Ort einschließen. Neben den bekannten Playern, wie dem Goethe-Institut oder Netzwerken des internationalen Theaters, werden persönliche Kontakte zu internationalen Kurator*innen immer wichtiger. Dabei sollten auch die Gefahren beachtet werden, die entstehen, wenn beispielsweise die Gastgeber*innen-Rolle vernachlässigt wird. Im internationalen Kontext bedeutet das beispielsweise, den Festivalplan so zu takten, dass auch den Künstler*innen viel Gelegenheit gegeben wird, sich untereinander auszutauschen oder die gegenseitigen Arbeiten anzuschauen. Oftmals ist dies durch einen zu engen Plan nicht gegeben. Auch Übersetzungen spielen hierbei eine große Rolle. Ebenso ist es interessant, inwieweit das Motto oder Thema eines Festivals aus Kooperationen entstanden ist und wie nachhaltig diese sind. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die Sensibilisierung für transkulturelle Aspekte und die Umsetzung partizipativer Formate vielfältige Modelle nebeneinanderstehen müssen, um auf die Besonderheiten des jeweiligen Festivals eingehen zu können.
Organisatorische und strukturelle Hinweise für internationales Festivalmanagement:
Immer wieder begegnen mir Differenzen darüber, wie Tätigkeiten aus Kulturmanagement, künstlerischer Leitung, kuratorischen und managerialen Aufgaben betitelt werden. Glauben Sie mir, es ist wichtig, dass Sie die Aufgabenbereiche auseinanderhalten, aber noch wichtiger ist die Einsicht, dass Sie alle Perspektiven brauchen, um ein gutes Festival zu machen. Setzen Sie künstlerische und kuratorische Fragen und Grundgedanken an den Anfang und ordnen Sie danach die managerialen Aufgaben. Gehen Sie auch davon aus, dass Sie nicht alles Wissen und jede Expertise haben werden, die Sie benötigen. Suchen Sie sich gute Kooperationspartner*innen, mit denen Sie konzeptionell und operational zusammenarbeiten.
Konkret bedeutet das:
Für die Festivallandschaft der performativen Künste im deutschsprachigen Raum gibt es bislang keine vollständige Kartografie. Gerade in den letzten zehn Jahren sind viele neue Festivals entstanden, wobei die genaue Anzahl schwer auszumachen ist. Dabei erfahren Theaterfestivals eine zunehmende (Rück-)Besinnung auf politische Themen und auf den Zusammenhang zwischen künstlerischem und gesellschaftspolitischem Handeln (Artivism). Es gibt zudem mehr partizipative Formate und die künstlerischen Beiträge sind häufig inter- oder transdisziplinär. Schließlich findet eine Ausweitung der Räume zum Beispiel ins Urbane und das stadtgesellschaftliche Leben statt und auch der ländliche und digitale Raum werden bespielt.
Trotzdem scheint im Theaterbereich oftmals das Verständnis für nachhaltige, authentische und diversitätsorientierte Konzepte noch zu fehlen. Ein erster Schritt könnte die Reflektion darüber sein, wie divers ein Festivalteam bereits selbst aufgestellt ist und welchen Aspekten von Diversity man sich widmen will. Wesentlich hierbei ist, zu verstehen, dass Diversität und kulturelle Vielfalt nicht nur entlang von Nationalitäten und Ländergrenzen verläuft, sondern auch in unterschiedlichen Alltags-, Arbeits- und (Sub-)Kulturpraxen, Weltsichten, ökonomischen Verhältnissen, Glaubenskonzepten, Teilhabechancen, sexuellen Orientierungen, Alter, Bildung und vielem mehr zu finden ist.
Die Besonderheiten partizipativer und internationaler Festivalkonzepte
Betrachten wir die gegenwärtige Festivallandschaft, stellt sich daher die Fragen: Welche Themen werden wo mit welchen Mitteln verhandelt? Wie reagieren Theaterfestivals auf sich verändernde Gesellschaftsstrukturen? Welche Diskurse beschäftigt die Theaterlandschaft? Was wird lokal und was global verhandelt? Welche künstlerischen und kulturpolitischen Strategien verfolgen die Macher*innen? In welcher Form wird Partizipation ermöglicht?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich meine Forschungstätigkeit. Dabei zeigt sich, dass ein Theaterfestival mit einem transkulturellen Konzept, das diverse Publikums- und Künstler*innengruppen zur Partizipation einlädt, nur erfolgreich sein kann, wenn sich die Maßnahmen nicht nur auf das künstlerische Programm beziehen. Vielmehr rücken auch diskursive Formate und die kulturelle Bildung in den Vordergrund. Es gibt Stipendienprogramme, Debatten, Workshops oder Festival-Konferenzen. Der digitale Raum wird in Blogs, Instagram- und Twitteraccounts genutzt, um das Festivalfeeling zu transportieren und dem Publikum Kommentar- und Feedbackmöglichkeiten zu geben.
Für den Partizipationsgedanken eignen sich jedoch eher nachhaltigere Konzepte, die auch Anwesenheit vor Ort einschließen. Neben den bekannten Playern, wie dem Goethe-Institut oder Netzwerken des internationalen Theaters, werden persönliche Kontakte zu internationalen Kurator*innen immer wichtiger. Dabei sollten auch die Gefahren beachtet werden, die entstehen, wenn beispielsweise die Gastgeber*innen-Rolle vernachlässigt wird. Im internationalen Kontext bedeutet das beispielsweise, den Festivalplan so zu takten, dass auch den Künstler*innen viel Gelegenheit gegeben wird, sich untereinander auszutauschen oder die gegenseitigen Arbeiten anzuschauen. Oftmals ist dies durch einen zu engen Plan nicht gegeben. Auch Übersetzungen spielen hierbei eine große Rolle. Ebenso ist es interessant, inwieweit das Motto oder Thema eines Festivals aus Kooperationen entstanden ist und wie nachhaltig diese sind. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für die Sensibilisierung für transkulturelle Aspekte und die Umsetzung partizipativer Formate vielfältige Modelle nebeneinanderstehen müssen, um auf die Besonderheiten des jeweiligen Festivals eingehen zu können.
Organisatorische und strukturelle Hinweise für internationales Festivalmanagement:
Immer wieder begegnen mir Differenzen darüber, wie Tätigkeiten aus Kulturmanagement, künstlerischer Leitung, kuratorischen und managerialen Aufgaben betitelt werden. Glauben Sie mir, es ist wichtig, dass Sie die Aufgabenbereiche auseinanderhalten, aber noch wichtiger ist die Einsicht, dass Sie alle Perspektiven brauchen, um ein gutes Festival zu machen. Setzen Sie künstlerische und kuratorische Fragen und Grundgedanken an den Anfang und ordnen Sie danach die managerialen Aufgaben. Gehen Sie auch davon aus, dass Sie nicht alles Wissen und jede Expertise haben werden, die Sie benötigen. Suchen Sie sich gute Kooperationspartner*innen, mit denen Sie konzeptionell und operational zusammenarbeiten.
Konkret bedeutet das:
- Stellen Sie sich die Frage, über welche gesellschaftlichen Diskurse Sie als Festival glaubhaft etwas sagen oder mit welchen Formaten Sie danach fragen können
- Binden Sie das Team, den Ort/ die Spielstätte(n), gesellschaftspolitische Relevanz und Aktualität des Themas in Ihre Überlegungen ein
- Verstehen Sie Ihr Festival als kreatives System und halten sie Raum für spontane Entwicklungen frei
- Seien Sie ein aufmerksame/r Gastgeber*in für Künstler*innen und Publikum
- Klären Sie mit ihrem Team und Kooperationspartner*innen Begriff, Ziele, Erfolgsparameter und deren Evaluation, z.B. Nachhaltigkeit, Transkulturalität, Partizipation, Diversity
- Verabschieden Sie sich von hierarchischen Arbeitsstrukturen und sehen Sie auch Ihre Mitarbeiter*innen als Ansatzpunkt für Internationalisierung und Diversität. Stimmt die Besetzung ihres Teams mit Ihren Zielen überein? Was fehlt? Sie könnten beispielsweise mit einem Festival im Ausland kooperieren und ein Mitarbeiter*innen-Austauschprogramm durchführen
- Bleiben Sie offen für Scheitern und Experimente
- Bleiben Sie neugierig auf Themen, für die Sie kein Experte sind, und holen Sie sich benötigte Expertise hinzu
- Partizipation entsteht durch echten Kontakt, Beziehungen und gemeinsame Erfahrungen, durch die frühe Einbindung in eine Festivaledition. Die wichtigsten Aspekte dafür sind die Anwesenheit aller vor Ort und Zeit
- Überlegen Sie, welche Formate Sie entwickeln können, um den internationalen Austausch der Festivalakteur*innen auch vor- und nach einer Edition weiter auszubauen. Gibt es bereits Programme die sie nutzen können, oder sehen sie ungedeckte Bedarfe?
- Bleiben sie mehrsprachig. In Sitzungen, im Marketing, in Ihrem Selbstverständnis. Kein Angst, kein Publikum der 2020er Jahre ist einsprachig.
- Nehmen Sie die sozialpolitische Verantwortung, die Sie nach außen vertreten, auch nach innen ernst. Verantwortung und Kompetenzen zeigen sich nicht, wenn alles rund läuft, sondern wenn etwas schief geht. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter*innen motiviert sind und sich in ihrer Arbeit wertgeschätzt fühlen?
Kulturpolitische und wissenschaftliche Voraussetzungen
Um partizipative internationale Festivals erfolgreich umsetzen zu können, braucht es kulturpolitische Veränderungen, etwa hinsichtlich der Förderrichtlinien oder der Evaluation von Festivals abseits von nur bedingt aussagekräftigen quantitativen Zahlen. Eine Kartografie ist dabei ein hilfreiches Tool, um die Größe, das Finanzvolumen, den angesprochenen soziokulturellen Raum, die Auslastungszahlen eines Festivals usw. vergleichbar zu machen.
Solchen Einordnungen fehlen aus meiner Sicht jedoch oft die wichtigsten Kriterien, wie beispielsweise die künstlerischen Setzungen oder gesellschaftspolitische Relevanz und Verantwortung. Eine entsprechende Analyse sollte wissenschaftlich fundiert sein und die tatsächlichen Vorgänge und Ereignisse in einen größeren Kontext einordnen. Ein Festival wird zudem von allen Beteiligten multiperspektivisch betrachtet und erlebt, sodass die Beurteilungen einzelner Zuschauer*innen, Festivalteilnehmer*innen oder Mitwirkenden divergent ausfallen können. Zudem können unterschiedliche Fokusse helfen, zu einem Fazit zu gelangen beispielsweise die Zusammensetzung des Festivalprogramms, die Einordnung der künstlerischen Projekte in einen kunsthistorischen Kontext, das kurz- und langfristige soziokulturelle Feld um ein Festival, die Relevanz für ein nationales oder internationales Fachpublikum, Zuschauer*innenperspektiven, die Wahrnehmung der Produktionsbedingungen durch die Künstler*innen, die Kommunikationsarbeit usw.
Die Etablierung von gemeinsam definierten Kennzahlen, insbesondere von qualitativen, ist längst überfällig. Eine Zusammenarbeit mit Universitäten, die eine ergebnisoffene Forschungsmethodik unterstützen, wäre hierfür ein zukunftsfähiges Beispiel.
Um partizipative internationale Festivals erfolgreich umsetzen zu können, braucht es kulturpolitische Veränderungen, etwa hinsichtlich der Förderrichtlinien oder der Evaluation von Festivals abseits von nur bedingt aussagekräftigen quantitativen Zahlen. Eine Kartografie ist dabei ein hilfreiches Tool, um die Größe, das Finanzvolumen, den angesprochenen soziokulturellen Raum, die Auslastungszahlen eines Festivals usw. vergleichbar zu machen.
Solchen Einordnungen fehlen aus meiner Sicht jedoch oft die wichtigsten Kriterien, wie beispielsweise die künstlerischen Setzungen oder gesellschaftspolitische Relevanz und Verantwortung. Eine entsprechende Analyse sollte wissenschaftlich fundiert sein und die tatsächlichen Vorgänge und Ereignisse in einen größeren Kontext einordnen. Ein Festival wird zudem von allen Beteiligten multiperspektivisch betrachtet und erlebt, sodass die Beurteilungen einzelner Zuschauer*innen, Festivalteilnehmer*innen oder Mitwirkenden divergent ausfallen können. Zudem können unterschiedliche Fokusse helfen, zu einem Fazit zu gelangen beispielsweise die Zusammensetzung des Festivalprogramms, die Einordnung der künstlerischen Projekte in einen kunsthistorischen Kontext, das kurz- und langfristige soziokulturelle Feld um ein Festival, die Relevanz für ein nationales oder internationales Fachpublikum, Zuschauer*innenperspektiven, die Wahrnehmung der Produktionsbedingungen durch die Künstler*innen, die Kommunikationsarbeit usw.
Die Etablierung von gemeinsam definierten Kennzahlen, insbesondere von qualitativen, ist längst überfällig. Eine Zusammenarbeit mit Universitäten, die eine ergebnisoffene Forschungsmethodik unterstützen, wäre hierfür ein zukunftsfähiges Beispiel.
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