25.08.2017

Themenreihe Wahlkultur

Autor*in

Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Wahlkultur 2017

Das kulturpolitische Programm der SPD

Unsere Reihe Wahlkultur stellt die Programme der derzeit größten deutschen Parteien vor und untersucht sie auf jene Aspekte, die für die Kulturpolitik der nächsten Jahre von Bedeutung sein werden. Der vierte Beitrag befasst sich mit dem Parteiprogramm der SPD. Dafür beantwortete uns der Parteivorstand einige vertiefende Fragen.

Themenreihe Wahlkultur

I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm
 
Für die SPD spielt Kulturpolitik innerhalb des Wahlprogramms eine wichtige Rolle. Dabei sind für die Partei die kulturpolitischen Forderungen ein wesentlicher Aspekt für den Erhalt einer offenen und demokratischen Gesellschaft, weshalb sie im gleichnamigen Kapitel verortet sind. Von insgesamt 116 Seiten entfallen dabei sechs sowohl auf die wichtigsten Aspekte der Kulturpolitik als auch auf die damit in direktem Zusammenhang stehenden Bereiche Erinnerungskultur, Medienpolitik und Urheberrecht.
 
II. Besonders betonte Inhalte des kulturpolitischen Programms
 
Für die SPD ist vor allem die Forderung Kultur für alle ein wichtiger Aspekt der Kulturpolitik und besonders relevant für den Erhalt der Demokratie. Darüber hinaus möchte die SPD Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Da dabei Kunst und Kultur als Ausdruck des menschlichen Daseins gesehen werden, ist das Verständnis zu diesem Staatsziel sehr breit. Das spiegelt sich auch in den kulturpolitischen Forderungen der Partei wider:
 
  • uneingeschränkte kulturelle Teilhabe und Partizipation, insbesondere zur Unterstützung der Integration
  • Förderung der Digitalisierung von Kultur & Stärkung der Denkmalschutzprogramme des Bundes, um kulturelles Erbe zu bewahren und zugänglich zu machen
  • Stärkere Unterstützung der Kreativwirtschaft durch einen kooperativen Kulturförderalismus
  • Bessere Rechte und Absicherung von Kulturschaffenden durch besser Vergütungen und eine stärkere Einbindung in die gesetzliche Sozialversicherung
  • Stärkung von Gleichstellung und Gerechtigkeit im Kulturbetrieb, um die Vielfalt künstlerischer Perspektiven zu gewährleisten
  • Stärkung der freien Kulturszene zur gleichberechtigten Entwicklung aller Formen des kulturellen Ausdrucks
  • Weiterentwicklung der Deutschen Filmförderfonds (DFFF) zum Erhalt der vielfältigen Filmlandschaft und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Filmschaffende
III. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte
 
Für die SPD bilden Kunst und Kultur das Fundament unserer Gesellschaft und sind existentiell für den Erhalt ihrer Offenheit und Demokratie. Vor allem in Zeiten von zunehmender gesellschaftlicher und politischer Polarisierung und wachsendem Rechtspopulismus sei die kritische Stimme von Kunst und Kultur wichtiger denn je um die Grundfesten unserer Demokratie und unseres Zusammenhalts zu schützen. Die SPD sieht darin einen Weg, den zwischenmenschlichen Dialog zu stärken. In diesem Zusammenhang brauche es sowohl eine uneingeschränkte, inklusive kulturelle Teilhabe als auch Gleichstellung und Gerechtigkeit im Arbeitsmarkt Kultur sowie künstlerischen Freiraum. Den Herausforderungen des demografischen Wandels setzt die SPD deshalb eine Kultur des Ermöglichens entgegen. Damit verbunden setzt sich die Partei für den Erhalt, den Ausbau und die Modernisierung der kulturellen Infrastruktur ein, um Orte, an denen Kunst und Kultur stattfinden, als Verständigungs- und Diskussionsräume einer freien Gesellschaft zu etablieren. Dabei ist die Dynamik der freien Kulturszene, ihre innovative Produktionen und Arbeitsformen, für die SPD stilbildend für gesellschaftliche Erneuerungen. Darauf soll in Zukunft mehr zurückgegriffen werden.
 
IV. Gestaltung des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
 
Sie SPD setzt sich für einen kooperativen Kulturförderalismus zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein. Diese Vernetzung sei vor allem für die Freisetzung von Kreativität als Rohstoff des 21. Jahrhunderts im Bereich der Kulturellen Bildung notwendig. Dabei sollen gemeinsame Prioritäten im Sinner einer konzeptbasierten Kulturpolitik gesetzt und der Zugang zur Bundeskulturförderung erleichtert werden. Eine Kooperation zwischen Bund und Ländern ist für die SPD vor allem in Hinblick auf die Sanierung und Modernisierung der kulturellen Infrastruktur unverzichtbar. Deshalb will die Partei den Ländern helfen, den Investitionsstau abzubauen und die Anpassung der kulturellen Infrastruktur an neue Bedarfe und Teilhabebedürfnisse zu ermöglichen. Des Weiteren sollen vor allem Kooperationen in Bezug auf den ländlichen Raum verbessert werden, um Kultur dort gezielt zu stärken. Dafür soll der Bund als fester Förderpartner etabliert werden.
 
V. Ziele für den wachsenden Stellenwert der Kultur- und Kreativwirtschaft im Wirtschaftsspektrum
 
Um dem Stellenwert der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland in Zukunft gerecht zu werden, verfolgt die SPD folgende Ziele:
 
  • stärkere Unterstützung klein- und mittelständischer Kulturunternehmen
  • Verbesserung der Fördermöglichkeiten bei Unternehmensgründungen & Unterstützung über die Gründungsphase hinaus
  • Ausbau der digitalen Aufstellung von Kulturinstitutionen, um bessere Verknüpfungen mit der Kreativwirtschaft zu gewährleisten
  • finanzielle Unterstützung und Fortentwicklung des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) und der Games-Branche
VI. Strukturveränderungen im Kulturbereich
 
Die Ideen der SPD zu Langfristigkeit und Strukturveränderungen umfassen vor allem das Thema Absicherung. Um Kulturschaffenden in selbständigen oder hybriden Beschäftigungsverhältnissen langfristig und nachhaltige Angebote zu bieten, fordert die SPD zum einen eine Bürgerversicherung. Zum anderen sollen Solo-Selbstständige umfassend in die gesetzliche Sozialversicherung eingebunden werden. Hinzukommen eine Verbesserung der Künstlersozialkasse sowie branchenspezifische Mindesthonorare für zeitbasierte kreative Arbeit. Darüber hinaus will die SPD die projektbezogene Kulturförderung vereinfachen, was vor allem kleineren Projekten zugute kommen soll. Ebenso soll das bestehende Stipendiensystem für Kreative stärker ausgebaut werden. Um kulturpolitische Entscheidungen besser begründen zu können, möchte die Partei außerdem die kulturpolitische Forschung und Kulturstatistik ausweiten.
 
VII. Zukunft der Digitalisierung im Bereich der Vermittlung und neuer Arbeitsmodelle
 
Die immer größer werdende Bedeutung der Digitalisierung für die Gesellschaft spielt für die SPD vor allem im Kontext ihrer Forderung Kultur für alle eine wichtige Rolle: Durch die Digitalisierung soll kulturelles Erbe geschützt und zugänglich gemacht werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist der flächendeckende Zugang zum schnellen Netz, nicht zuletzt, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Denn in der digitalen Welt werde es immer wichtiger, Informationen bewerten und einordnen zu können. Eine Stärkung der Medienkompetenz aller Generationen sei daher unerlässlich.
 
Des Weiteren möchte die SPD die Kultureinrichtungen selbst in die digitale Zukunft führen. Auch sie bräuchten einen besseren Zugang zu Gigabitnetzen. Zudem sieht die Partei koordinierte Ansätze, etwa für die Langzeitverfügbarkeit und auf die Einrichtungen zugeschnittene digitale Strategien, ebenso wie für die Nutzung digitaler Möglichkeiten für die Produktion und Vermittlung kultureller Inhalte vor. Für Kulturschaffende sollen die flexiblen Spielräume der digital vernetzen Arbeit besser genutzt werden können.
 
VIII. Europäische Kulturpolitik und förderung
 
Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist für die SPD das Fundament zur Integration und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts innerhalb der EU. Das primäre Ziel einer gemeinsamen europäischen Kulturpolitik solle daher der Schutz und die Förderung kultureller Vielfalt sein. Dazu gehören auch Politikfelder wie das Urheberrecht, Handelspolitik, Sozial-, Bildungs- und Jugendpolitik sowie die Kreativwirtschaft und müssen entsprechend einbezogen werden. Um auch auf EU-Ebene Demokratie zu stärken, setzt sich die SPD für die Förderung von Koproduktionen von Wissen und Kultur sowie Bildungsbiografien und eine intensivierte Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ein. Ein weiteres Ziel ist die Etablierung einer gemeinsame EU-Kulturstrategie in Beziehungen zu Drittstaaten. Dazu zählen Projekte, Initiativen oder Austauschprogramme mit europäischen Partnern sowie der Schutz des europäischen Kulturerbes als gemeinsame Aufgabe. Nicht zuletzt setzt die SPD sich für eine Steigerung des Kulturanteils im EU-Haushalt ein.
 
Fazit
 
Die SPD greift in ihrem Wahlprogramm zahlreiche Aspekte auf, die den Kulturbetrieb aktuell beschäftigen. Dem Charakter der Partei entsprechend betrifft das die Bereiche soziale Absicherung, Gleichstellung und Gerechtigkeit sowie die uneingeschränkte Teilhabe und Partizipation an Kultur. Dabei bleibt allerdings die Frage offen, inwieweit ein Kulturangebot fernab des Geldbeutels geschaffen und gegenfinanziert werden soll. Darüber hinaus fordert die SPD neue Schwerpunkte der Kulturförderung abseits der klassischen Leuchttürme sowie einen Kulturförderalismus, in dessen Zusammenhang Kultur als Staatsziel in das Grundgesetzt aufgenommen werden soll. Bei vielen Forderungen sind Ähnlichkeiten zu den Programmen des BÜNDNIS 90/Die Grünen und der Linken festzustellen. Besonderes Hauptaugenmerk legt die SPD auf die wirtschaftlich wichtige Stärkung der Filmförderung sowie der Games-Branche.
 

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